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Das Verfahren
vor Schlichtungsbehörde
* Alessandra Perrella |
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Die Verfahrenseinleitung
Wird zwischen den Parteien in mietrechtlichen
Streitsachen keine einvernehmliche
Lösung gefunden, können sich diese
an die Justizbehörden wenden. Das Verfahren
wird durch ein Begehren, welches meist
schriftlich erfolgt, eingeleitet. Gewisse
Schlichtungsbehörden stellen dafür entsprechende
Formulare zur Verfügung. Das
Rechtsbegehren ist einfach zu formulieren
und daraus soll ersichtlich werden, welche
Leistungen verlangt werden oder welcher
Sachverhalt oder welches Rechtsverhältnis
festgestellt werden muss. Da gemäss Art.
274d Abs. 1 OR im Schlichtungsverfahren
der Grundsatz der Einfachheit gilt, dürfen
den inhaltlichen Anforderungen an ein
Rechtsbegehren keine allzu hohen Anforderungen
gestellt werden. Aus Bundesrecht
ergibt sich keine Begründungspflicht des
Rechtsbegehrens, eine kurze Begründung
ist jedoch empfehlenswert, muss doch
der Gesuchsteller dies spätestens anlässlich
der Schlichtungsverhandlung mündlich
tun. Allfällige Unterlagen, wie zum Beispiel
der Mietvertrag, Kündigung etc., sollten
wenn möglich der Klage beigelegt werden.
Anlässlich der Schlichtungsverhandlung
kann das Rechtsbegehren auch noch präzisiert,
ergänzt oder reduziert werden. |
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Die Vorladung
Die Vorladung durch die Schlichtungsbehörde
erfolgt schriftlich und nennt den
Adressaten, die Eigenschaft, in welcher er
vorgeladen wird, die Prozesssache, Ort und
Zeit des Erscheinens. Die Prozessordnungen
der Kantone sehen vor, dass zwischen der
Zustellung der Vorladung und der Verhandlung
eine Minimalfrist eingehalten werden
muss. Im Kanton Zürich beträgt diese
gemäss § 175 GVG fünf Tage. Hat die Partei
einen Vertreter, wird die Vorladung diesem
zugestellt. Wird eine Partei anwaltlich
vertreten, besteht die Gepflogenheit, dass
der Termin vorher abgesprochen wird.
Muss die Partei persönlich erscheinen,
erhält auch diese eine Vorladung (§ 176
GVG). Kann eine Vorladung nicht zugestellt
werden, muss gemäss § 179 GVG eine
Zustellung wiederholt werden. Die Zustellung
gilt als erfolgt, wenn die Sendung in
den Machtbereich des Adressaten gelangt.
Wird die im Postfach liegende Sendung
nicht abgeholt, so gilt sie am letzten Tag
der Abholfrist als zugestellt. Ist hingegen
der Wohnsitz des Adressaten nicht
bekannt, erfolgt eine Zustellung durch
Publikation in einem Amtsblatt. Eine
gehörige Vorladung bildet die Grundlage
für einen Prozess. |
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Die Verhandlung
Erscheint ein Kläger trotz gehöriger Vorladung
nicht, wird Klagerückzug angenommen.
Das Nichterscheinen kann im Schlichtungsverfahren
jedoch nicht zu einem
Rechtsverlust führen. Dies bedeutet, dass
der Kläger in einem späteren Zeitpunkt
erneut ein Verfahren mit demselben
Rechtsbegehren einleiten kann. Unentschuldigtes
Säumnis des Klägers bleibt
jedoch nicht folgenlos; im Sinne von Art.
274d Abs. 2 OR stellt dies mutwillige Prozessführung dar und kann nach kantonalem
Recht Ordnungsbusse und von Bundesrechts
wegen Kosten- und Entschädigungspflicht
zur Folge haben, obwohl das
Schlichtungsverfahren grundsätzlich kostenlos
ist. Kann also ein Kläger der Vorladung
nicht Folge leisten, ist ein Verschiebungsgesuch
zu stellen, welches von der
Schlichtungsbehörde unter den gegebenen
Voraussetzungen bewilligt wird. Hat ein
Kläger kein Interesse mehr an der Schlichtungsverhandlung,
weil beispielsweise ein
aussergerichtlicher Vergleich abgeschlossen
wurde, so ist dies der Schlichtungsbehörde
mitzuteilen, damit eine Ladungsabnahme
erfolgen und das Verfahren entsprechend
beendet werden kann. Auch der Beklagte
sollte bei Verhinderung ein Verschiebungsgesuch
stellen, da ansonsten die Schlichtungsbehörde
bei Entscheidkompetenz auf
Grund der Aktenlage entscheidet. Bei fehlender
Entscheidkompetenz kann der Kläger
verlangen, dass die Verhandlung als
durchgeführt gilt, und die Schlichtungsbehörde
stellt in der Folge die Nichteinigung
fest.
