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Der Natur ein Schnippchen schlagen?
– oder: Von nicht völlig winterharten
Gästen in unserem Garten
* Barbara Scalabrin-Laube |
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Arkadien, das Hochland auf dem Peloponnes,
das in der griechischen Mythologie zum
Ort des goldenen Zeitalters wurde, wo die
Menschen als zufriedene und glückliche Hirten
in Eintracht mit der idyllischen Natur lebten,
ist noch heute für viele Gärtnerinnen und
Gartenfreunde ein Stichwort, das Träume und
Sehnsüchte weckt. Wahrscheinlich sehen sie
sich im eigenen Arkadien im Schatten eines
Feigenbaumes sitzen und auf einen Hain von
Zitronen- und Orangenbäumen, von alten,
knorrigen Olivenbäumen und üppigen Rosmarinbüschen
blicken. In ihren Paradiesgärten
blühen Zistrosen neben Kamelien. Sie
freuen sich über die roten Blütenglocken des
Crinodendron, der im Schatten der immergrünen
Magnolia grandiflora oder der Jacaranda
mimosifolia blüht. Selbstverständlich
fehlt im Garten des Sehnsüchtigen die mit
Bougainvillea, duftendem Jasmin und der
betörenden Passionsblume überwachsene
Pergola nicht. Auch Granatapfel, Mimose
und Stechapfel und viele andere dürfen nicht
vergessen werden.
Wer in der deutschen Schweiz gärtnert,
weiss, dass alles Träumen keinen Winterschutz
hervorzaubert, dass wir die Orangen
und Zitronen weiterhin im Lebensmittelgeschäft
kaufen werden, dass das eigene kalt
gepresste Olivenöl Illusion bleibt und die Granatäpfel
kaum reifen würden. |
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Ich kenne diese mediterranen Träume nur allzu gut und nehme mir oft vor, realistisch zu bleiben und mit nicht völlig winterharten Pflanzen keine Experimente mehr zu machen. Doch meine Prinzipien sind schnell verworfen, wenn ich beispielsweise eine besonders schön gewachsene immergrüne Magnolie in einer Gärtnerei sehe. Schon spiele ich mit dem Gedanken, was denn unter dem Begriff Winterhärte zu verstehen sei. So zeigt die Erfahrung, dass viele Pflanzen nicht erfrieren, sondern wegen Frosttrocknisschäden sterben. Folglich könnte ich das immergrüne Gehölz aus dem südöstlichen Nordamerika im Herbst und während frostfreien Phasen im Winter mit genügend Wassergaben vor dem Austrocknen schützen. |
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 Gunnera manicata als Schattenspender. |
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Andererseits besteht während des Winters die Gefahr, dass Pflanzen in unserem dichten Lehmboden vernässen. Dieser Schwierigkeit könnte ich bereits beim Pflanzen begegnen, indem ich den Boden mit der Beigabe von Kies durchlässiger machte. Sollte der Winter allzu hart werden, könnte ich die Magnolie mit einem Reisigmantel oder einem Vlies vor der Kälte schützen. Damit würde ich sie zudem vor dem Verbrennen bei winterlichem Sonnenschein nach frostigen Nächten bewahren. Wurzelfrostschäden könnte ich mit einer dicken Mulchschicht um meine Pflanze verhindern. Zusätzlich würde ich natürlich für einen rechtzeitigen Vegetationsabschluss im Herbst sorgen, indem ich während der Sommermonate nicht mehr dünge, um das Ausreifen der Triebe zu fördern und das Wachstum nicht anzuregen. Auch fände ich bestimmt einen Platz in Hausnähe, wo sie geschützt vor der Bise wachsen könnte.
Bleibe ich realistisch, muss ich gestehen, dass mein Wunschgehölz trotz aller Pflegemassnahmen den Winter nicht mit Sicherheit überleben dürfte. Zwar würde es von seinem Reisigmantel umgeben, mit einem Mulchkragen geschützt, in durchlässigem, humosem Boden an halbschattiger Lage stehen und den Frühling erwarten und dann trotz aller Vorsicht im Mai, wenn es bereits ausgepackt und nackt dasteht, einem Spätfrost zum Opfer fallen! Bei kleineren Pflanzen wie, z.B. dem Schopflavendel (Lavandula stoechas), der silberblättrigen Winde (Convolvolus cneorum) oder dem zartblättrigen Wermut (Artemisia «Powis Castle»), kann ich im Spätsommer Stecklinge schneiden und diese im Gewächshaus überwintern, aber bei einem Gehölz wäre dies eine sinnlose Massnahme.
