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Abbruch von Mietvertragsverhandlungen
* Christoph Felder |
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Situationen, in denen ein Mietinteressent und ein
Vermieter im Hinblick auf den Abschluss eines Mietvertrages
miteinander verhandeln, es aber zu keinem Abschluss
kommt, sind in der Praxis nicht selten. Wurden die Verhandlungen
einseitig abgebrochen, führt das häufig zu Schadenersatzforderungen.
Hat der nicht mehr verhandlungsbereite
Partner den anderen für seine nutzlos gewordenen
Aufwendungen zu entschädigen? |
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Mieter und Vermieter haben in fast allen
Fällen bereits vor dem Abschluss eines
Mietvertrages miteinander Kontakt. Dazu
gehören u.a. das Lesen der Anzeige, das
Besichtigen der Mieträume, die Zustellung
eines Anmeldeformulars und die übliche
mündliche oder schriftliche Kommunikation
betreffend den Inhalt des Vertrages. Weder
Mietinteressenten noch Vermieter oder
Verwalter gehen davon aus, dass jede
Besichtigung automatisch zum Abschluss
eines Vertrags führt. Zwar werden sie enttäuscht
sein, wenn es wieder einmal nicht
geklappt hat, an Schadenersatz werden sie
aber kaum denken. In der Regel hält sich
der Aufwand auf beiden Seiten ja auch in
Grenzen.
Insbesondere bei der Geschäftsmiete
kann der Vertragsabschluss jedoch vom
Ergebnis komplexer Abklärungen und aufwendiger
Planung abhängen. Diese können
sowohl zeitlich wie auch finanziell
einen beträchtlichen Umfang annehmen.
Was geschieht nun, wenn eine der Parteien
die Vertragsverhandlungen abbricht, der
ganze Aufwand umsonst war und die
Gegenseite womöglich darüber hinaus
einen Schaden erleidet? Wer trägt diese
Kosten?
Dazu gilt es Folgendes festzuhalten: Im
Allgemeinen ist jede Partei frei, Vertragsverhandlungen
abzubrechen, aus welchen
Gründen es ihr auch beliebt. Die Partei,
welche die Vertragsverhandlungen abbricht,
muss die andere grundsätzlich nicht für
deren getätigten Aufwand entschädigen
(z. B. Anfertigung von Plänen, Verhandlungen
mit Finanzinstituten, Formulierung
individueller Klauseln für den Mietvertrag,
aufgewendete Zeit im Zusammenhang mit
den Verhandlungen). Dies entspricht auch
der bundesgerichtlichen Rechtsprechung:
Jede Partei, die Aufwendungen tätigt,
bevor ein Vertrag zustande kommt, tut dies
grundsätzlich auf eigenes Risiko.
Aber wie und wann ist ein Vertrag
zustande gekommen? Ein Vertrag ist abgeschlossen,
sobald eine Partei einen Antrag
unterbreitet und die andere Partei diesen
annimmt. Keinen Antrag, sondern lediglich
eine Aufforderung zur Antragstellung stellen
das Anmeldeformular, das Zeitungsinserat
oder das Zusenden von nicht unterzeichneten
Mietvertragsexemplaren durch
den Vermieter dar. In der Regel behalten
sich die Parteien für den Abschluss des
Vertrages die Schriftform als Gültigkeitserfordernis
vor (vgl. Mietvertrag HEV). Deshalb wird vermutet, dass die Parteien vor
der Unterzeichnung nicht gebunden sein
wollen.
Ausnahmsweise haftet aber eine Partei,
welche die Verhandlungen abbricht, der
anderen dennoch für den Schaden, der dieser
entstanden ist. Dies gründet auf dem in
der Rechtslehre konstruierten Begriff der
«culpa in contrahendo», der so genannten
Vertrauenshaftung. Danach sind die Parteien,
obwohl vertraglich nicht gebunden, einander
verpflichtet, die Verhandlungen nach
Treu und Glauben zu führen. Dies beinhaltet
insbesondere die Pflicht, die Verhandlungen
den wirklichen eigenen Absichten gemäss
zu führen, und auch die (eingeschränkte)
Pflicht zur Aufklärung der Gegenpartei über
Tatsachen, die deren Entscheid über Vertragsschluss
oder -bedingungen beeinflussen
können. Dabei hängt das Ausmass der
Verpflichtung von den Umständen des Einzelfalls
ab (BGE 125 III 86).
Bereits eine fahrlässige Verletzung dieser
Pflicht kann eine Haftung aus «culpa
in contrahendo» begründen. Dies kann
beispielsweise der Fall sein, wenn die Partei,
welche die Vertragsverhandlungen abbricht,
die Gegenpartei darüber nicht oder
verspätet orientiert, sodass Letzterer unnötige
Zusatzkosten entstehen. In der
Praxis ist es empfehlenswert, sich und der
Gegenpartei im Zuge von Vertragsverhandlungen
stets Klarheit zu verschaffen,
ob und wann ein vertraglicher «point of no
return» erreicht ist. Dabei stellt man sich
am besten die Fragen: Von welchen Bedingungen
hängt ein Vertragsabschluss ab?
Durch wen sind allfällige Planungsaufwendungen
zu tragen? Dürfen die Parteien
gleichzeitig mit anderen verhandeln?
Wichtig ist, dass sich Vermieterschaft und
Mieterschaft im Rahmen der Vertragsverhandlungen
nach Treu und Glauben verhalten
und dem anderen nichts vorgaukeln.
Beide Seiten sollten diese Fragen
nicht nur sich selbst, sondern auch unmissverständlich
der anderen Partei stellen. Nur
so lässt sich möglicherweise eine vorvertragliche
Haftung der Gegenpartei begründen.
Der Transparenz ist es sehr dienlich,
wenn der Stand der Verhandlungen und
die noch offenen Fragen jeweils protokolliert
werden. Das hilft, allfällige Missverständnisse
rechtzeitig zu erkennen, und
verbessert die Beweislage, falls es zu einem
Rechtsstreit kommen sollte. |
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