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Im Garten des Sammlers:
Hans Hensler, Landschaftsgärtnerei,
Schaffhausen
* Barbara Scalabrin-Laube |
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Was geschieht mit den Grabsteinen, wenn
ein Teil des Friedhofs abgeräumt wird? Diese Frage hat auch Hans Hensler – ein im Juli 2004 im Alter von fast fünfundneunzig Jahren verstorbener Gärtner – beschäftigt. Er hat sich die Grabmäler angeschaut, die Arbeit der Steinhauer bewundert, die Vielfalt der verwendeten Gesteine erkannt und hat besonders sorgfältig gestaltete Exemplare – nach Rücksprache mit den Familien der Verstorbenen – nach Hause gebracht. Dort hat er in seinem achthundert Quadratmeter grossen Garten nach einem geeigneten Platz gesucht und die Steine als Statuen in sein Gartenensemble integriert.
Wer aber war dieser Mann, der Grabsteine sammelte, seine Kunden in Schaffhausen auch noch im Alter von 80 Jahren auf dem Motorrad (BMW, Baujahr 1931) mit Seitenwagen aufsuchte, in seinem Garten seltene Gehölze pflanzte, die Natur liebte und nach einem Unfall im hohen Alter trotz eines amputierten Beins nicht aufgab und weiterhin Motorrad fuhr?
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 Der Turm |
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Sein Lebenslauf weist eigentlich nicht auf das spätere Original hin. Aufgewachsen ist er in Schaffhausen, wo er eine Lehre als Gärtner machte. Seine Lehr- und Wanderjahre führten ihn ins Welschland, nach Frankreich und für einen längeren Aufenthalt nach Algerien. Nach der Rückkehr in seine Heimatstadt gründete er eine Familie, übernahm das Elternhaus und baute sein eigenes Geschäft auf. Ein geradliniger Lebenslauf. Und doch, wer heute den Garten des Verstorbenen betritt, spürt den Geist eines besonderen Mannes, der eine Idee verfolgte. Am Jochbalken, der den Eingang bildet, empfängt einer seiner Leitsprüche seine Gäste: «Us Freud am schöne Alte wänd mir da do erhalte, machet’s spöter au eso, dänn wird’s nie verlore go.»
In seinem Garten findet man nicht nur Grabsteine und seltene Pflanzen, sondern auch verschiedenste Kulturgüter, Gebrauchsgegenstände und Kuriositäten, die er vor dem Vergessen rettete. Da steht der sorgfältig restaurierte Taufstein aus der Steigkirche Schaffhausen, der bei der Bombardierung der Stadt im Zweiten Weltkrieg stark beschädigt wurde. Während Jahren blieb er hinter einem Rhododendron im Pfarrgarten vergessen, bis er von Hans Hensler entdeckt wurde und mit der Erlaubnis des Pfarrers im Garten an der Askaniastrasse einen Platz fand. Im Sommer wurde er jeweils mit Blumenschmuck gefüllt: Kein Wunder, überlegte sich der Kirchenrat, ob er das restaurierte Taufbecken wieder zurückfordern sollte!
Ganz in der Nähe, geschützt mit einem kleinen Dach, steht ein Mosaik von Carl Roesch aus Diessenhofen, das Geschenk eines langjährigen Kunden. Wie sich später herausstellte, stammt es aus dem einst ummauerten römischen Schwimmbad des Schlosses Lilienberg in Ermatingen, TG.
Vis-à-vis steht eines meiner Lieblingsobjekte – die Büste des Verstorbenen in einem kleinen Bildstock. Ich mag das Gesicht des Gärtners, verschmitzt, liebevoll, aber auch selbstbewusst. Noch besser aber gefällt mir die Geschichte dahinter. Der Bildstock wurde nämlich zu Ehren von Walter Bringolf (Stadtpräsident in Schaffhausen von 1933 bis 1968) errichtet. Als Hans Hensler dann eine Büste von sich selber geschenkt bekam, stellte er diese in die Nische, der Stadtpräsident aber bekam einen Platz im Hensler- Museum! |
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Zwischen diesen Objekten blieb Platz für Pflanzen. So steht z.B. eine schön gewachsene Auraucaria araucana (Affenschmerzbaum), ein Nadelbaum aus Chile, der nur bedingt winterhart ist, mitten zwischen kleineren Stauden und Gehölzen. Selbstverständlich fehlt auch der Poncirus trifolita (Japanische Bitterorange) mit dem stachligen grünen Holz und den pelzigen Orangen nicht. Aufregend sind zudem die bis einen Meter langen Blüten der Wisteria floribunda, der japanischen Glyzinie. Dass Hans Hensler aber auch Freude an kleinen Gewächsen hatte, zeigen die versteckten Cyclamen hederifolium und die vielen Zwiebeln im Frühling. |
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 Cypripedium |
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Die weissgrün panaschierte Brunnera macrophylla «Hadspen Green» (Kaukasusvergissmeinnicht) hingegen macht deutlich, dass er sich bis ins hohe Alter immer wieder Neuheiten in seinen Garten holte, denn diese Pflanze ist erst in den letzten Jahren in der Schweiz auf den Markt gekommen.
