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HEV 8/2006 Inhaltsverzeichnis
Unser Garten

     
  Der Tod lauert im Garten
* Barbara Scalabrin-Laube
 
     
  Können Sie sich an den leichten Schauer erinnern, den Sie empfanden, wenn Sie als Kind im Wald eine blaue Einbeere (Paris quadrifolia) berührten, eine rote Eibenbeere (Taxus baccata) in den Mund nahmen, um sie gleich wieder auszuspucken, ängstlich den Finger in die Blüte eines Fingerhuts (Digitalis purpurea) steckten oder mutig eine Beere des roten Holunders (Sambucus racemosa) verschluckten? Erinnern Sie sich, wie Sie dann abends im Bett lagen und staunten, dass Ihnen nichts passiert war, Sie sogar ohne Beschwerden weiterlebten?  
     
  Mutproben dieser Art mochte ich als Kind gern, war ich doch nicht fähig, mit einem Kopfstand auf dem Mittelstreifen der Strasse zu glänzen wie mein Freund Päuli. Dieser wiederum hatte grosse Angst vor giftigen Pflanzen und hätte niemals freiwillig eine Eibenbeere geschluckt.  
      Mutproben dieser Art mochte ich als Kind gern, war ich doch nicht fähig, mit einem Kopfstand auf dem Mittelstreifen der Strasse zu glänzen wie mein Freund Päuli. Dieser wiederum hatte grosse Angst vor giftigen Pflanzen und hätte niemals freiwillig eine Eibenbeere geschluckt.
Heute dürfen Kinder kaum mehr unbeaufsichtigt im Wald spielen oder die Strasse als Turnplatz nutzen. Giftige Pflanzen aber gibt es immer noch. So schmücken Sie vielleicht Ihren weihnachtlichen Tisch mit einer Christrose (Helleborus niger) und hängen über dem Eingang einen Mistelzweig (Viscum album) auf. Wussten Sie, dass die schleimigen, süsslichen und bei den Vögeln beliebten Früchte der Mistel ebenso wie die Blätter Viscotoxin enthalten, einen Stoff, der zu Brechdurchfall und Darmkrämpfen führen kann? Die Christrosen hingegen enthalten in allen Pflanzenteilen Helleborein und Hellebrin, zwei Glyksoide, welche unangenehme Vergiftungserscheinungen wie Kolliken, Atemnot und Herzschwäche hervorrufen können.
 
  Lupine    
 
Lupine
   
   
  Es stellt sich nun die Frage, ob der Verkauf der Christrosen verboten und die Mistelzweige auf den Apfelbäumen vernichtet werden sollten. – Eine solch radikale Lösung kann wohl kaum richtig sein, hat doch bereits der grosse Arzt und Naturforscher Paracelsus (1494–1541) geschrieben: «Alle Dinge sind Gift, und nichts ist ohne Gift; allein die Dosis macht, dass ein Ding kein Gift ist.»
Betrachten wir beispielsweise die Eibe (Taxus baccata): Das immergrüne Gehölz enthält in allen Teilen – ausser im süsslichen Fruchtfleisch (der darin enthaltene Samen ist ebenfalls giftig!) – äusserst giftiges Taxin und andere Stoffe. Wer Samen, Nadeln oder gar Zweige kaut, wird schon bald darauf Bauchweh haben und oberflächlich atmen. Erweiterte Pupillen, unregelmässiger Puls und Kreislaufschwäche sind weitere Anzeichen für eine Vergiftung. Ohne ärztliche Hilfe ist der Betroffene gefährdet, könnte er doch an einer Atemlähmung sterben. Ich nehme nicht an, dass Sie oder Ihre Kinder Eibennadeln essen, und habe auch keine Angst, wenn Kinder in unserem Garten hinter der Eibenhecke Verstecken spielen. Allerdings haben wir bewusst keine Eibenhecke der Strasse entlang gepflanzt, weil wir wissen, dass Pferde die Nadeln gern abfressen und sich vergiften könnten. Gift kann in der richtigen Dosierung ein Heilmittel sein. Dies lässt sich an unserem Beispiel ebenfalls zeigen: Taxin wird nämlich heute in der Pharmaindustrie gewonnen, da man herausgefunden hat, dass der Stoff in der richtigen Dosierung in der Krebstherapie sehr wirksam ist. In England werden die Gärtnerinnen und Gärtner sogar aufgefordert, das Schnittgut der Eiben zu sammeln und abzugeben.
 
