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HEV 1/2006 Inhaltsverzeichnis
Erdbeben

     
  Was der Hauseigentümer wissen sollte
* Dr. Jost A. Studer
 
     
  Mehrmals erlebten wir in letzter Zeit über die Medien die Auswirkung von Erdbeben in anderen Ländern. Wir stellen uns natürlich die Frage: Sind solche Ereignisse in der Schweiz überhaupt möglich, und mit welchen Auswirkungen muss ich dabei rechnen?  
     
  Erdbebengefährdung in der Schweiz
Die Schweiz weist im Vergleich mit andern Ländern eine mittelstarke seismische Gefährdung auf. Sie ist zum Beispiel grösser als diejenige in Deutschland oder Skandinavien, aber kleiner als in der Türkei oder in Griechenland. Trotzdem sind auch bei uns starke Erdbeben möglich, jedoch seltener als in Gebieten mit einer grossen Gefährdung. Das grösste dokumentierte historische Ereignis nördlich der Alpen ist das «Basler Beben» von 1356. Dieses Erdbeben wurde praktisch in der ganzen Schweiz verspürt und richtete weitgehend grosse Schäden an. Die Schweizer Rückversicherung schätzte 1988 die Schadensumme, die ein Erdbeben der Grösse des Baslers Bebens in der heutigen Zeit gesamtschweizerisch verursachen würde. Sie ermittelte dabei einen Gebäudeschaden von 35 Mia. und eine Gesamtschadensumme von 80 Mia. Ein Betrag, der ca. 27% des schweizerischen Bundeshaushaltes von 1988 ausmachen würde. Das Basler Erdbeben war ähnlich stark wie dasjenige von Kobe (Japan) im Jahre 1995, welches gegen 5800 Tote forderte.
Die seismisch aktiveren Gebiete der Schweiz sind bekannt. Es sind dies der Kanton Wallis, der Grossraum Basel, das Engadin und das St.Galler Rheintal. Weitere Informationen zur Erdbebengefährdung der Schweiz finden sich auf der Homepage des Schweizerischen Erdbebendienstes (SED)**, welcher zu den weltweit führenden Erdbebeninstituten gehört. Die tatsächliche Stärke der Erdbebenerschütterungen an einem bestimmten Standort hängt einerseits von der Stärke des Ereignisses sowie der Distanz vom Erdbebenherd zum Standort, andererseits aber auch von den lokalen Untergrundverhältnissen ab. Das heisst, die Erschütterungen infolge eines bestimmten Erdbebenereignisses können kleinräumig sehr stark variieren.
 
     
  Für Schäden ist die Verletzlichkeit der Bauten massgebend
Neben der Stärke der Erdbebenerschütterungen am Standort ist die so genannte «Verletzlichkeit» der Bauten (Schadenempfindlichkeit auf Erdbebeneinwirkungen) für potenzielle Schäden am Bau massgebend. Traditionsgemäss sind Bauten aufgrund der ingenieurmässigen statischen Berechnungen weitgehend lediglich auf vertikale Lasten, mit Ausnahme der horizontal wirkenden Windkräfte, ausgelegt. Bei Erdbeben treten aber auch grosse horizontale Bewegungen auf, die früher in den statischen Berechnungen nicht berücksichtigt worden sind, da die Erdbebengefährdung in den Baunormen nicht enthalten war.
Für die Erlassung von Baunormen ist in der Schweiz der Schweizerische Ingenieur- und Architektenverein (SIA)** verantwortlich. Die Erfassung der Erdbebeneinwirkungen nach heutigen modernen Gesichtspunkten wurde dabei erst seit der SIA-Norm 160 von 1989 eingeführt. Das heisst, dass vor 1989 erstellte Bauten nicht nach modernen Gesichtspunkten bemessen worden sind und deshalb deren Erdbebensicherheit unbekannt und zum Teil ungenügend ist.
Selbst das Einhalten der heutigen Normen des SIA ist mit Ausnahme der Kantone Basel- Stadt, Freiburg, Nidwalden und Wallis jedoch nicht gesetzlich vorgeschrieben. In einem Schadenfall wird sich aber der Richter die Einhaltung der SIA-Normen als Massstab zur Beurteilung der Berücksichtigung des Standes der Technik («Regeln der Baukunde») einbeziehen. Es ist deshalb wichtig, dass Bauherren bei der Beauftragung von Bauarbeiten das Einhalten der SIA-Normen vertraglich verlangen. Seit 1. Januar 2003 sind zudem neue Normen des SIA in Kraft, welche die alten ersetzen.
 
