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Formvorschriften werden durch das Gesetz vorgesehen, um die Parteien
vor einem übereilten Vertragsabschluss zu schützen. Da Art. 11 Abs. 2 OR
vorsieht, dass bei einer gesetzlich vorgeschriebenen Formvorschrift die
Vermutung gilt, dass die Gültigkeit eines Vertrages von deren Beachtung
abhängt, ist es von Bedeutung zu wissen, für welche Verträge welche
Formvorschriften gelten. Da die gesetzlichen Formvorschriften nicht nur für
Verträge, sondern für sämtliche Rechtsgeschäfte gelten, erlangen sie im
Rechtsverkehr eine besondere Bedeutung. Im Folgenden werden anhand
von Beispielen die verschiedenen gesetzlichen Formvorschriften erläutert. |
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Die Regel von Art. 11 OR:
Das Obligationenrecht sieht grundsätzlich
die Formfreiheit vor. Dies bedeutet, dass Verträge
nur dann einer bestimmten Form
bedürfen, wenn das Gesetz eine solche vorschreibt
(Art. 11 Abs. 1 OR). Art. 11 Abs. 2
OR stellt zudem die gesetzliche Vermutung
auf, dass es sich bei der vorgeschriebenen
Formvorschrift um eine Gültigkeitsvoraussetzung
handelt. Wird also die Formvorschrift
nicht eingehalten, ist der Vertrag nichtig und
entfaltet keine Rechtswirkungen.
Beispiel: Der Kaufvertrag über ein Grundstück
muss gemäss Art. 216 Abs. 1 OR
öffentlich beurkundet werden. Da es sich um
eine Gültigkeitsvorschrift handelt, ist der Vertrag
grundsätzlich nicht zustande gekommen,
wenn die öffentliche Beurkundung fehlt. |
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Die von den Parteien vorbehaltene
Formvorschrift (Art. 16 OR):
Auch wenn das Gesetz keine besondere
Formvorschrift für einen Vertrag vorsieht, so
können die Parteien trotzdem vereinbaren,
dass eine solche einzuhalten sei. Auch Art. 16
Abs. 1 OR stellt die Vermutung auf, dass
die Formvorschrift nicht nur zu Beweiszwecken,
sondern als Gültigkeitsvoraussetzung vereinbart wurde. Jedoch können vertraglich
vorbehaltene Formvorschriften wieder
aufgehoben oder abgeändert werden.
Dies ist auch stillschweigend möglich, zum
Beispiel wenn die Parteien sich über die Formvorschrift
hinwegsetzen oder den Vertrag
vorbehaltlos erfüllen.
Beispiel: Ein Mietvertrag kann formlos und
somit mündlich zustande kommen. Der Mietvertrag
vom Hauseigentümerverband Zürich
sieht jedoch vor, dass «der Vertrag erst Gültigkeit
hat, wenn beide Vertragsparteien
unterzeichnet haben». Es wurde also eine
Formvorschrift vertraglich vereinbart und der
Vertrag kommt wie bei einer gesetzlichen
Formvorschrift nicht zustande, wenn die
Schriftlichkeit nicht eingehalten wird. Beachten
die Parteien diese vertragliche Formvorschrift
nicht, indem sie den Vertrag nicht
unterschreiben, der Vermieter aber dem Mieter
das Mietobjekt übergibt und der Mieter
die Mietzinse bezahlt, so ist der Vertrag wegen
vorbehaltloser Erfüllung trotzdem zustande
gekommen. |
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Die verschiedenen Formvorschriften:
Es können drei Hauptarten von Formvorschriften
unterschieden werden: die einfache Schriftlichkeit, die qualifizierte Schriftlichkeit
und die öffentliche Beurkundung:
Die einfache Schriftlichkeit ist die
schwächste der Formvorschriften. Sie bedeutet,
dass der Vertragsinhalt in einer Urkunde
festgehalten werden muss und die Parteien
diese unterschreiben müssen. Art. 13 Abs. 1
OR setzt dabei fest, dass nur die zu verpflichtende
Partei unterschreiben muss. Anstelle
der Partei kann auch ein Vertreter den Vertrag
unterschreiben. Mit der Unterschrift ist der
Namenszug gemeint, blosse Initialen genügen
nicht. Verlangt wird grundsätzlich die
eigenhändige Unterschrift. Eine Ausnahme
wird jedoch gemacht, dort wo die mechanisch
reproduzierte Unterschrift im Verkehr
üblich ist (Art. 14 Abs. 1 OR).
Beispiel: Gemäss Art. 243 Abs. 1 OR muss
ein Schenkungsversprechen schriftlich abgeschlossen
werden. Da sich ja nur der Schenker
verpflichtet, ist nur seine Unterschrift notwendig.
Bei der qualifizierten Schriftlichkeit handelt
es sich um eine besondere Form der Schriftlichkeit.
Neben den Voraussetzungen der einfachen
Schriftlichkeit müssen noch weitere
Angaben in der Urkunde zwingend enthalten
sein oder ein besonders genehmigtes Formular
benutzt werden.
Beispiel: Bei der Bürgschaft gemäss Art.
493 Abs. 1 OR muss in der schriftlichen
Erklärung der zahlenmässige Höchstbetrag der Haftung des Bürgen enthalten sein. Ohne
diese Angabe ist der Bürgschaftsvertrag nicht
gültig zustande gekommen. Ein Beispiel für
ein speziell genehmigtes Formular ist dasjenige,
welches der Vermieter bei der Kündigung
eines Wohn- oder Geschäftsraumes benötigt
(Art. 266l OR). Kündigt der Vermieter ohne
amtliches Formular, ist die Kündigung nichtig
und entfaltet keine Rechtswirkungen. Das
Bundesgericht hat in diesem Zusammenhang
denn auch entschieden, dass das Versenden
einer Kopie eines unterschriebenen Formulars
nicht ausreicht, da es an der Eigenhändigkeit
der Unterschrift fehlt. Die öffentliche Beurkundung
stellt die strengste gesetzliche Formvorschrift
dar. Eine vom Staat mit dieser Aufgabe
betrauten Person (Urkundsperson,
Notar) hält das Rechtsgeschäft in einer vom
Staat geforderten Form fest. Wie die öffentliche
Beurkundung und dessen Verfahren im
Einzelnen ausgestaltet werden, regelt das
kantonale Recht. Das Bundesrecht schreibt
hingegen Mindestanforderungen vor, wie
beispielsweise dass die Urkundsperson die
Äusserungen der Parteien wahrheitsgetreu
und vollständig festhalten muss.
Beispiel: Der Kaufvertrag über ein Grundstück
muss gemäss Art. 216 Abs. 1 OR
öffentlich beurkundet werden. Dasselbe gilt
für einen Vorvertrag, der ein Kaufvertrag
über ein Gründstück zum Inhalt hat (Art. 22
Abs. 2 OR). |
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