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Wann ist eine Kündigung anfechtbar,
nichtig oder unwirksam?
* Tiziano Winiger |
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Die Kündigung ist ein einseitiges Rechtsgeschäft, durch
welches ein rechtsänderndes Gestaltungsrecht ausgeübt wird. Wird
eine Kündigungserklärung abgegeben, so bewirkt diese die
Beendigung des Mietvertrages. Die Kündigung kann nicht vom Kündigenden
zurückgenommen werden. Die Wirkung der Kündigung
kann aber durch richterliches Urteil aufgehoben werden. Wird ein
Mietverhältnis über den Kündigungszeitpunkt hinaus stillschweigend
fortgeführt, so haben die Parteien einen neuen Vertrag zu denselben
Bedingungen abgeschlossen. Zur Beendigung des neuen
Mietverhältnisses muss erneut gekündigt werden. |
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Eine mangelhafte Kündigung kann nichtig,
anfechtbar oder unwirksam sein.
Nichtig ist eine Kündigung, wenn sie
gegen Art. 266–266n OR oder gegen weitere
zwingende Bestimmungen des Zivilrechtes
verstösst.
Dies ist der Fall, wenn der Mieter die
Kündigung nur mündlich anstatt schriftlich
ausspricht oder wenn der Vermieter das
vorgeschriebene Formular nicht verwendet
(Art. 266l OR). Stellt der Vermieter die Kündigung
der Familienwohnung nicht mit
separater Post an beide Ehegatten zu (Art.
266n OR), dann liegt Nichtigkeit vor. Nichtig
ist zudem die Kündigung auch dann, wenn
der Mieter ohne Zustimmung des Ehegatten
die Familienwohnung kündigt (Art. 266m
OR). Eine nichtige Kündigung liegt auch
dann vor, wenn sie nicht durch den Vermieter
oder rechtsgültigen Vertreter erfolgt.
Die nichtige Kündigung entfaltet keine
Rechtswirkungen und muss nicht von einem
Richter festgestellt werden. Ist zwischen den
Parteien strittig, ob eine Kündigung nichtig
oder anfechtbar ist, dann ergibt sich daraus
eine Rechtsunsicherheit, bis die Nichtigkeit
richterlich festgestellt wird. |
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Anfechtbar …
… ist eine Kündigung hingegen, wenn
sie zwar gültig ausgesprochen wurde, aber
einen Anfechtungsgrund nach Art. 271 OR
vorliegt. Diese Anfechtungsgründe sind: |
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1. |
Verstoss gegen Treu und Glauben (Art.
271 OR) |
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Der Gesetzgeber schreibt in Art. 2 Abs.
1 ZGB jedermann vor, dass er sich an den
Grundsatz von Treu und Glauben halten
soll. So lässt sich daraus ableiten, dass eine
Kündigung anfechtbar ist, wenn sie rechtsmissbräuchlich
ist, wobei kein offenbarer
Rechtsmissbrauch verlangt wird. |
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2. |
Kündigung, weil der Mieter nach Treu
und Glauben Ansprüche aus dem Mietverhältnis
geltend gemacht hat (Art.
271a Abs. 1 lit. a OR) |
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Eine Kündigung gilt als anfechtbar,
wenn sie nur deshalb ausgesprochen wird, um den Mieter dafür zu bestrafen, dass er
zuvor Ansprüche aus dem Mietverhältnis
geltend gemacht hat. Grundsätzlich spielt
es keine Rolle, ob die Ansprüche zu Recht
geltend gemacht worden sind, wobei der
Mieter nicht gegen Treu und Glauben
Ansprüche erheben darf. |
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3. |
Anfechtbarkeit der Kündigung, weil der
Vermieter eine einseitige Vertragsänderung
oder Mietzinsanpassung durchsetzen
will (Art. 271a Abs. 1 lit. b OR) |
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Die Kündigung ist anfechtbar, wenn
sie ausgesprochen wird, weil der Mieter
mit einem einseitig vorgebrachten
Wunsch nach Änderungen von Vertragsbedingungen
nicht einverstanden war,
wobei zulässig ist, eine Kündigung auszusprechen,
um einen höheren Mietzins
vom Nachfolgemieter zu erzielen (BGE 120
II 105). |
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4. |
Kündigung mit der Absicht , den Mieter
zum Erwerb der gemieteten Wohnung
zu veranlassen (Art. 271a Abs.
1 lit. c OR) |
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Diese Bestimmung verhindert, dass
der Vermieter den Mieter unter Druck
setzt mit der Alternative Kaufen oder Ausziehen. |
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5. |
Anfechtbarkeit der Kündigung während
eines laufenden Verfahrens (Art. 271a
Abs. 1 lit. d OR) |
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Diese Bestimmung hindert den Vermieter
daran, sich dem laufenden Verfahren
durch eine Kündigung des Mietverhältnisses
zu entziehen oder den Mieter dafür zu
bestrafen, dass er ein Verfahren eingeleitet
hat.
Ausnahmsweise kann trotz eines laufenden
Verfahrens in folgenden Fällen gekündigt
werden: |
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– |
Der Mieter hat das Verfahren treuewidrig
eingeleitet |
– |
Der Vermieter hat einen dringenden
Eigenbedarf |
– |
Der Mieter ist rückständig mit der
Bezahlung der Miete |
– |
Der Mieter hat eine schwere Vertragsverletzung
begangen |
– |
Verkauf des Mietobjektes aus wichtigen
Gründen |
– |
Konkurs des Mieters |
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6. |
Kündigungsschutz nach Abschluss eines
Verfahrens (Art. 271a Abs. 1 lit. e OR) |
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Eine Kündigung ist während dreier Jahre
nach Abschluss eines mit dem Mietverhältnis
zusammenhängenden Schlichtungsoder
Gerichtsverfahrens anfechtbar, wenn
der Vermieter: |
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zu einem erheblichen Teil unterlegen ist, |
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seine Forderung oder Klage zurückgezogen
oder erheblich eingeschränkt hat, |
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auf die Anrufung des Richters verzichtet
hat, |
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mit dem Mieter einen Vergleich geschlossen
oder sich sonst wie geeinigt hat. |
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7. |
Kündigungsschutz ausserhalb eines Verfahrens
(art. 271a Abs. 2 OR) |
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Auch könnte eine aussergerichtliche
Einigung die Kündigungssperrfrist von drei
Jahren auslösen, wobei nicht jede Meinungsverschiedenheit
zu dieser Konsequenz
führen kann (vgl. dazu unveröffentlichter
Entscheid vom 5. Januar 1994,
4C.266/1993; E. 4a).
Gibt der Vermieter von vornherein nach,
insbesondere, wenn er erfolgreich auf sein
Recht hätte beharren können, oder entspricht
der Vermieter einem Gesuch auf
Senkung des Mietzinses wegen des rückläufigen
Hypothekarzinses, so entsteht
keine Kündigungssperrfrist. |
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Unwirksam …
… ist eine ausserordentliche Kündigung,
bei der die von der kündigenden Partei
angerufenen Umstände sich nicht verwirklicht
haben, zum Beispiel eine Kündigung
unter Anrufung einer Vertragsverletzung,
die nie begangen wurde, oder unter Berufung
auf wichtige Gründe (Art. 266g OR),
wenn keine vorliegen.
Nach herrschender Lehre und Rechtsprechung
entfalten solche Kündigungen
keine Wirkungen, auch wenn sie nicht
angefochten werden. Das heisst aber, dass
solche Kündigungen im Rahmen eines Ausweisungsbegehrens
vorfrageweise auf ihre
Berechtigung hin überprüft werden könnten. |
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