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HEV 7/2005 Inhaltsverzeichnis
Unser Garten

     
  Von der Lust am Jäten
* Barbara Scalabrin-Laube
 
     
  Saisonende!
Saisonende!
 
     
  Um es gleich vorwegzunehmen: Ich jäte gerne! Was den einen Last und mühsame Pflicht sein mag, ist für mich Lust. Weshalb dem so ist, will ich gern verraten.
Zwar gibt es viele Unannehmlichkeiten, die mir das Jäten vergällen könnten: So krieche ich während Stunden unter den Rhododendren herum und werde von Brennnesseln gestochen. Die dicke Kröte, welche ich gestört habe, erschreckt mich fast ebenso wie die abgestreifte Haut unserer Ringelnatter. Unter einer Strauchpfingstrose finde ich ein Versteck mit stinkenden, alten Knochen unserer Hündin Buddleja, während die andere, Alison, beim Graben einer Kuhle schon wieder die Wurzeln eines Buxus freigelegt hat. Das lästige Schnürgras ärgert mich und den Kampf mit den Winden werde ich wohl nie gewinnen. Trotz all diesen Widrigkeiten ist mir das Jäten keine Last.
Wenn ich im frühen Frühjahr ein erstes Mal die Beete lockere und von Unkraut befreie, freue ich mich über alle Pflanzen, welche Kälte und Nässe überlebt haben und erneut austreiben. Es ist, wie wenn man alte Freunde nach langer Zeit wieder trifft und das Gespräch dort fortführt, wo man es einst unterbrochen hat. Dabei stellt man vielleicht fest, dass sie breiter, älter, reifer, kräftiger, charaktervoller oder auch schwächer geworden sind.
Nach dieser Wiedersehensfreude und dem Beobachten des Wachstums wird es spannend. Pflanzenbilder vom letzten Jahr tauchen auf, und ich fange an zu überlegen, wo ich Pflanzen umplatzieren wollte, wo eine Lücke zu füllen ist und wo ich Unstimmiges verbessern könnte. Ich unterbreche die Arbeit und gehe durch den Garten, um für eine Pflanze einen optimalen Platz zu suchen.
Erinnerungen an gelungene Gestaltungen im eigenen und in fremden Gärten werden wach. Ich stelle mir neue mögliche Kombinationen vor. So werden Stauden und Gehölze ausgegraben, geteilt, umgepflanzt und verschenkt, und etliche kommen neu hinzu. Plötzlich erkenne ich, wohin die Photiniae auf Stamm, von welchen ich in einer Euphorie gleich drei gekauft habe, passen würden, zu wem ich das rotblättrige Eupatorium Chocolate pflanzen könnte, wohin die zweite Romneya coulteri gesetzt werden soll und mit wem der aus England im Koffer mitgebrachte Sambucus nigra Black Beauty harmonieren wird.
Meine Einfälle beflügeln mich. Fast meine ich, Bäume ausreissen zu können oder einen Wettbewerb gewinnen zu müssen. Da unser Garten dicht bepflanzt ist, müssen wir für jede Neupflanzung eine bestehende entfernen und für die überzähligen Pflanzen eine Lösung suchen.
Bin ich mit dieser ersten Pflegerunde durch, hat der Garten für mich einen ersten Höhepunkt erreicht. Ich sehe ihn, obwohl er vorwiegend braun und grün ist, in der zukünftigen Idealform (die er kaum erreichen wird) vor mir und träume von den Blüten, den Farben und Formen. Weder muss etwas aufgebunden werden, noch haben die Hosta Löcher oder die Lavaterae Rost, aber die Geranien bilden schon ausgewogene Horste. Man könnte sich ins Paradies versetzt glauben.
 
