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Die verpönte Kommerzialisierung
von Rechtsmitteln
* Björn Kernen |
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Verspricht jemand eine Summe, damit ein anderer auf die
Ergreifung eines Rechtsmittels verzichtet, so gilt dies als sittenwidrig,
wenn er es alleine tut, um einen drohenden Verzögerungsschaden
zu verhindern. Ergeben sich berechtigte Gründe für eine Rechtsvorkehr,
so ist eine Vergütung der damit verbundenen Beeinträchtigungen
zulässig. |
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Sachverhalt
Das Obergericht des Kantons Zürich
hatte im letzten Herbst einen Fall zwischen
zwei Nachbarn zu beurteilen. Die
Partei A wollte auf ihrer Parzelle drei Einfamilienhäuser
errichten und reichte ein
entsprechendes Baugesuch ein. Daraufhin
bat Partei B rechtzeitig um Zustellung des
Bauentscheides nach § 315 Abs. 1 PBG.
Die Baubewilligung wurde am 11. Dezember
2001 erteilt. Am 10. Januar 2002
schlossen die Nachbarn eine Vereinbarung
ab, welche auf das Baugesuch und die
erteilte Bewilligung Bezug nahm. Darin
wurde festgehalten, dass die Partei B das
Projekt «insbesondere in Bezug auf die
Geschossigkeit, Ausnützung, bauliche
Massnahmen und Katasterbereinigung»
in Frage stellt. Familie A verpflichtete
sich, für die Wertverminderung des
Grundstückes insgesamt Fr. 80 000.–
einem guten Zweck zukommen zu lassen.
Im Gegenzug wollte Familie B auf einen
Baurekurs verzichten.
Als B von A die vereinbarte Summe forderte,
verweigerte diese den Anspruch mit
der Begründung und bestritt die Gültigkeit
der Vereinbarung. |
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Entgeltlicher Verzicht nicht grundsätzlich
sittenwidrig
Das Gericht hatte zu beurteilen, ob
diese Zahlung für den Verzicht einer
Rechtsvorkehr sittenwidrig ist. Grundsätzlich
ist das Ergreifen eines Rechtsmittels
nicht rechtswidrig, auch wenn man damit
unterliegt. Als sittenwidrig gilt das Verhalten
einer Partei dann, wenn sie Verfahrensrechte
missbräuchlich, böswillig oder
wider Treu und Glauben in Anspruch
nimmt. Nach bundesgerichtlicher Rechtsprechung
ist das Zahlungsversprechen für
den Verzicht auf eine rechtliche Befugnis
sittenwidrig, wenn es auf einer verpönten
Kommerzialisierung der Rechtsposition der
verzichtenden Partei beruht. Verpönter
entgeltlicher Verzicht ist dann anzunehmen,
wenn mit der Vereinbarung alleine
der drohende Verzögerungsschaden des
Bauherrn verhindert und nicht eine mit
dem Bauvorhaben verbundene Beeinträchtigung
des Nachbargrundstückes ausgeglichen
werden soll. |
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Schaden alleine genügt nicht
Bauvorhaben sind meistens geeignet,
dem Nachbarn einen Schaden zuzufügen. Im vorliegenden Fall genoss der Nachbar B
eine gewisse Fernsicht, diese Wertverminderung
stellt einen Schaden dar. Es führt
jedoch zu weit, jedes Mal einen entgeltlichen
Verzicht auf Rechtsmittel als zulässig
zu erachten, wenn ein Schaden eintritt. Es
bedarf vielmehr, dass der Nachbar mit dem
Erfolg eines Rechtmittels diesen Schaden
vermeiden könnte. Beruht jedoch die Schädigung
auf einem baurechtskonformen
Projekt, so muss der Eigentümer den Schaden
selber tragen.
Im Gerichtsverfahren legte Partei B eine
Schätzung vor, wonach das Grundstück
einen Minderwert von rund Fr. 200 000.–
erfuhr. Das Gericht führte jedoch an, dass
ein Wertverlust alleine nicht massgeblich
sei, der behauptete Schaden stehe überdies
in keinem Verhältnis zur vereinbarten Entschädigung.
Mit dem positiven Baubewilligungsentscheid
sei grundsätzlich von
einem mängelfreien Projekt auszugehen.
Aus dem Text der Vereinbarung liess sich
nicht entnehmen, wie die Partei B das
Bauvorhaben anzugreifen gedachte, die
Stichworte hätten zu einer Begründung
eines Baurekurses nicht ausgereicht. Die
Partei B führte im Verfahren aus, dass die
Vereinbarung von ihrem damaligen Anwalt
verfasst wurde. Das Gericht schloss, dass
sie deswegen womöglich keine zusätzlichen
konkreten Informationen zur baurechtlichen
Nichtkonformität des Projektes
besass. Genaue Darlegungen der Beanstandungen
des Projektes wurden von
Familie B nicht angeführt, demnach konnte
sie nicht ernsthaft von einem Erfolg eines
Rechtsmittels ausgehen, sondern liess sich
die Fr. 80 000.– als Gegenleistung für das
Nichtergreifen eines rein schikanösen
Rekurses versprechen. Die Vereinbarung
wurde aus diesen Gründen für ungültig
erklärt. |
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* lic. iur., Rechtsanwalt, HEV Zürich |
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