     
  Massnahmen bei Neubauten
Erdbebengerechte Bauweise führt bei Neubauten erfahrungsgemäss zu vernachlässigbaren Mehrkosten. Wenn Architekt und Ingenieur von Anfang an eng zusammenarbeiten und der Ingenieur moderne Verfahren (Kapazitätsbemessung und verformungsorientiertes Verfahren) verwendet, betragen die Mehrkosten im Allgemeinen lediglich 0 bis 1 Prozent der Baukosten. Eine gute Übersicht mit einer entsprechenden Checkliste gibt das Merkblatt «Erdbebensicheres Bauen in der Schweiz»**.
 
     
  Massnahmen bei bestehenden Bauten
Eine direkte gesetzliche Grundlage mit der Pflicht, bestehende Bauten auf die neusten technischen Erkenntnisse zu ertüchtigen, besteht zurzeit nicht. Allerdings ist der Hausbesitzer verantwortlich, dass Dritte durch sein Bauwerk nicht geschädigt werden. Das heisst, dass der Hauseigentümer eine bestimmte Verantwortung hat, die bestehenden Bauten in einem bautüchtigen Zustand zu erhalten. Es ist heute unbestritten, dass mindestens bei Umbauten (mit Eingriffen in die Tragstruktur) die Erdbebensicherheit nach neusten Erkenntnissen überprüft werden muss.
Die Ertüchtigung bestehender Bauten kann aufwendig und kostspielig, unter Umständen auch nicht möglich sein. Deshalb ist ein pragmatisches Vorgehen sinnvoll:
 
 
Nach 1989 erstellte Bauten sollten gemäss den SIA-Normen auf Erdbeben dimensioniert worden sein. Es genügt deshalb, beim Architekt/Ingenieur nachzufragen, ob die SIA 160 (1989) angewandt wurde.
Für Bauten, deren Erdbebensicherheit nicht bekannt ist, gibt das SIA-Merkblatt 2018** ein pragmatisches Vorgehen. Es enthält einen Minimalstandard zur Beurteilung, ob ein bestehendes Gebäude unverändert akzeptiert werden kann oder ob und in welchem Umfang bauliche Massnahmen zur Erfüllung der Erdbebensicherheit notwendig sind.
 
  In der Praxis hat es sich bewährt, vor den rechnerischen Nachweisen eine erfahrungsbasierte Beurteilung des Tragverhaltens als Triage vorzuschalten, um so sich auf wirklich notwendige Problembauten zu beschränken. Allerdings erfordert diese Beurteilung grosse Erfahrung bezüglich möglichen Schäden unter Erdbebenlasten. Ein Hilfsmittel ist die Richtlinie, welche vom Bundesamt für Wasser und Geologie erarbeitet worden ist und zur Überprüfung der bundeseigenen Bauten verwendet wird**.  
     
  ** Weitere Informationen:  
  www.seismo.ethz.ch; Schweizerischer Erdbebendienst (SED),
ETH-Hönggerberg, Zürich
 
  Norm SIA 160 (1989) / Norm SIA 261 (seit 1. Januar 2003): «Einwirkungen auf
Tragwerke»; Schweizerischer Ingenieur- und Architektenverein, Zürich
 
  Erdbebensicheres Bauen in der Schweiz (Oktober 2005); Stiftung für Baudynamik und Erdbebeningenieurwesen (www.baudyn.ch) in Zusammenarbeit mit Bundesamt für Wasser und Geologie, BWG  
  Beurteilung der Tragsicherheit bestehender Bauwerke auf Erdbeben (Merkblatt 2018); Schweizer Ingenieur- und Architektenverein, Verlag SIA, 2004  
  Beurteilung der Erdbebensicherheit bestehender Gebäude, Konzept und Richtlinien (2003–2005); Bundesamt für Wasser und Geologie, BWG, Koordinationsstelle für Erdbebenvorsorge  
     
  * dipl. Ing. ETH/SIA, Studer Engineering, Zürich  
     
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