Selbstverständlich könnte ich die Magnolie in einem Topf kultivieren und im Kalthaus überwintern, aber irgendwann werden die Töpfe zu schwer, die Pflanzen zu hoch und der Elan der Gärtnerin zu klein. So stellte sich für uns beispielsweise vor einem Jahr die Frage, wie wir unsere Palme (ein von mir mit gemischten Gefühlen beachtetes Erbstück) durch einen weiteren Winter bringen könnten. Nach langem Hin und Her beschlossen wir, die alte Pflanze auszupflanzen, obwohl sie ein Fremdkörper zwischen unseren eher bäuerlichen Pflanzen war. Da der Topf mehr als 70 cm hoch war, musste das Pflanzloch einiges tiefer sein, sollte doch die Durchlässigkeit des Bodens mit Kies verbessert werden, um die Pflanze vor Vernässung im Winter zu schützen. Schon bei einer Tiefe von rund 30 cm war der Boden steinhart. Mit Pickel und Schaufel arbeitete mein Mann weiter, und was nach einer Arbeit von einer Stunde Dauer ausgesehen hatte, entwickelte sich zu einem einen Nachmittag füllenden Programm. Die Palme aber entwickelte sich gut. Fragenden Blicken von Gartengästen, die den Exoten mitten im Steingarten etwas seltsam fanden, lernte ich auszuweichen. Im Herbst beschlossen wir, die Palme ohne Schutz in den Winter zu schicken. Vor der langen Frostphase im Januar wirkte sie noch immer grün und kräftig. Auch eine Schneedecke schien ihr nicht zu schaden. Im Frühling jedoch wurden die Blattfächer braun und unansehnlich. Die meisten hingen schlaff hinunter. Ich wusste nicht, ob ich mich über den Verlust freuen sollte, denn wie erwähnt zählen Palmen nicht gerade zu meinen Lieblingspflanzen. Schon überlegte ich, womit ich die Lücke füllen sollte, da entdeckte mein Mann Ende Mai einen ersten Blattaustrieb. Fächer um Fächer entwickelte sich. Die Palme durfte bleiben und soll im kommenden Winter gar einen Wintermantel erhalten!
Andere Gehölze, die in Katalogen mit der Bemerkung «brauchen Winterschutz» versehen sind, wachsen in unserem Garten seit vielen Jahren. Ab und zu haben sie im Frühling leichte Frostschäden, aber nach einem gezielten Schnitt sind diese schnell vergessen. So beobachte ich beim Feigenbaum (Ficus carica) jeden Herbst, dass nicht alle Triebe ausreifen. Diese sind im Frühjahr jeweils dürr, aber bald treibt der Baum wieder kräftig aus. Auch der Erdbeerbaum (Arbutus unedo), den ich wegen der späten Blüte im Oktober und wegen der immergrünen Blätter mag, trotzt der Kälte ohne Schutz. Daneben wächst eine Choisya ternata (Orangenblume), ein ebenfalls immergrünes Gehölz mit stark nach Orangen duftenden weissen Blüten im Frühling. Diese musste ich allerdings nach einem ersten Versuch ersetzen, hatte ich sie doch in sonniger Lage zu sehr der Wintersonne ausgesetzt und sie auf diese Weise verbrennen lassen. Den Ersatz pflanzte ich im Halbschatten, wo sie seit vielen Jahren ohne Schaden durch den Winter geht. Daneben wächst ein Lorbeerschneeball, ein immergrünes Gehölz, welches oft schon im Herbst blüht, manchmal die ersten Blüten bei Frost verliert und im Frühling nochmals aufblüht. Auch dem Poncirus trifoliata (Bitterorange) mit den stacheligen grünen Dornen, dem weissen duftenden Blütenkleid und den ungeniessbaren orangen Früchten passt das Mikroklima in unserem Garten.
Alle diese Gehölze gelten als schutzbedürftig. Deshalb freue ich mich natürlich besonders, dass sie sich nicht an die Regeln halten und der Kälte trotzen. Weshalb dem so ist, weiss ich nicht. Sicher liegt es an der besonderen Lage unseres Gartens, der vor Wind und starker Besonnung geschützt ist. Vermutlich habe ich aber auch einfach Glück gehabt, denn andere Versuche mit mediterranen Pflanzen sind missglückt. Den Rosmarin muss ich Jahr für Jahr ersetzen, und sogar der Thymian überlebt nur äusserst selten. Der ausgepflanzte Oleander erfror oberflächlich, trieb im Frühjahr wieder aus, entwickelte aber die Blütenknospen erst im Spätherbst. Die «winterharten» Kamelien erfroren ebenfalls, genauso wie die verschiedenen Ceanothus (Säckelblume), der Eucalyptus gunnii und nach vielen Jahren auch der Vitex agnuscastus (Mönchspfeffer). Vielleicht hätte ich sie mit einem Winterkleid, so wie es das Mammutblatt (Gunnera manicata) jeden Herbst bekommt, am Leben erhalten können. Die entstandenen Lücken sind längst geschlossen. Die Träume aber bleiben! Übrigens habe ich die Magnolia grandiflora nicht gekauft! |
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Die Gunnera
im Winterkleid. |
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