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Unterscheidung Sonderrecht
und gemeinschaftliche Teile
HEV Winterthur |
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Gegenstand des Stockwerkeigentums ist der Miteigentumsanteil am
gesamten Grundstück (Gebäude inkl. Umschwung) verbunden mit dem
Sonderrecht zur ausschliesslichen Verwaltung, Benutzung und baulichen
Ausgestaltung bestimmter Teile, der sog. Stockwerkeigentumseinheiten
(Art. 712a ff. ZGB). Die Abgrenzung zwischen «exklusiven» und gemeinschaftlichen
Teilen ist von grosser praktischer Bedeutung und führt nicht
selten zu Meinungsverschiedenheiten. |
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Warum ist die Unterscheidung zwischen Sonderrecht
und gemeinschaftlichen Teilen wichtig?
Sie ist massgebend für die Verteilung der
damit verbundenen Rechte und Pflichten zwischen
den einzelnen Stockwerkeigentümern
und der Gemeinschaft sowie für die Beschlussfassung.
So obliegt die Unterhalts- sowie
Kostentragungspflicht bezüglich gemeinschaftlicher
Teile der Stockwerkeigentümergemeinschaft;
für ihren Sonderrechtsbereich
sind die einzelnen Stockwerkeigentümer dagegen
selbst verantwortlich. |
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Was sind zwingend gemeinschaftliche Teile?
Das Gesetz enthält keine abschliessende
Aufzählung, was zu den Gemeinschafts- und
was zu den Sonderrechtsteilen zu zählen ist; es
wird vielmehr den Stockwerkeigentümern ein
relativ grosser Ermessensspielraum zugestanden.
Zwingend gemeinschaftlich sind jedoch
von Gesetzes wegen folgende Teile, d.h., sie
können nicht mittels Rechtsgeschäft zu Sonderrecht
ausgeschieden werden (Art. 712b Abs. 2
Ziff. 1 bis 3 ZGB): |
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Alles, was zum Boden der Liegenschaft
gehört und nicht ein Gebäude ist; Beispiele:
Garten (inkl. aller mit dem Boden verbundenen
Pflanzen), Spielplatz, Terrassen,
Schwimmbad, Einfriedungen wie Mauern
und Zäune, Stützmauern, Aussenparkplätze,
Fahr- und Fusswege. |
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Das selbstständige und dauernde Baurecht,
falls das Gebäude im Baurecht erstellt wurde. |
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Elementare Gebäudeteile, d.h. alle Bauteile,
welche für den Bestand, die konstruktive
Gliederung und Festigkeit des Gebäudes
oder der Räume anderer Stockwerkeigentümer
von Bedeutung sind; Beispiele: Fundament,
Dach, tragende (innere) Mauern und
Trennwände, Böden und Decken, Isolationen
und Abdichtungen. |
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Bauteile, die die äussere Gestalt und das
Aussehen des Gebäudes bestimmen; Beispiele:
Hausfassade inkl. Aussenbereiche der
Balkone, Loggias und Veranden, Kamine,
ganze Fensterfronten, welche die Fassaden
ersetzen, Aussenantennen, Dachterrassen,
gemeinsame Hauseingangstüren. |
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Gemeinsame Anlagen und Einrichtungen,
d.h. Anlagen und Einrichtungen, die auch
den anderen Stockwerkeigentümern für die
Benutzung ihrer Räume dienen. Nicht relevant
ist dabei, ob die einzelnen Stockwerkeigentümer
derartig gemeinschaftliche Teile tatsächlich benützen (z.B. ob die gemeinschaftliche
Waschküche von allen gebraucht
wird oder nicht); sofern sie objektiv für andere
Stockwerkeigentümer nützlich sind, müssen
sie als gemeinschaftliche Teile ausgeschieden
werden. Beispiele: Abstellräume für
mehrere Stockwerkeigentümer (wie Velound
Skiabstellräume), gemeinschaftliche
Zentralheizung, Leitungen, Lüftungen und
Lifte, gemeinsames Treppenhaus, Waschküche
und Trocknungsraum für alle, gemeinschaftliches
Hallenbad, Sauna und Solarium. |
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Welche Teile können zusätzlich als gemeinschaftlich
erklärt werden?
