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Stimmrecht im Stockwerkeigentum
* Harald Solenthaler |
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Bereits bei der ersten Stockwerkeigentümerversammlung oder spätestens
bei einer wichtigen Abstimmung stellt sich die Frage, wie die
Stimmen der einzelnen Stockwerkeigentümer gezählt werden. Besitzen
gewisse Stockwerkeigentümer mehr als eine Stockwerkeinheit und findet
sich keine Regelung in Begründungsakt oder Reglement, kann dies
bei der Auszählung der Stimmen zusätzliche Schwierigkeiten bereiten. |
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Für das Funktionieren einer Personenvereinigung
wie einer Stockwerkeigentümergemeinschaft
ist das Stimmrecht als unentziehbares
und unverzichtbares Mitgliedschaftsrecht
unentbehrlich. Der einzelne
Stockwerkeigentümer kann zwar auf die Ausübung
seines Stimmrechts verzichten, jedoch
kann es ihm auch mit seinem Einverständnis
im Voraus entzogen werden.
Wie die Stimmrechte der Stockwerkeigentümer
bemessen werden, ergibt sich
durch den Begründungsakt, das Reglement
und das Gesetz. Gibt es keine entsprechende
Bestimmung im Begründungsakt oder im
Reglement, kommen die gesetzlichen Vorschriften
zur Anwendung. Mit Ausnahme im
Bereich der qualifizierten Beschlussfassung
(Art. 647b Abs. 1, Art. 647d Abs. 1, Art. 712g
Abs. 3 ZGB) ist weder das Kopfstimm- noch
das Wertquotenstimmrecht zwingend vorgeschrieben.
Nach der herrschenden Lehrmeinung
entspricht das Kopfstimmrecht am ehesten
dem Wesen des Stockwerkeigentums
und der Struktur der Stockwerkeigentümergemeinschaft,
da die Stockwerkeigentümer eine
auf ein bestimmtes Objekt bezogene Personengemeinschaft
aus grundsätzlich gleichberechtigten
Personen bilden. Deshalb ist auch
im Stockwerkeigentumsrecht das Kopfstimmrecht
die Regel für die Stimmenrechtsbemessung,
aber nicht zwingend. Im Begründungsakt
oder durch Beschluss im Rahmen einer
Reglementsänderung ist es möglich, eine
andere Berechnungsart zu statuieren.
Sofern das Reglement keine Abweichungen
vorschreibt, hat grundsätzlich beim Kopfstimmrecht
jeder Stockwerkeigentümer eine
Stimme. Für den Fall, dass ein Stockwerkeigentümer
mehrere Stockwerkeinheiten besitzt,
ist es von Vorteil, die Anwendung der
Stimmrechte im Reglement zu regeln. Sind
mehrere Personen an einem Stockwerkeigentumsanteil
gemeinschaftlich als Mit- oder
Gesamteigentümer (Erbengemeinschaft, ehevertragliche
Gütergemeinschaft, einfache
Gesellschaft) dinglich berechtigt, steht ihnen
nur eine Stimme zu, die sie einheitlich abzugeben
haben, d.h., die Abgabe der Stimme
erfolgt durch einen gemeinsamen Vertreter.
Für die interne Willensbildung sind die Vorschriften
des entsprechenden Gemeinschaftsverhältnisses
(Eherecht, Erbrecht, Miteigentumsrecht
etc.) massgebend.
Bei Vorliegen einer Nutzniessung und eines
Wohnrechts erfolgt ebenfalls keine Spaltung
der Stimmberechtigung bezüglich eines
Stockwerkeigentumsanteils. Es bleibt den
beteiligten Personen (Nutzniesser/Wohnberechtigter
und Eigentümer) frei, untereinander
zu bestimmen, wer die Stimme abgibt. Sie
können also dem einen oder anderen die
Befugnis zur Ausübung des Stimmrechts einräumen
oder eine gemäss den einzelnen Traktanden
aufgeteilte Stimmrechtsausübung wählen. Fehlt es an einer Verständigung zwischen
dem Eigentümer und dem Nutzniesser/
Wohnberechtigten, findet die subsidiäre
gesetzliche Regelung von Art. 712o Abs. 2
ZGB Anwendung, wonach der Nutzniesser/
Wohnberechtigte in allen Fragen der Verwaltung
mit Ausnahme der bloss nützlichen
oder der Verschönerung und Bequemlichkeit
dienenden baulichen Massnahmen stimmberechtigt
ist. Bei Abstimmungen über Einschränkungen
der Nutzungsrechte sowie bei
Zweckänderungsbegehren ist dagegen der
Eigentümer stimmberechtigt.
Ist eine Stockwerkeinheit vermietet, so ist
der Eigentümer alleine stimmberechtigt. Er
kann jedoch einer Drittperson, z.B.
seinem Mieter, die Vollmacht erteilen, ihn an
der Stockwerkeigentümerversammlung zu
vertreten und das Stimmrecht auszuüben. |
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* lic. iur., Rechtsanwalt, HEV Zürich |
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