Wer den Garten in Schaffhausen zum ersten Mal besucht, kommt kaum dazu, die Vielfalt der Flora zu beachten, geht vielleicht an den verschiedenen Farnen vorbei und staunt über die gesammelten Objekte, wie den längsten Trottoirstein von Schaffhausen (502 cm lang), das Kelterbecken aus Feuerthalen, die Wasserpumpe aus dem Elsass, das aus verschiedenen Fundstücken zusammengebaute Glücksrad, das Bündner Korbgitter, den Giesskübel aus der Firma GF, die gotische Säule aus einer Schaffhauser Villa und vieles mehr, ein – wie der Denkmalpfleger Hans Peter Mathis sagt – botanisch und kulturgeschichtliches Kuriosum, ein Kleinod ganz eigener Prägung.
Ein besonderer Blickpunkt im Garten ist der fast zehn Meter hohe Turm, den der Verstorbene selber gebaut hat, einerseits, um sich einen lang gehegten Wunsch zu erfüllen, anderseits aber auch, um einen Platz für seine Sammlung von Glocken in allen Grössen zu haben. Als Bausteine verwendete er verschiedene Grabsteine, viele davon mit Sujets aus der Natur. Der Gast kann heute unter dem Turm hindurchgehen oder ihn auch besteigen. Dabei wird er die Glocken, die im oberen Teil aufgehängt sind, läuten und die Nachbarn werden einmal mehr merken, dass Gäste im Garten sind. Wenn sie dann noch erschreckte Schreie hören, wissen sie, dass die Gäste mit der versteckten Dusche im Turm «getauft» worden sind, ein Spass, über den sich nicht nur Kinder freuen. |
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Mit diesem Turm, der auf der einen Seite an ein Rebhäuschen erinnert, auf der anderen an eine Kapelle, hat sich der Exzentriker wahrlich ein Denkmal gesetzt. Ein weiteres findet man im oberen Teil des Gartens: Ein Museum in einem unscheinbaren Schopf, ein ganz besonderes Kuriositätenkabinett. Hier steht die verbannte Büste des Stadtpräsidenten neben altem Gartenwerkzeug, der ersten Thermosflasche, einem Kanonenofen, einer Kohlenwaage, einem der ersten Motorrasenmäher, einer alten Packung Persil, einer Nähmaschine, einem Amboss mit den wichtigsten Schmiedewerkzeugen, verschiedenen Tannzapfen, Baumscheiben und vielem mehr. Alles ist in gutem Zustand und funktionstüchtig, denn der Sammler interessierte sich nur für funktionierende Objekte. 1986 hat er eine 192-seitige «Chronik über die Kostbarkeiten in der Liegenschaft von Hans Hensler, Gärtner» verfasst, in der alle Gegenstände und ihre Herkunft ausführlich beschrieben sind. |
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Eine der Glocken |
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1988, 1992 und 1999 folgten Nachträge. Leider sind diese Schriften vergriffen, aber in der Stadtbibliothek von Schaffhausen und im Stadtarchiv sind sie vorhanden.
Was geschieht nun mit dem Garten? Im Februar dieses Jahres wurde die «Stiftung botanisch-historischer Garten Hans Hensler» gegründet. Sie hat das Ziel, den Garten und das Museum in den kommenden zehn Jahren zu erhalten. Das Haus hingegen wurde von zwei Enkeln übernommen und renoviert. Es ist vermietet. Die Stiftungsräte und die Schreibende als Stiftungsrätin bieten Führungen für interessierte Gruppen an und öffnen das Gartentor ein- bis zweimal pro Jahr für die Öffentlichkeit. Zur Feier des «Jahres des Gartens 2006» geht der Garten Hensler «fremd». Wir bieten nämlich vom 11. bis 15. Juli 2006 eine fünftägige Reise zu Häusern und Gärten von Menschen mit Visionen in der Umgebung von Manchester, England, an. Nähere Auskünfte erteilt die Autorin (Telefon: 052 317 23 23, b.cp.scalabrin@bluewin.ch). |
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* Cottage Garten, 8453 Alten |
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