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Die Berücksichtigung des Nutzens
eines gemeinschaftlichen Teils
(Art. 712 h Abs. 3 ZGB)
* Cornel Tanno |
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Art. 712h Abs. 3 OR verpflichtet die Stockwerkeigentümer, dem
Umstand Rechnung zu tragen, dass bestimmte gemeinschaftliche Teile
keinen (objektiven) Nutzen für einen Stockwerkeigentümer (bzw. für eine
Stockwerkeinheit) aufweisen. Die Berücksichtigung dieses Umstandes
verpflichtet zu einer Abweichung der Regelung, wonach die Stockwerkeigentümer
an die Lasten des gemeinschaftlichen Eigentums und an die
Kosten der gemeinschaftlichen Verwaltung Beiträge nach Massgabe ihrer
Wertquoten zu leisten haben (Art. 712h Abs. 1 ZGB). |
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Einigkeit in Literatur und Praxis herrscht
darüber, dass Art. 712h Abs. 3 ZGB zwingender
Natur ist. Eine Abweichung von
diesem Grundsatz, z.B. im Reglement, ist
nichtig.
Trotz der zwingenden Natur von Art.
712h Abs. 3 ZGB zeigt sich das Bundesgericht
in seiner Rechtsprechung sehr zurückhaltend
in der Anwendung dieser Bestimmung.
Die Anwendung von Art. 712h Abs.
3 ZGB setzt voraus, dass der gemeinschaftliche
Teil für den betroffenen Stockwerkeigentümer
objektiv ohne Nutzen oder
unbrauchbar ist. Die Unbrauchbarkeit darf
weder von der konkreten Lage des Stockwerkeigentümers
noch von seinem subjektiven
Willen abhängig gemacht werden.
Wenn also ein Stockwerkeigentümer willentlich
auf die Benutzung eines gemeinschaftlichen
Teils verzichtet (beispielsweise,
indem er auf den Aufzug aus gesundheitlichen
Gründen zugunsten der Treppen verzichtet),
ist Art. 712h Abs. 3 ZGB nicht
anwendbar.
Auch in den folgenden Fällen kam nach
höchstrichterlicher Rechtsprechung Art.
712h Abs. 3 ZGB nicht zur Anwendung: |
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Erneuerung eines Daches und des Aufzuges
eines von beiden Gebäuden des
betroffenen Stockwerkeigentums, welches
eine gemeinsame Heizung und
weitere gemeinschaftliche Teile enthält |
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Sanierung eines Daches eines Gebäudes,
welches die Zentralheizung für alle
Gebäude des Stockwerkeigentums enthält. |
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In den folgenden Fällen kam Art. 712h
Abs. 3 ZGB zur Anwendung: |
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Reparatur einer zentralen Lüftung, an
welcher sich ein Stockwerkeigentümer
nicht beteiligen wollte, weil der Zugang
zu dieser Lüftung für ihn abgedichtet war. |
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Verteilung sämtlicher gemeinschaftlicher
Kosten und Lasten auf einen Stockwerkanteil,
welcher lediglich ein Sonderrecht
auf eine Garagenbox einräumt. |
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Es wird aus obigen Beispielen ersichtlich,
dass, wenn die Benutzung des gemeinschaftlichen Teils für den Stockwerkeigentümer
objektiv nützlich sein könnte, er
sich an dessen Kosten und Lasten beteiligen
muss. Aufgrund der gegenwärtigen
Gerichtspraxis scheint die Anwendung von
Art. 712h Abs.3 ZGB davon abhängig zu
sein, ob der gemeinschaftliche Teil für den
Stockwerkeigentümer absolut unbrauchbar ist. Gemäss Wortlaut der massgebenden
Gesetzesbestimmung wäre diese hingegen
auch anwendbar, wenn der betroffene
gemeinschaftliche Teil dem Stockwerkeigentümer
«nur in ganz geringem Masse»
dient. |
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* lic. iur., Rechtsanwalt, HEV Zürich |
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