Die Stockwerkeigentümergemeinschaft
kann weitere Räumlichkeiten, Einrichtungen
oder Anlagen, welche sonderrechtsfähig wären
(vgl. unten), ausdrücklich für gemeinschaftlich
erklären (Art. 712b Abs. 3 ZGB) – nicht aber das
gesamte Gebäude. Diese willkürliche Zuordnung
zu Gemeinschaftsteilen kann entweder im
Begründungsvertrag enthalten sein oder später
durch einstimmige Vereinbarung aller Stockwerkeigentümer
erfolgen (Änderung des Reglements
sowie des Aufteilungsplanes), die öffentlich
beurkundet werden muss (BGE 118 II
291ff.). Die sorgfältige Ordnung eventueller
«Grenzbereiche» im Reglement oder/und im
Begründungsakt ist sehr zu empfehlen. Beispiele:
Hauswartswohnung, Bastel- und Partyräume,
Garagenboxen, Kellerabteile, Fenster
der Stockwerkeinheiten. |
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Was sind sonderrechtsfähige Teile?
Das Gesetz stellt die Vermutung auf, dass
nicht als gemeinschaftlich erklärten Bestandteile
zu Sonderrecht ausgeschieden sind (Art. 712b
Abs. 3 ZGB). Somit können an Gebäudeteilen,
die nicht zwingend gemeinschaftlich sind oder
als gemeinschaftlich erklärt wurden, grundsätzlich
Sonderrechte bzw. Stockwerkeigentumseinheiten
begründet werden. Gemäss Art. 712b
Abs. 1 ZGB müssen solche Sonderrechtsteile folgende
Voraussetzungen kumulativ erfüllen: |
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Räumliche Abgeschlossenheit: Der Raum
(bzw. die Räume) muss auf allen Seiten abgeschlossen
oder abschliessbar sein. Dies kann
mittels fest montierten Vorrichtungen jeglicher
Art geschehen wie Mauern, Verschläge,
Gitter, Türen usw. – Aus diesem Grund können
einzelne Autoabstellplätze im Freien oder
in einer Sammelgarage, die nur mit einer
Farbmarkierung ab Boden gegeneinander
abgegrenzt sind, nicht als Sonderrecht ausgeschieden
werden; dies im Gegensatz zu separaten
Einstellboxen oder abschliessbaren Einzelgaragen. |
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Wirtschaftliche Einheit: Als Stockwerkeigentumseinheiten
kommen ganze Stockwerke
oder zusammenhängende Teile davon
in Frage, die als Wohnung, Geschäftslokal,
Gewerberäume oder zu einem anderen
Zweck eine eigenständige wirtschaftliche
Funktion erfüllen. Damit soll verhindert werden,
dass kleine, für sich nicht existenzfähige
Räume, wie Toiletten und Küchen, zu Sonderrecht
ausgeschieden werden. |
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Eigener Zugang: Die Stockwerkeigentumseinheit
muss von gemeinschaftlichen Teilen
aus direkt erreicht werden können (z.B.
gemeinschaftliche Zugangswege, Eingangshalle,
Gang, Treppen). Unzulässig wäre demnach
der Zugang über im Sonderrecht stehende
Räume anderer Stockwerkeigentümer. |
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Einer Stockwerkeigentumseinheit können
zudem einer oder mehrere Nebenräume zugeteilt
werden (Art. 712b Abs. 1 ZGB). Diese stehen
in einem funktionalen Zusammenhang zu
einer bestehenden Sonderrechtseinheit und bilden
nur einen räumlich abgetrennten, jedoch
inhaltlich verbundenen Teil von ihr. In der Praxis
sind häufig folgende Beispiele von Nebenräumen
anzutreffen: Bastel- und Hobbyräume, Keller-
und Estrichabteile, Lagerräume, separate
Waschküchen und Trocknungsräume, Einzelgaragen und Garagenboxen sowie Mansardenzimmer.