      Die Nächte werden wärmer und die Tage kürzer. Die zweite Pflegerunde beginnt. Als Erstes entfernen wir die verblühten Blütenstände der Rhododendren, eine monotone Arbeit. Während Stunden steht man zwischen den Gehölzen und knipst die Blütenstände weg. Manche sind klebrig, bei andern muss man aufpassen, dass man die neuen Triebe nicht gleichzeitig wegschneidet. Ich schätze diese Arbeit, weil am Schluss alles sauber und gepflegt aussieht und ein Resultat sichtbar ist. Aber viel wichtiger ist mir die Musse, welche ich beim Ausbrechen habe: Ich kann meinen Gedanken freien Lauf lassen, kann tagträumen, philosophieren oder Musik hören und bin völlig entspannt. Ich habe Zeit.  
 
Zum Jäten bereit!
   
       
  Obwohl ich möglichst dicht pflanze, um Unkräutern wenig Wachstumschancen zu geben, wird im Sommer an vielen Stellen eine weitere Jätrunde nötig. Meist muss ich in dieser Phase viele Pflanzen zurück- oder zurechtschneiden, und dabei treffe ich auf hartnäckige Unkräuter wie Winden, Baumtropfen, Wallwurz, Löwenzahn und Fünffingerkraut. Wenn mir die Zeit bloss für «Gartenkosmetik» reicht, nehme ich den Dutch Hoe, einen Unkrautkuli, mit dem ich die Unkräuter abschneide und den Boden oberflächlich lockere. Allerdings ziehe ich die aufwendigere Methode des Ausstechens der unerwünschten Pflanzen und gleichzeitigen Lockerns mit der Rosengabel vor.
Wenn ich jetzt am Schreibtisch sitze und mir das Jäten in der sommerlichen Hitze vorstelle, kommt es mir als Plage vor: Man schwitzt, der Boden ist hart und trocken, lästige Mücken quälen einen. Wie angenehm wäre es dann, im Schatten zu sitzen und ein Buch zu lesen! Trotzdem zieht es mich auch im Sommer in den Garten, denn ich finde beim Jäten nicht nur Unkraut, sondern eine grosse Menge Sämlinge. Wer weiss, wie verschieden z.B. Helleborusoder Geranium-Sämlinge ausfallen können, wird verstehen, dass ich viele davon entweder stehen lasse oder ausgrabe und eintopfe, immer in der Hoffnung, eine neue, gartenwürdige Hybride zu entdecken. Ganz besonders freuen mich die Jungpflanzen der Strauchpaeonien, obwohl ich diese aus Platzmangel im eigenen Garten meist andern Gartenfreundinnen überlassen muss. Beim Weggeben erinnere ich mich an die begabte Plantswoman Elizabeth Strangman aus Kent. Sie schenkte uns Helleborus- Sämlinge, welche noch nie geblüht hatten, und bemerkte dazu, dass ihre schönsten Pflanzen oft in fremden Gärten stünden und sie nicht davon wüsste. Wie Recht sie hatte!
Unter erfahrenen Gärtnern und Gärtnerinnen gilt das Jäten als anspruchsvolle Arbeit, welche grosse Pflanzenkenntnisse voraussetzt. Dass dies stimmt, wird mir jeweils bewusst, wenn ich mich entscheiden muss, welche Aquilegien, Alchemilla, Linaria und Hesperis bleiben dürfen und welche ausgerissen werden. Ich bin froh, wenn sich andere Pflanzenliebhaberinnen für die in Ungnade gefallenen interessieren und sie mitnehmen. Wie schnell wird doch eine Pflanze zu Unkraut, wenn sie zur falschen Zeit am falschen Ort steht.
Meine Lust am Jäten ist eng verbunden mit meiner Vorliebe für Tagträume, für Gedankenspiele, der Freude am Planen und Ändern, aber auch mit der Befriedigung nach getaner Arbeit, ein Resultat zu sehen. Vielleicht ist das lustvolle Jäten gar eine Form von Psychohygiene.
 
     
  * Cottage Garten, 8453 Alten  
     
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