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Akontozahlungen
* Tiziano Winiger |
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Akontozahlungen sind vorläufige Zahlungen, die an die jährlich
ermittelten tatsächlichen Kosten angerechnet werden. Den Vermieter
trifft keine gesetzliche Pflicht, die Akontozahlungen im Verhältnis zu den
tatsächlich anfallenden Kosten anzusetzen. Das Bundesgericht hat das
so einstimmig entschieden und hat einer langjährigen Kontroverse** ein
Ende gesetzt (Urteil der I. Zivilabteilung 4C.177/2005 vom 31.08.2005). |
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Ein Ehepaar mietete eine 5-Zimmer-Wohnung
auf den 1. Oktober 1997 und verpflichtete
sich vertraglich, nebst der Leistung des
Mietzinses zur separaten Bezahlung von
Akontozahlungen von Fr. 150.– für die
Nebenkosten (Heizung, Warmwasser, Treppenhausreinigung,
Antennen- und Kabelgebühren,
Hauswartung, Liftservice, Wasser,
Abwasser, allgemeiner Strom sowie Grundgebühr
Kehricht). Die effektiven und abgerechneten
Nebenkosten beliefen sich jeweils auf
mehr als das Doppelte (rund 210%–260%)
der geleisteten Akontozahlungen. Die Mieterschaft
stellte sich auf den Standpunkt, dass
nur eine Nachzahlung von 20% der geleisteten
Akontozahlungen zulässig sei. Das Bundesgericht
hält in seinem Entscheid fest,
Nebenkosten könnten nach Art. 257a Abs. 2
OR dem Mieter nur dann gesondert belastet
werden und seien nicht im Nettomietzins
inbegriffen, wenn dies die Parteien ausdrücklich
so vereinbart hätten. |
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Vertragsfreiheit
Die ausdrücklich bezeichneten Nebenkosten
können mit einer Pauschale abgegolten
werden, welche auf die Durchschnittswerte
dreier Jahre abstellen (Art. 4 Abs. 1 VMWG),
oder aufgrund einer Abrechnung, welche jährlich
mindestens einmal erstellt und dem Mieter
vorgelegt werde (Art. 4 Abs. 1 VMWG). Nach Auffassung des Bundesgerichtes regelt das
Mietrecht das Verhältnis zwischen tatsächlich
anfallenden Kosten und Akontozahlung nicht
und lässt somit den Vertragsparteien freie
Hand, die Höhe der Akontozahlungen zu vereinbaren.
Damit gilt in dieser Hinsicht die Vertragsfreiheit
im Rahmen der allgemeinen
Regeln des Obligationenrechts.
Das Bundesgericht hat den wirklichen Parteiwillen
in Bezug auf die Akontozahlungsvereinbarung
nicht ermitteln können (Art. 18
Abs. 1 OR) und legt die Vereinbarung so aus,
wie diese nach ihrem Wortlaut und Zusammenhang
sowie den gesamten Umständen,
die ihr vorausgegangen und unter der sie
abgegeben worden ist, verstanden werden
durfte und musste. So betrachtet das Bundesgericht
die Akontozahlungen bloss als vorläufige
Zahlungen, die gemäss korrekt zu erfolgender
Abrechnung an die jährlich aufgelaufenen
und vom Mieter vertragsgemäss geschuldeten Nebenkosten anzurechnen sind.
Weiter führt das Bundesgericht aus, Abreden
über Akontozahlungen dienten vornehmlich
dazu, hohe Zahlungen des Mieters zu verhindern
und dadurch das Inkassorisiko des Vermieters
zu verringern. Diese würden der Instabilität
der Kosten von Drittleistungen und dem
unterschiedlichen Verbraucherverhalten sowohl
der Mieter untereinander als auch des
Mieters im Verlaufe der Zeit Rechnung tragen. |
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Gesetz regelt Höhe nicht
Für das Bundesgericht hat der Vermieter
bei der Festsetzung des Akontobetrages für
die Zukunft keinen Überblick über die Risikofaktoren,
was auch der Mieter ohne Weiteres
erkennen könne. Ohne besondere Zusicherung
seitens des Vermieters sei der Mieter
nicht berechtigt zu erwarten, dass die bei Abschluss
des Mietvertrages vereinbarten Akontozahlungen
zur Tilgung der aus den Nebenkosten
sich ergebende Schuld ausreichen.
Wenn für den Mieter eine Beschränkung der
Nebenkosten auf einen bestimmten Betrag
notwendige Bedingung für den Abschluss des
Mietvertrages sei, dann könne dem Mieter
auch zugemutet werden, diesbezüglich nachzufragen.
Den Vermieter treffe keine generelle
vorvertragliche oder vertragliche Aufklärungspflicht,
sondern es gelte Vertragsfreiheit.
Der Einwand der Mieterschaft, wonach sie
die Wohnung nicht erhalten hätte, wenn sie
sich ihrerseits nach den effektiven Kosten
erkundigt hätte, lässt das Bundesgericht nicht
zu. Offensichtlich hatte die Mieterschaft an
der Höhe der Nebenkosten Zweifel, und das
jahrelange anstandlose Bezahlen der Miete
hat das höchste Gericht als Genehmigung des
Mietvertrages gewürdigt und die Infragestellung
der Akontozahlungsvereinbarung als
treuwidrig quittiert.
Weiter hat das Bundesgericht entschieden,
dass die Akontozahlungsvereinbarung keine
werkvertragsähnliche Zusicherung eines ungefähren
Kostenansatzes nach Art. 375
Abs. 1 OR sein kann, und auch die Rechtsfolgen
der werkvertraglichen Überschreitung des
«ungefähren Kostenansatzes» können nicht
analog anwendbar sein. Die zu tief angesetzte
Akontozahlungsvereinbarung sei zudem auch
keine unlautere Irreführung über den Preis der
Wohnung nach Art. 3 UWG, weil die Abmachung
eines monatlichen Akontobetrages
keine Angabe eines Preises nach Art. 3 UWG
sein könne.
Dieser Entscheid ist zu begrüssen, weil
das Bundesgericht erkannt hat, dass die
durch den Mieter angestrebte Verwirkung
des Restanspruches für den Vermieter bedeuten
würde, dass er die restlichen Nebenkosten
nicht nur vorfinanzieren, sondern
auch selber tragen müsste. Das allerdings
kann nicht Sinn einer Nebenkostenregelung
sein. |
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** Abweichung zur Basler Praxis
[Urteile des Zivilgerichtes Basel-Stadt
vom 11. April 2003 (MP 03/03/S. 111)
und des Zivilgerichtes Basel-Land
vom 27. Juli 2004 (MP 04/04/S. 194)]
und Anlehnung an die Zürcher Praxis
[Urteil vom 4. September 2003 des
Bezirksgerichtes Uster (Geschäfts-Nr.
MD020011/U01/nf/tk)]. |
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