Hauseigentümerverband Zürich
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HEV 3/2005 Inhaltsverzeichnis
Die Eigentumswohnung

     
  Anfechtung der Beschlüsse der
Stockwerkeigentümergemeinschaft

* Björn Kernen
 
     
  Widerrechtliche Beschlüsse können die Stockwerkeigentümer innert Monatsfrist vom Richter aufheben lassen. Eine Korrektur kann grundsätzlich bloss von der Gemeinschaft herbeigeführt werden. Die Nichtigkeit eines Beschlusses kann unter dem Vorbehalt des Rechtsmissbrauches jederzeit geltend gemacht werden. Grundsätzlich ist bei Entscheiden, die gegen die Rechts- oder Gemeinschaftsordnung verstossen, von einer Anfechtbarkeit auszugehen.  
     
  1. Allgemeines
Der Zweck der Anfechtungsmöglichkeit besteht darin, dem Stockwerkeigentümer, der sich in der Minderheit befindet, eine Möglichkeit zu geben, widerrechtliche Beschlüsse der Gemeinschaft überprüfen zu lassen. Der Richter kann den angefochtenen Beschluss bloss auf eine allfällige Rechtsverletzung überprüfen, die Angemessenheit desselben bleibt der Prüfung verschlossen.
 
     
  A. Anfechtbarkeit
Widerrechtlich ist ein Beschluss, wenn er gegen die Rechts- oder Gemeinschaftsordnung (Begründungsakt, Reglement oder Hausordnung) verstösst. In der Regel ist bei solchen Beschlüssen von einer Anfechtbarkeit auszugehen. Diese bedeutet, dass der Beschluss solange er nicht nach Art. 712 m Abs. 2 i. V. m. Art. 75 ZGB angefochten wurde, rechtlich volle Wirkung entfaltet.
Beispiele dafür sind:
 
 
das unwillentliche Versäumnis, einen Stockwerkeigentümer an die Versammlung einzuladen;
ein Beschluss über luxuriöse bauliche Massnahmen mit qualifiziertem Mehr;
Beschlüsse über nicht gehörig traktandierte Geschäfte;
ein Beschluss, der von einer mangels genügender Anzahl anwesender Eigentümer nicht beschlussfähigen Versammlung gefasst wurde;
die falsche Verteilung der gemeinschaftlichen Kosten und Lasten.
 
     
  B. Nichtigkeit
Die Nichtigkeit eines Beschlusses ist nicht schlechthin anzunehmen. Nach Lehre und Rechtsprechung bedarf es folgender Voraussetzungen:
 
 
Der Beschluss enthält eine gravierende Widerrechtlichkeit, welche schwer wiegend die Struktur des Stockwerkeigentums verletzt;
durch den Beschluss werden Bestimmungen verletzt, welche die Gläubiger oder das öffentliche Interesse schützen;
der Inhalt des Beschlusses ist unmöglich oder sittenwidrig;
der Beschluss verletzt Persönlichkeitsrechte.
 
     
  Die Prüfung des Bestehens eines Nichtigkeitsgrundes hat nach den konkreten Umständen zu erfolgen. Die Nichtigkeit von Beschlüssen wird angenommen bei:  
 
Versammlungseinberufung durch eine unzuständige Person;
definitivem Entzug des Stimmrechts eines Stockwerkeigentümers;
Verzicht der Stockwerkeigentümer auf das Anfechtungsrecht;
Änderung der Wertquote eines Stockwerkanteils ohne Zustimmung des betroffenen Eigentümers.
 
     
  Der Stockwerkeigentümer kann unter Vorbehalt des Rechtsmissbrauches jederzeit die Nichtigkeit geltend machen. Selbst jenem, der dem Beschluss zugestimmt hat, steht dieses Recht offen. Der Beschluss kann zu keiner Zeit rechtliche Wirkung entfalten.  
     
