|
|
|
|
|
|
Das Kapprecht
* Cornel Tanno |
|
|
|
|
|
Seit jeher werden auf Grundstücken
Bäume und Sträucher gepflanzt, sei es
zur Verschönerung, um sich Privatsphäre
oder Schatten zu sichern oder zur
Fruchtgewinnung. Dabei ist es unvermeidbar,
dass Äste oder das Wurzelwerk über
die Grundstücksgrenze ins benachbarte
Grundstück eindringen. Wie kann sich nun
ein Grundbesitzer gegen die störenden
Äste vom Nachbargrundstück zur Wehr
setzen?
Nach Art. 687 Abs. 1 ZGB kann der
Nachbar überragende Äste und Wurzeln,
wenn sie sein Eigentum schädigen und auf
seine Beschwerde hin nicht binnen angemessener
Frist beseitigt werden, kappen
und für sich behalten. Das Gesetz gewährt
dem gestörten Nachbarn ein Selbsthilferecht,
das so genannte Kapprecht.
Eine Kappung ist jedoch nur dann zulässig,
wenn bestimmte Voraussetzungen
erfüllt sind. Ist dies nicht der Fall, so kann
der Nachbar für eine Beschädigung der
Pflanze sowohl zivilrechtlich (Schadenersatz)
als auch strafrechtlich (Sachbeschädigung)
zur Rechenschaft gezogen werden.
Im Folgenden werden die Voraussetzungen
des Kapprechts im Einzelnen
dargestellt.
Das Kapprecht setzt zunächst eine
Schädigung durch die überragenden Äste
voraus. Ein solcher Schaden liegt dann vor,
wenn die Äste auf dem Nachbargrundstück
eine erhebliche Beeinträchtigung bewirken.
Einwirkungen durch Laubfall oder Fallobst
stellen in der Regel keine erhebliche Beeinträchtigung
im Sinne vorerwähnter gesetzlicher
Bestimmung dar. Auch ein Schattenwurf
durch überragende Äste oder die
Behinderung der Aussicht wird im Regelfall
keine übermässige Beeinträchtigung darstellen.
Eine massgebliche Beeinträchtigung ist
demgegenüber in einer erheblichen
Störung der Bewirtschaftung des Grundstückes
zu sehen, wie z.B. beim Pflügen,
Setzen oder Ernten. Eine derartige Beeinträchtigung
ist ebenso anzunehmen, wenn
der Nachbar in der Benützung von Parkplätzen,
Strassen und Wegen behindert
wird.
Liegt nun eine erhebliche Beeinträchtigung
im gerade umschriebenen Sinne vor,
muss sich der Nachbar vorerst beim Pflanzeneigentümer
beschweren. Er muss ihn
auffordern, die störenden Pflanzen zu
beseitigen. Er hat dem Pflanzeneigentümer
eine angemessene Frist anzusetzen, um
die Beeinträchtigungen zu beseitigen.
Dabei soll aber auf die natürliche Vegetationszeit
und eine allfällige Bewirtschaftung
der betroffenen Pflanze Rücksicht genommen
werden.
Unterlässt es der Pflanzeneigentümer,
die überragenden Äste innert der gesetzten
Frist zu beseitigen, so kann der Nachbar die
Kappung selbst vornehmen. Dabei dürfen
aber nur so viele Äste gekappt werden, als
zur Beseitigung der Beeinträchtigung notwendig
sind. Die Äste dürfen allerhöchstens
bis zur Grundstücksgrenze zurückgeschnitten
werden. Die Kappung ist auch
dann zulässig, wenn die störende Pflanze
dadurch Schaden erleidet oder sogar
abstirbt.
Die abgeschnittenen Äste darf der
Nachbar behalten. Er kann sie aber auch
auf das andere Grundstück hinüberwerfen.
Allfällige Kosten für die Kappung muss hingegen
der Nachbar selbst tragen. |
|
|
|
|
|
* lic. iur., Rechtsanwalt, HEV Zürich |
|
|
|
|
|