Hauseigentümerverband Zürich
Monatsschrift
Home
Verband
Veranstaltungen Seminare
Monatsschrift
Formulare
Handwerker
Links
HEV 10/2005 Inhaltsverzeichnis
Vom Bauen

     
  Die verpönte Kommerzialisierung
von Rechtsmitteln

* Björn Kernen
 
     
  Verspricht jemand eine Summe, damit ein anderer auf die
Ergreifung eines Rechtsmittels verzichtet, so gilt dies als sittenwidrig,
wenn er es alleine tut, um einen drohenden Verzögerungsschaden
zu verhindern. Ergeben sich berechtigte Gründe für eine Rechtsvorkehr,
so ist eine Vergütung der damit verbundenen Beeinträchtigungen
zulässig.
 
     
  Sachverhalt
Das Obergericht des Kantons Zürich hatte im letzten Herbst einen Fall zwischen zwei Nachbarn zu beurteilen. Die Partei A wollte auf ihrer Parzelle drei Einfamilienhäuser errichten und reichte ein entsprechendes Baugesuch ein. Daraufhin bat Partei B rechtzeitig um Zustellung des Bauentscheides nach § 315 Abs. 1 PBG. Die Baubewilligung wurde am 11. Dezember 2001 erteilt. Am 10. Januar 2002 schlossen die Nachbarn eine Vereinbarung ab, welche auf das Baugesuch und die erteilte Bewilligung Bezug nahm. Darin wurde festgehalten, dass die Partei B das Projekt «insbesondere in Bezug auf die Geschossigkeit, Ausnützung, bauliche Massnahmen und Katasterbereinigung» in Frage stellt. Familie A verpflichtete sich, für die Wertverminderung des Grundstückes insgesamt Fr. 80 000.– einem guten Zweck zukommen zu lassen. Im Gegenzug wollte Familie B auf einen Baurekurs verzichten.
Als B von A die vereinbarte Summe forderte, verweigerte diese den Anspruch mit der Begründung und bestritt die Gültigkeit der Vereinbarung.
 
     
  Entgeltlicher Verzicht nicht grundsätzlich sittenwidrig
Das Gericht hatte zu beurteilen, ob diese Zahlung für den Verzicht einer Rechtsvorkehr sittenwidrig ist. Grundsätzlich ist das Ergreifen eines Rechtsmittels nicht rechtswidrig, auch wenn man damit unterliegt. Als sittenwidrig gilt das Verhalten einer Partei dann, wenn sie Verfahrensrechte missbräuchlich, böswillig oder wider Treu und Glauben in Anspruch nimmt. Nach bundesgerichtlicher Rechtsprechung ist das Zahlungsversprechen für den Verzicht auf eine rechtliche Befugnis sittenwidrig, wenn es auf einer verpönten Kommerzialisierung der Rechtsposition der verzichtenden Partei beruht. Verpönter entgeltlicher Verzicht ist dann anzunehmen, wenn mit der Vereinbarung alleine der drohende Verzögerungsschaden des Bauherrn verhindert und nicht eine mit dem Bauvorhaben verbundene Beeinträchtigung des Nachbargrundstückes ausgeglichen werden soll.
 
     
  Schaden alleine genügt nicht
Bauvorhaben sind meistens geeignet, dem Nachbarn einen Schaden zuzufügen. Im vorliegenden Fall genoss der Nachbar B eine gewisse Fernsicht, diese Wertverminderung stellt einen Schaden dar. Es führt jedoch zu weit, jedes Mal einen entgeltlichen Verzicht auf Rechtsmittel als zulässig zu erachten, wenn ein Schaden eintritt. Es bedarf vielmehr, dass der Nachbar mit dem Erfolg eines Rechtmittels diesen Schaden vermeiden könnte. Beruht jedoch die Schädigung auf einem baurechtskonformen Projekt, so muss der Eigentümer den Schaden selber tragen.
Im Gerichtsverfahren legte Partei B eine Schätzung vor, wonach das Grundstück einen Minderwert von rund Fr. 200 000.– erfuhr. Das Gericht führte jedoch an, dass ein Wertverlust alleine nicht massgeblich sei, der behauptete Schaden stehe überdies in keinem Verhältnis zur vereinbarten Entschädigung. Mit dem positiven Baubewilligungsentscheid sei grundsätzlich von einem mängelfreien Projekt auszugehen. Aus dem Text der Vereinbarung liess sich nicht entnehmen, wie die Partei B das Bauvorhaben anzugreifen gedachte, die Stichworte hätten zu einer Begründung eines Baurekurses nicht ausgereicht. Die Partei B führte im Verfahren aus, dass die Vereinbarung von ihrem damaligen Anwalt verfasst wurde. Das Gericht schloss, dass sie deswegen womöglich keine zusätzlichen konkreten Informationen zur baurechtlichen Nichtkonformität des Projektes besass. Genaue Darlegungen der Beanstandungen des Projektes wurden von Familie B nicht angeführt, demnach konnte sie nicht ernsthaft von einem Erfolg eines Rechtsmittels ausgehen, sondern liess sich die Fr. 80 000.– als Gegenleistung für das Nichtergreifen eines rein schikanösen Rekurses versprechen. Die Vereinbarung wurde aus diesen Gründen für ungültig erklärt.
 
     
  * lic. iur., Rechtsanwalt, HEV Zürich  
     
Inhaltsverzeichnis Seitenanfang