Beispiele von Sonderrechten im Innenbereich
des Gebäudes:
Bodenbeläge (Parkett-, Linoleumböden,
Spannteppiche), Deckenverkleidungen,
nicht tragende Trennwände, Wohnungstüren
sowie Türen innerhalb der Wohnung,
eingebaute Schränke, Cheminées,
Radiatoren, Küchen-, Badezimmer- und Toiletteneinrichtungen,
Leitungen von den Abzweigungen
an.
Beispiele von Sonderrechten im Aussenbereich
des Gebäudes:
Innenseite der individuell
zugänglichen Balkone und Veranden (ohne
Geländer, Brüstung etc.), Fenster inkl. Rollläden
und Sonnenstoren, allenfalls Wohnabschlusstüren,
sofern diese ins Freie führen. |
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Wo sind Abgrenzungsprobleme anzutreffen?
Vor allem im Aussenbereich der Liegenschaft
ist die Zuordnung bestimmter Teile zu Sonderrecht
bzw. zu gemeinschaftlichem Eigentum
nicht immer ganz einfach, so z.B. bei Fenstern,
Balkonen, Veranden und Dachterrassen.
Fenster (inkl. Balkontüren, Dachluken und -fenster sowie Storen): Gemäss neuerer Lehre
zählen diese grundsätzlich zum Sonderrecht
(Ausnahme: ganze Fensterfronten mit «Fassadenfunktion
»). Da die Fenster Bestandteil der
Hausfassade bilden und damit das Aussehen
des ganzen Gebäudes beeinflussen, dürfen sie
allerdings von den einzelnen Stockwerkeigentümern
nicht derart verändert werden, dass sie in
Art, Grösse oder Farbe sichtbar von den übrigen
Fenstern abweichen (Art. 712a Abs. 2 ZGB).
Balkone und Veranden: Aufgrund der herrschenden
Auffassung wird hier zwischen der
Aussenseite, die zwingend gemeinschaftliches
Eigentum darstellt, und dem Innenbereich, der
sonderrechtsfähig ist, unterschieden, was entsprechende
Unterhalts- und Kostenfolgen auslöst.
Unzulässig sind demnach die eigenmächtige
Veränderung der Balkonbrüstung, das
Anbringen von Glas- und Kunststoffwänden als
Sichtschutz oder Schattenspender, das Befestigen
von Klimageräten an der Aussenfassade
sowie das Aufstellen einer von aussen sichtbaren
Satellitenschüssel durch einzelne Stockwerkeigentümer.
Dachterrassen: Aufgrund ihrer Lage sowie
ihrer Bedeutung für die äussere Erscheinung
eines Gebäudes sind die Dachterrassen zwingend
dem gemeinschaftlichen Eigentum zuzurechnen.
Im Reglement kann jedoch ein Sondernutzungsrecht
zugunsten der obersten Stockwerkeigentümereinheit
eingeräumt werden.
Leider wird dies in der Praxis des öftern vernachlässigt. |
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Was ist ein Sondernutzungsrecht?
Vom besprochenen Sonderrecht an Räumen
ist das so genannte Sondernutzungsrecht an
gemeinschaftlichen Teilen zu unterscheiden,
auch «ausschliessliches Nutzungsrecht» genannt.
Dieses beinhaltet den Verzicht der Stockwerkeigentümergemeinschaft
auf die Nutzung
eines gemeinschaftlichen Gebäude- oder
Grundstückteils zugunsten der exklusiven Nutzungsberechtigung
eines einzelnen Stockwerkeigentümers.
Solche Sondernutzungsrechte
werden in der Regel bei der Begründung des
Stockwerkeigentums durch entsprechende
Abfassung des Reglements begründet (evtl.
auch in Form einer Dienstbarkeit); später ist in
der Regel ein einstimmiger Beschluss aller Stockwerkeigentümer
notwendig (vgl. Art. 648 ZGB).
Leider kommt es im Zusammenhang mit diesen
ausschliesslichen Nutzungsrechten nicht selten
zu Auseinandersetzungen unter den Stockwerkeigentümern.
Um solchen vorzubeugen, empfiehlt
es sich, bei der Einräumung von Sondernutzungsrechten
den Umfang der Berechtigung
sowie die damit verbundenen Pflichten im
Reglement klar zu umschreiben. Beispiele:
Autoabstellplätze, Gartenanteile, Dachterrassen. |
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