 
 
 
Seidelbast
Seidelbast
Euphorbia   Solanum
Euphorbia   Solanum
     
  Was aber sollen wir denn gegen den im Garten lauernden Tod tun? Sollen wir auf die Blüten des schönen blauen Eisenhutes (Aconitum napellus) verzichten, weil er als die giftigste Pflanze Europas gilt? Alle Pflanzenteile enthalten Aconitin, ein Gift, das beim Pflücken sogar durch die Haut eindringen kann (-> Hautentzündungen) und oral eingenommen schwere Vergiftungen bewirkt. Sollen wir keine Lupinen (Lupinus polyphyllus) mehr anpflanzen, weil ihre Samenstände giftig sind? Auch der Goldregen (Laburnum anagyroides) ist eine gefährliche Pflanze, da nicht nur die Samen, sondern auch die Blüten und Früchte Cytisin enthalten.
Die Liste kann beliebig verlängert werden. Sie erinnern sich bestimmt an die Vergiftungsfälle nach dem Essen von ungekochten Bohnen (Phaseolus vulgaris) oder von Maiglöckchenblättern (Convallaria majalis), die mit Bärlauch (Allium ursinum) verwechselt wurden.
Warum sollen unsere Kinder nicht – so wie wir es waren – fähig sein, giftige Pflanzen von anderen zu unterscheiden?
 
  Wollen wir ihnen den Schauer beim Anblick der schwarzen Beeren der Tollkirschen (Atropa belladonna) nicht gönnen? Bereits vier Beeren können bei Kindern tödlich wirken. Wir können es wohl kaum verhindern, dass sie auf einem Spaziergang dieses Nachtschattengewächs antreffen. Umso wichtiger ist es, dass Kinder und Erwachsene um die Gefahren von Giftpflanzen wissen, dass sie nicht jede rote Beere in den Mund stecken, sondern die roten Früchte des Aronstabes (Arum maculatum), der rotbeerigen Zaunrübe (Bryonia dioica), des bittersüssen Nachtschattens (Solanum dulcamara), der gemeinen Heckenkirsche (Lonicera xylosteum), verschiedener Schneebälle (Viburnum), des Seidelbasts (Daphne mezzereum), der Stechpalme (Ilex aquifolium) und der Eberesche (Sorbus aucuparia) kennen und nicht essen.
Oder wussten Sie z.B., dass die gelbe Osterglocke (Narzissus pseudonarzissus) nicht völlig harmlos ist? So sollen sich schon Menschen vergiftet haben, die Speisezwiebeln mit den Zwiebeln der Osterglocken verwechselten. Gestorben sind sie nicht, aber Durchfall, Bauchweh und Schweissausbrüche sind gleichermassen unangenehm. Auch der im Frühjahr blühende Besenginster enthält Giftstoffe, die Herzbeschwerden hervorrufen können. Zudem sind alle Wolfsmilcharten (Euphorbia) nicht ungefährlich, da ihr milchiger Saft auf der Haut irritierend wirken kann. Die weissen Beeren der Schneebeere (Symphoricarpus albus), die so schön knallen, wenn man auf sie tritt, enthalten Saponin, einen stark reizenden Wirkstoff, der in vielen anderen Pflanzen ebenfalls enthalten ist, beispielsweise in den Stängeln, Blättern und Beeren des Efeus (Hedera helix).
 
 
 
 
Eberesche
Eberesche
Goldregen   Maiglöckchen   Christrose
Gold-
regen
  Mai-
glöckchen
  Christrose
         
  Es würde den Rahmen dieses Artikels sprengen, müsste ich alle Pflanzen mit giftigen Wirkstoffen aufzählen. Selbstverständlich bin ich nicht dafür, dass in der Umgebung von Kinderspielplätzen oder Kindergärten giftige Pflanzen wachsen, aber ich erachte es als sinnvoll, wenn Eltern oder Grosseltern den Kindern einen achtsamen Umgang mit Pflanzen vorleben. Auf diese Weise kann der Gifttod im Garten gebannt werden.
Wenn Sie nun entgegnen, dass Sie nicht alle diese Pflanzen kennen, kann ich das gut verstehen. Ich bedaure deshalb, dass diese in Katalogen und Gärtnereien nicht speziell bezeichnet werden. Am meisten helfen wohl das Nachfragen beim Kauf und das Befolgen der alten Regel: «Was der Bauer nicht kennt, …»
Eine andere Möglichkeit wäre es, seinen Garten einzig mit einem unkrautfreien Rasen zu begrünen. Fragt sich bloss, ob die Kinder dann vor lauter Langeweile nicht auf die Idee kämen, aus den nächsten Ferien eine Kreuzotter für ihr Terrarium zu fangen oder Skorpione zu sammeln!
 
     
  * Cottage Garten, 8453 Alten  
 
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