  2. Voraussetzungen der Anfechtung
A. Materielle Voraussetzungen
Die Anfechtung eines Beschlusses ist erst möglich, wenn dieser tatsächlich gefasst wurde. Solange kein Beschluss vorliegt, kann der Richter auf die Anfechtungsklage mangels Rechtsschutzinteresses nicht eintreten. Der angefochtene Beschluss muss von der Stockwerkeigentümerversammlung, einem Delegierten oder einem Ausschuss gefällt worden sein. Beschlüsse des Verwalters können grundsätzlich nicht Gegenstand einer Anfechtungsklage sein. Ausnahme bildet die Anfechtung einer vom Verwalter verhängten Busse, welche intern nicht beschwerdefähig ist. Anfechtungsobjekt kann ein Zirkulationsbeschluss wie auch eine Urabstimmung sein. Bei einstimmigen Beschlüssen kann der Kläger bloss noch einen Willensmangel geltend machen. Bevor der Stockwerkeigentümer ans Gericht gelangen kann, hat er den internen Beschwerdeweg zu befolgen. Können Beschlüsse des Delegierten oder des Ausschusses an der Stockwerkeigentümerversammlung angefochten werden, muss diese Möglichkeit vorerst ausgeschöpft werden. Wie oben erwähnt, kann ein Beschluss der Gemeinschaft nur angefochten werden, falls er widerrechtlich ist. Eine Einschränkung des Anfechtungsanspruches kann in einem begrenzten Mass eingeführt werden. So ist es beispielsweise möglich, durch eine gegenseitige schriftliche Vereinbarung ein Schiedsgericht für allfällige Anfechtungen einzuberufen.
 
     
  B. Legitimation
Zur Einreichung einer Anfechtungsklage sind die Stockwerkeigentümer berechtigt, selbst wenn sie an der Versammlung weder anwesend noch vertreten waren. Wenn ein Anteil in gemeinschaftlichem Eigentum steht oder wenn er durch eine Nutzniessung oder ein Wohnrecht belastet ist, haben sich die betroffenen Personen über die Ausübung des gemeinsamen Stimmrechts zu einigen. Die Stimmabgabe durch den Vertreter des Stockwerkanteils wird den Vertretenen angerechnet, weshalb eine Anfechtung nicht in Frage kommt.
Ist der Verwalter zusätzlich Stockwerkeigentümer, steht auch ihm die Anfechtung offen. In allen übrigen Fällen ist er nicht aktivlegitimiert. Als Vertragspartner der Stockwerkeigentümergemeinschaft ist er nicht Teil der Willensbildung und hat somit die Entscheidungen dieser zu akzeptieren. Diese Meinung ist in der Lehre nicht unumstritten.
Passivlegitimiert ist stets die Stockwerkeigentümergemeinschaft. Dies gilt selbst, wenn der Beschluss eines Ausschusses Gegenstand einer Anfechtung bildet.
 
     
  C. Formelle Voraussetzungen
Die Anfechtungsklage ist am Ort der gelegenen Sache einzureichen (Art. 19 Abs. 1 lit. b GestG). Es handelt sich nicht um einen zwingenden Gerichtsstand, weshalb eine Gerichtsstands- oder Schiedsgerichtsklausel zulässig ist.
Die Anfechtungsklage muss innert einem Monat nach Kenntnisnahme des Beschlusses erfolgen (Art. 75 ZGB). Die Frist beginnt mit dem Zeitpunkt zu laufen, in welchem dem Stockwerkeigentümer der gesamte Beschluss eröffnet wird. Sie läuft ungeachtet dessen, ob dieser die Widerrechtlichkeit erkennt oder nicht. Es ist daher ratsam, allen Eigentümern unverzüglich ein vollständiges und transparentes Protokoll zuzustellen.
 
     
  3. Wirkung des Urteils
Der Richter kann bei Erfüllung aller Voraussetzungen den Beschluss bloss aufheben. Eine Korrektur des Entscheides kann durch ihn nicht vorgenommen werden. Die Gemeinschaft hat demzufolge einen neuen Beschluss zu fassen. Art 647 Abs. 2 Ziff. 1 ZGB bildet dazu eine Ausnahme, da der Richter eine notwendige Verwaltungshandlung anordnen kann, wenn die Eigentümerschaft beschlossen hat, nichts zu unternehmen. Durch die Aufhebung wird der Beschluss rückwirkend für ungültig erklärt, das heisst, er konnte während keiner Zeit eine Rechtswirkung entfalten.
 
     
  * lic. iur., HEV Zürich  
     
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