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Kirchenglocken; Lärm oder Brauch?
* Cornel Tanno |
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Das Kirchgeläut in aller Herrgottsfrühe hat schon vielen Anwohnern
den Schlaf geraubt. In früheren Entscheiden hatte sich das Bundesgericht
gefragt, ob das Frühgeläut als Lärm gelte und somit das Umweltschutzgesetz
massgebend sei. |
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In vorliegendem Fall ging es aber nicht
um das Läuten zu Gottesdiensten, die einen
gewissen Schutz durch die Bundesverfassung
geniessen. Das Thema sind vielmehr
der Viertelstunden- und der Stundenschlag
während der Nachtruhe von 22 bis 6 Uhr.
Der reklamierende Anwohner empfand
das Geläut und den Glockenschlag als derart
laut, dass Telefongespräche unterbrochen
und erst alle Fenster geschlossen werden
mussten. Bei offenem, aber auch bei
gekipptem Fenster erwache man nachts
immer wieder wegen des Zeitschlags.
Das darüber zu befindende Gericht kam
nach Einholen eines Gutachtens zu folgendem
Resultat:
In seiner Interpretation des Gutachtens
kam das Verwaltungsgericht zum Schluss,
der Glockenschlag sei keine «erhebliche»
Störung im Sinne des Umweltschutzgesetzes.
Denn die fragliche Wohnung liege in
einer Wohnzone mit Gewerbeerleichterung
und in der Empfindlichkeitsstufe III. Deshalb
sei der Bevölkerung «ein gewisses Mass an
Beeinträchtigung zuzumuten». Geringfügige
Störungen seien hinzunehmen, da zum
Beispiel auch mit Lärm von Gaststätten
oder Unterhaltungslokalen zu rechnen sei.
Zudem ist der Glockenschlag ein Geräusch,
das von den meisten Menschen «grundsätzlich
positiv bewertet» werde. Der Zeitschlag
sei ein jahrhundertealter Brauch, der
bei einem erheblichen Teil der Bevölkerung
«auch heute noch fest verankert oder
zumindest akzeptiert» sei.
Das Gericht kam sodann zum Schluss,
dass das Kirchgeläut als «Teil des kulturellen
Erbes» zu akzeptieren sei.
Der betroffene Anwohner konnte sich
mit dem Ergebnis des Richterspruches nicht
einverstanden erklären und wird den Fall
ans höchste schweizerische Gericht weiterziehen.
Man darf auf deren Urteil gespannt
sein. |
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* lic. iur., Rechtsanwalt, HEV Zürich |
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