Hauseigentümerverband Zürich
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HEV 9/2005 Inhaltsverzeichnis
Mietrecht

     
  Abbruch von Mietvertragsverhandlungen
* Christoph Felder
 
     
  Situationen, in denen ein Mietinteressent und ein Vermieter im Hinblick auf den Abschluss eines Mietvertrages miteinander verhandeln, es aber zu keinem Abschluss kommt, sind in der Praxis nicht selten. Wurden die Verhandlungen einseitig abgebrochen, führt das häufig zu Schadenersatzforderungen. Hat der nicht mehr verhandlungsbereite Partner den anderen für seine nutzlos gewordenen Aufwendungen zu entschädigen?  
     
  Mieter und Vermieter haben in fast allen Fällen bereits vor dem Abschluss eines Mietvertrages miteinander Kontakt. Dazu gehören u.a. das Lesen der Anzeige, das Besichtigen der Mieträume, die Zustellung eines Anmeldeformulars und die übliche mündliche oder schriftliche Kommunikation betreffend den Inhalt des Vertrages. Weder Mietinteressenten noch Vermieter oder Verwalter gehen davon aus, dass jede Besichtigung automatisch zum Abschluss eines Vertrags führt. Zwar werden sie enttäuscht sein, wenn es wieder einmal nicht geklappt hat, an Schadenersatz werden sie aber kaum denken. In der Regel hält sich der Aufwand auf beiden Seiten ja auch in Grenzen.
Insbesondere bei der Geschäftsmiete kann der Vertragsabschluss jedoch vom Ergebnis komplexer Abklärungen und aufwendiger Planung abhängen. Diese können sowohl zeitlich wie auch finanziell einen beträchtlichen Umfang annehmen. Was geschieht nun, wenn eine der Parteien die Vertragsverhandlungen abbricht, der ganze Aufwand umsonst war und die Gegenseite womöglich darüber hinaus einen Schaden erleidet? Wer trägt diese Kosten?
Dazu gilt es Folgendes festzuhalten: Im Allgemeinen ist jede Partei frei, Vertragsverhandlungen abzubrechen, aus welchen Gründen es ihr auch beliebt. Die Partei, welche die Vertragsverhandlungen abbricht, muss die andere grundsätzlich nicht für deren getätigten Aufwand entschädigen (z. B. Anfertigung von Plänen, Verhandlungen mit Finanzinstituten, Formulierung individueller Klauseln für den Mietvertrag, aufgewendete Zeit im Zusammenhang mit den Verhandlungen). Dies entspricht auch der bundesgerichtlichen Rechtsprechung: Jede Partei, die Aufwendungen tätigt, bevor ein Vertrag zustande kommt, tut dies grundsätzlich auf eigenes Risiko.
Aber wie und wann ist ein Vertrag zustande gekommen? Ein Vertrag ist abgeschlossen, sobald eine Partei einen Antrag unterbreitet und die andere Partei diesen annimmt. Keinen Antrag, sondern lediglich eine Aufforderung zur Antragstellung stellen das Anmeldeformular, das Zeitungsinserat oder das Zusenden von nicht unterzeichneten Mietvertragsexemplaren durch den Vermieter dar. In der Regel behalten sich die Parteien für den Abschluss des Vertrages die Schriftform als Gültigkeitserfordernis vor (vgl. Mietvertrag HEV). Deshalb wird vermutet, dass die Parteien vor der Unterzeichnung nicht gebunden sein wollen.
Ausnahmsweise haftet aber eine Partei, welche die Verhandlungen abbricht, der anderen dennoch für den Schaden, der dieser entstanden ist. Dies gründet auf dem in der Rechtslehre konstruierten Begriff der «culpa in contrahendo», der so genannten Vertrauenshaftung. Danach sind die Parteien, obwohl vertraglich nicht gebunden, einander verpflichtet, die Verhandlungen nach Treu und Glauben zu führen. Dies beinhaltet insbesondere die Pflicht, die Verhandlungen den wirklichen eigenen Absichten gemäss zu führen, und auch die (eingeschränkte) Pflicht zur Aufklärung der Gegenpartei über Tatsachen, die deren Entscheid über Vertragsschluss oder -bedingungen beeinflussen können. Dabei hängt das Ausmass der Verpflichtung von den Umständen des Einzelfalls ab (BGE 125 III 86).
Bereits eine fahrlässige Verletzung dieser Pflicht kann eine Haftung aus «culpa in contrahendo» begründen. Dies kann beispielsweise der Fall sein, wenn die Partei, welche die Vertragsverhandlungen abbricht, die Gegenpartei darüber nicht oder verspätet orientiert, sodass Letzterer unnötige Zusatzkosten entstehen. In der Praxis ist es empfehlenswert, sich und der Gegenpartei im Zuge von Vertragsverhandlungen stets Klarheit zu verschaffen, ob und wann ein vertraglicher «point of no return» erreicht ist. Dabei stellt man sich am besten die Fragen: Von welchen Bedingungen hängt ein Vertragsabschluss ab? Durch wen sind allfällige Planungsaufwendungen zu tragen? Dürfen die Parteien gleichzeitig mit anderen verhandeln? Wichtig ist, dass sich Vermieterschaft und Mieterschaft im Rahmen der Vertragsverhandlungen nach Treu und Glauben verhalten und dem anderen nichts vorgaukeln. Beide Seiten sollten diese Fragen nicht nur sich selbst, sondern auch unmissverständlich der anderen Partei stellen. Nur so lässt sich möglicherweise eine vorvertragliche Haftung der Gegenpartei begründen. Der Transparenz ist es sehr dienlich, wenn der Stand der Verhandlungen und die noch offenen Fragen jeweils protokolliert werden. Das hilft, allfällige Missverständnisse rechtzeitig zu erkennen, und verbessert die Beweislage, falls es zu einem Rechtsstreit kommen sollte.
 
     
  * lic. iur., HEV Zürich  
     
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