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HEV 4/2005 Inhaltsverzeichnis
Unser Garten

     
  Maiglöckchen:
Glücksboten des Wonnemonats

CMA (Centrale Marketinggesellschaft d. dt. Agrarwirtschaft)
 
     
  Der Legende nach soll das Maiglöckchen aus den Tränen Marias entstanden sein, als diese unter dem Kreuz Jesu auf die Erde tropften.  
  Dementsprechend findet man Convallaria majalis, wie Maiglöckchen botanisch genannt werden, auf vielen Mariendarstellungen in der Malerei. Den meisten Menschen ist diese Entstehungsgeschichte des Maiglöckchens nicht bekannt. Für sie sind die kleinen weissen Blümchen ein Symbol des wiedererwachenden Lebens, des Glücks und der Liebe. Denn unverkennbar produzieren sie einen raffiniert-erotischen Duft – passend zum Wonnemonat Mai. Die sinnliche Ausstrahlung hat das Maiglöckchen zum Liebesboten par excellence gemacht. Kein Wunder, dass die Germanen die Blume Ostara, der Göttin des Frühlings und der Fruchtbarkeit, zuordneten und dass das Maiglöckchen bis heute zu Brautstrauss und Hochzeitsdekoration gehört. Aber auch als Glücksbote wird Convallaria geliebt und zum Start in den Mai gern verschenkt: Wer am 1. Mai ein Maiglöckchen bei sich trägt, dem ist das Glück das ganze Jahr über hold.      
     
         
  Kaiserblümchen
Eine wahre Blütezeit erlebte das Maiglöckchen in Wilhelminischer Zeit. Millionenfach wurden die duftenden Glöckchen gekauft, weniger im Mai als vielmehr be-reits in den Wintermonaten, wenn die Sehnsucht nach Frühling besonders gross war. Die breite Blumenauswahl auch im Winter, die für uns heute selbstverständlich ist, gab es damals nicht und Maiglöckchen waren vergleichsweise einfach vorzutreiben. Vilmorins «Illustrierte Blumengärtnerei» aus dem Jahr 1879 erläutert das Verfahren, das Berliner Gärtner entwickelt hatten: «Sind die Maiglöckchenkeime alle gesetzt, so erwärmt man das Haus auf 25 bis 30 °C und erhält die Wärme Tag und Nacht beständig auf dieser Höhe. Die geringste Nachlässigkeit in der Unterhaltung in einer einzigen Nacht kann den Erfolg in Frage stellen.» Rund drei Wochen nach Beginn der Treiberei zeigten die fleischigen Maiglöckchenwurzeln, Eiskeime genannt, die ersten Blütenstände und konnten verkauft werden.
 
     
  Von Minus nach Plus
Viel schneller geht es auch heute nicht, wie die Sächsische Landesanstalt für Landwirtschaft mit ihrem Fachbereich Gartenbau und Landespflege in Dresden-Pillnitz herausgefunden hat. In 18 Tagen sind Sorten wie die «Neue Vierländer» oder «Havelperle» termingerecht zu kultivieren. Damit es pünktlich klappt, werden die Maiglöckchen einer klimatischen Achterbahnfahrt unterzogen: Wie im Zeitraffer, nur ein wenig nachdrücklicher als in der Natur, erleben sie die Temperatursprünge vom eisigen Winter bis zum warmen Frühjahr. Ausserdem kommt als Neuerung ein warmes Bad im Anschluss an die Kühlung hinzu. Das ist nötig, um dem grössten Feind der Maiglöckchen, mikroskopisch kleinen Fadenwürmern in den Eiskeimen, den Garaus zu machen. Ohne diese Massnahme kümmern befallene Pflanzen. Hierin lag eine der Ursachen für den drastischen Rückgang der winterlichen Maiglöckchen- Treiberei in der Mitte des 20. Jahrhunderts. Heute widmen sich nur noch wenige Gärtner dem kostenaufwendigen Geschäft, Maiglöckchen von der kalten Jahreszeit bis zum Muttertag anzubieten.
 
     
  Finger weg von den Wilden!
Doch die Maiglöckchen werden wieder beliebter. Auch in heutiger Zeit kann man sich der Romantik der porzellanfeinen Blumen nicht entziehen. Allerdings verschiebt sich der Trend: Standen früher eindeutig Maiglöckchen-Sträusse im Vordergrund, liegt heute der Schwerpunkt in Gärtnereien und Blumengeschäften auf Maiglöckchen in Töpfen. Ihre weissen Glöckchen stehen frei inmitten des frischgrünen Laubs und wirken damit fast noch schöner als die Sträusse. Ausserdem kann man sich bei den Töpfen absolut sicher sein, dass sie aus gärtnerischer Kultur stammen. Dagegen befinden sich unter den Sträussen, die im Mai angeboten werden, auch etliche aus wild im Wald gepflückten Exemplaren, obwohl Maiglöckchen in der Natur schon lange geschützt sind. Kein Wunder, dass Wildbestände in vielen Regionen kaum noch die Chance haben, ihre roten Beeren zu entwickeln und neue Standorte zu erobern. Sicher unterscheiden lassen sich wild gepflückte Stängel von denen aus der Gärtnerei nicht. Einen Hinweis auf Schnittblumen aus gärtnerischem Anbau geben lange Stängel, sehr grosse Blüten und reicher Blütenbesatz. Spitzensorten wie die «Neue Vierländerin» etwa «läuten» mit bis zu 20 Glöckchen.
 
     
  Schönheit ist vergänglich
Auch diese üppigen Maiglöckchen sind als Strauss nicht sonderlich haltbar – nur vier bis sechs Tage dauert die Pracht. Bei Töpfen währt sie etwas länger, weil man die Pflanze mit noch geschlossenen Blüten kaufen kann und ihre ganze Entwicklung miterlebt. Bei Schnittglöckchen sollte dagegen die erste Blüte geöffnet sein, sonst reicht die Kraft nicht zum vollen Erblühen. Nach der Blüte wandern die Maiglöckchen im Topf am besten in den Garten. An einem bodenfeuchten, schattigen Platz fühlen sie sich besonders wohl und breiten sich mit ihren kriechenden Wurzelstöcken aus. Im Laufe der Jahre entsteht ein dichter grüner Teppich, in dem alljährlich im Mai die Glöckchen läuten.
 
     
  * Redaktor, lic. iur.  
     
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