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Die Zumutbarkeit des Ersatzmieters
* Björn Kernen |
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Bei der vorzeitigen Rückgabe der Mietsache hat der
ausziehende Mieter einen dem Vermieter zumutbaren Ersatzmieter
zu stellen. Bei der Beurteilung der Unzumutbarkeit
ist auf einen durchschnittlichen, vernünftigen und korrekt
denkenden Vermieter abzustellen. Der Ersatzmieter muss im
Vergleich zum ausziehenden Mieter gleichartig oder gleichwertig
sein. Dem Vermieter darf durch die vorzeitige Rückgabe
keinen Nachteil erwachsen. |
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Allgemeines
Gibt der Mieter die Mietsache zurück,
ohne Kündigungsfrist oder -termin einzuhalten,
so hat er einen dem Vermieter
zumutbaren neuen Mieter vorzuschlagen,
um sich von seinen Verpflichtungen zu
befreien (Art. 264 Abs. 1 OR). Die Zumutbarkeit
als unbestimmter Rechtsbegriff gibt
dem Richter in der Beurteilung von Einzelfällen
einen weitgehend offenen Beurteilungsmassstab
zur Hand.
Die Zumutbarkeit lässt sich nur an
der Grenze des Unzumutbaren bestimmen.
Unzumutbarkeit ist erreicht, wenn
das Verhalten einer Person, die Person
selber oder eine bestimmte Situation
eine Schwelle erreicht, welche für einen
anderen einen unerträglichen Zustand
bedeutet. Als unerträglich gilt ein Zustand,
wenn etwas von einem Betroffenen
schlechterdings nicht verlangt werden
kann. Bei der Beurteilung der Zumutbarkeit
ist bloss auf die Person und die
Interessen des Vermieters abzustellen. Die
Interessen des Mieters bleiben unberücksichtigt.
Dies ergibt sich schon aus
dem Wortlaut von Art. 264 Abs. 1 OR,
«einen für den Vermieter zumutbaren
neuen Mieter».
Nach Lehre und Rechtsprechung ist
umstritten, ob die Zumutbarkeit nach
objektiven oder subjektiven Gesichtspunkten
zu beurteilen ist. Grundsätzlich ist bei
der Beurteilung der Zumutbarkeit auf einen
durchschnittlichen, vernünftigen und korrekt
denkenden Vermieter abzustellen. Die
Überempfindlichkeit eines konkreten Vermieters
wird nicht geschützt. Wohnt der
Vermieter in demselben Objekt, so sind
strengere Anforderungen an die Zumutbarkeit
zulässig. Trotzdem wird diesfalls nicht
von einer subjektiven Sichtweise gesprochen,
würde doch ein jeder Vermieter einen
strengeren Massstab anlegen. |
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Kriterien
Der Ersatzmieter ist zumutbar, falls nicht
wichtige Gründe für seine Ablehnung vorliegen.
Dabei sind stets die konkreten
Umstände des Einzelfalls massgeblich.
Unzumutbarkeit für den Vermieter liegt vor,
wenn ernsthafte Gründe vorliegen, die dem
Vermieter tatsächliche, konkrete Nachteile
in Aussicht stellen. Blosse Befürchtungen,
persönliche Antipathien oder eine objektiv
unbegründete, negative Einstellung des Vermieters
zu bestimmten Mieterkreisen sind
unbeachtlich. An den Ersatzmieter dürfen keine höheren Anforderungen gestellt werden
als an den ausziehenden Mieter. Der
Ersatzmieter muss im Vergleich zum ausziehenden
Mieter gleichartig oder gleichwertig
sein. Dem Vermieter darf durch die vorzeitige
Rückgabe kein Nachteil erwachsen. |
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a) künftiger Gebrauch
Massgeblich für die Beurteilung der
Zumutbarkeit ist zudem der vom Ersatzmieter
vorgesehene künftige Gebrauch der
Sache. Was zumutbar ist, ergibt sich aus der
konkreten Art und Weise, wie der ausscheidende
Mieter und der Vermieter das Mieterverhältnis
innerhalb der Schranken von
Gesetz und bestehendem Mietvertrag
gelebt haben. Von Bedeutung sind daher
der Mietgegenstand, der Gebrauchszweck,
die Gebrauchsmodalität und die für den
Mieter erkennbaren Gründe, die den Vermieter
zum Vertragsabschluss bewogen. |
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b) Person des Ersatzmieters
Der Ersatzmieter hat in persönlicher Hinsicht
gewissen Anforderungen zu genügen.
Er hat in das Miethaus und zu dessen
Bewohnern zu passen. Der Vermieter darf
jedoch nicht höhere Anforderungen an den
Ersatzmieter als an den ausziehenden Mieter
stellen. Auf den ideal erscheinenden
Ersatzmieter besteht kein Anspruch. Im Einzelnen
fallen etwa folgen Kriterien in
Betracht: |
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Mietobjekt |
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Familiengrösse |
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Alter |
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bestehende Mieterzusammensetzung |
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Charakter der Mitmieter |
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Nie kann die Nationalität, die Rasse, die
ausländerrechtliche Stellung oder die Religion
zu einer Ablehnung des Nachmieters
führen. |
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Beispiele aus Lehre und Rechtsprechung
Obgleich bei der Beurteilung der Zumutbarkeit
auf den Einzelfall abzustellen ist,
geben Beispiele aus Rechtsprechung und
Lehre hilfreiche Anhaltspunkte. |
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Zumutbarkeit bejaht: |
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Mieter bewohnt alleine eine Dreizimmerwohnung,
Ersatzmieter sind zu
zweit. |
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Jugendliches Alter, Geschlecht, Zivilstand
oder Beruf eines Ersatzmieters sind
im Allgemeinen keine Ablehnungsgründe. |
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Ausländer mit gültiger Niederlassungsbewilligung. |
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Verneinung der Zumutbarkeit: |
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Mieträume wurden als Büros genutzt,
Ersatzmieter will sie zu Wohnzwecken. |
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Mieter betreibt ein Architekturbüro in
einem Bürogebäude, der Ersatzmieter
hat einen Druckereibetrieb. |
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In ruhiger Wohnlage ist ein Ersatzmieter,
der Musikunterricht erteilt oder als
Berufsmusiker regelmässig in der Wohnung
übt, nicht zumutbar. |
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Die Familie des Ersatzmieters ist bedeutend
grösser als die des ausziehenden
Mieters. |
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Junggeselle schlägt Familie mit vier Kindern
als Ersatzmieter vor. |
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Dreipersonenhaushalt will als Ersatzmieter
eine Zweizimmerwohnung beziehen. |
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In ein Miethaus mit ausschliesslich älteren
Leuten will eine Wohngemeinschaft
mit drei jungen Männern einziehen. |
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Stellt der Mieter einen nicht zumutbaren
Ersatzmieter, so vermag er sich nicht aus
dem Rechtsverhältnis zu befreien. Der Vermieter
kann auf die Stellung eines zumutbaren
Ersatzmieters beharren. |
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