Von Bundesrechts wegen ist ein einfaches
und rasches Verfahren vorgesehen
(Art. 274d Abs. 1 OR). Die Kantone sind
grundsätzlich frei zu bestimmen, wie sie
dieses Vereinfachungs und Beschleunigungsgebot
sicherstellen wollen. Im Kanton
Zürich beispielsweise werden die Verhandlungen
mündlich durchgeführt und
während der Gerichtsferien stehen die Fristen
nicht still. Der Kläger erhält somit die
Möglichkeit, seine Klage mündlich zu
begründen. Da der Untersuchungsgrundsatz
gilt, wird der Vorsitzende ergänzende
Fragen stellen, falls noch Punkte offen bleiben
sollten. Der Untersuchungsgrundsatz
dient dazu, der rechtsunkundigen oder
unbeholfenen Partei zu helfen. Der Beklagte
erhält sodann die Möglichkeit, in der Klageantwort
ebenfalls Stellung zu nehmen,
dies kann auch durch Befragung durch den
Vorsitzenden erfolgen. Das Ganze wird
dann in der Replik und Duplik wiederholt,
wobei die Ausführungen der Gegenpartei
bestritten werden können. Um keine Ausführungen
zu vergessen, ist es empfehlenswert,
sich mit Notizen vorzubereiten. Werden
die Notizen vorgelesen, empfiehlt es
sich, mehrere Exemplare mitzunehmen,
welche der Schlichtungsbehörde überreicht
werden können. Nachdem die Schlichtungsbehörde
– welche paritätisch zusammengesetzt
ist – in einer kurzen Unterbrechung
sich berät, wird der Vorsitzende
einen Vergleichsvorschlag unterbreiten, der
die vorläufig einschätzbare Rechtslage
berücksichtigt. Ist eine Klage aussichtslos,
wird der Vorsitzende unter Umständen
auch einen Klagerückzug vorschlagen. Ein
Klagerückzug ist nur dann endgültig, wenn
er vorbehaltlos erfolgt. Bringt man einen
Vorbehalt an, dass der Klagerückzug nur
vorläufig sein soll, verwirkt der Anspruch
des Klägers nicht. Im gegenteiligen Fall,
nämlich wenn eine Klage gutgeheissen
werden müsste, kann er dem Beklagten
vorschlagen, die Klage anzuerkennen.
Kommt eine Einigung zustande, wird dies in
einem Vergleich festgehalten. Es kann vorkommen,
dass sich die Parteien nicht in der
Lage fühlen, einen Vergleich sofort ohne
Bedenkfrist zu unterschreiben. In einem solchen
Fall kann im Vergleich ein Widerrufsvorbehalt
festgehalten werden. Eine oder
beide Parteien erhalten damit die Möglichkeit,
innert einer bestimmten Bedenkfrist,
den Vergleich zu widerrufen. |
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Der Entscheid
Die Schlichtungsbehörde hat in zwei Fällen
Entscheidkompetenz, und zwar bei der Hinterlegung von Mietzinsen im Sinne von
Art. 259g OR sowie bei der Anfechtung
einer Kündigung und der Erstreckung eines
Mietverhältnisses. Die Schlichtungsbehörde
ist eigentlich kein Gericht, weshalb ihr Entscheid
im herkömmlichen Sinn nicht ein
Urteil ist. Man könnte den Entscheid der
Schlichtungsbehörde als «Urteilsvorschlag»
bezeichnen. Bei der Entscheidfindung stützt
sich die Schlichtungsbehörde auf die Vorbringen
der Parteien. Es ist daher von Vorteil,
anlässlich der Verhandlung schon
Beweismittel (Fotos, Briefverkehr etc.) einzureichen,
auf die sich die Schlichtungsbehörde
stützen kann. Unter Umständen
kann auch ein Augenschein durchgeführt
werden. Die Schlichtungsbehörde würdigt
die Beweismittel frei. Hat die Schlichtungsbehörde
keine Entscheidkompetenz und
kann kein Vergleich abgeschlossen werden,
so wird die Nichteinigung in einem
Beschluss festgehalten. |
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Der Weiterzug
Hat die Schlichtungsbehörde einen
Sachentscheid gefällt, so kann die Partei,
welche unterlegen ist, innert 30 Tagen das
Mietgericht anrufen (Art. 274f OR). Dabei
beginnt diese Frist mit Zustellung des Entscheides.
Wird das Gericht nicht innert 30
Tagen angerufen, so wird der Entscheid
rechtskräftig. Dies bedeutet, dass die unterlegene
Partei das Recht verwirkt hat, noch
einmal den Rechtsstreit beurteilen zu lassen.
Wird durch die Schlichtungsbehörde
eine Nichteinigung festgestellt, so beginnt
die 30-tägige Frist nicht erst mit Zustellung
des Beschlusses, sondern mit dem Tag der
Schlichtungsverhandlung. Im Gegensatz zu
den Sachentscheiden verwirkt die Partei
ihren Anspruch nicht, falls sie die Frist
unbenutzt ablaufen lässt, sondern kann
innerhalb der Verjährungsfrist erneut die
Forderung einklagen. Das materielle Recht
sieht aber unter Umständen gewisse Verwirkungsfolgen
vor, sodass man von einem
teilweisen Rechtsverlust sprechen kann.
Wird von einer Partei beispielsweise eine
Mietzinsänderung gefordert und wird
diese nicht weiterverfolgt, so verwirkt die
Partei das Recht, die Änderung auf den
gewünschten Termin durchzusetzen, und
kann es nur wieder auf einen späteren Zeitpunkt
verlangen. |
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* lic. iur., HEV Zürich |
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