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Von einem Nachbargrundstück herrührende Immissionen wie Lärm,
Staub, Erschütterung können – auch wenn diese nicht dem Einflussbereich
des Vermieters unterliegen – einen Mangel darstellen, der eine
Herabsetzung des Mietzinses rechtfertigen kann. Dies jedenfalls entschied
das Bundesgericht in einem neueren Entscheid 1) und bestätigte
damit seine Rechtsprechung. |
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Dem Entscheid lag folgender Sachverhalt
zu Grunde: Die Parteien hatten einen
Mietvertrag über eine 4-Zimmer-Wohnung
abgeschlossen, welche der Mieter als
Augenarztpraxis nutzte. Im September
2000 ersuchte der Mieter um eine Herabsetzung
des Mietzinses um 40%, da er sich
seit zwei Jahren von zwei Baustellen in
unmittelbarer Nachbarschaft – einem Abbruch/
Neubau und einem Neubau – im
vertragsgemässen Gebrauch der Mietsache
gestört fühlte. Das Bundesgericht hiess den
Herabsetzungsanspruch des Mieters im
Umfang von 37% gut.
In seinen Erwägungen führte es aus,
dass der Mieter nach Art. 259a OR eine
Herabsetzung des Mietzinses verlangen
kann, wenn das Mietobjekt einen Mangel
aufweise oder der Mieter im vertragsmässigen
Gebrauch der Sache gestört werde. Ein
Mangel definiere sich als das Fehlen einer
Eigenschaft, deren Vorhandensein bei Vertragsschluss
versprochen war oder deren
Vorhandensein die Vertragspartei nach
Treu und Glauben erwarten durfte. Der
Mangel könne dabei seinen Grund nicht
nur in der Sache selbst haben, sondern
auch in der Nachbarschaft oder im Verhalten
Dritter bestehen. Die eingangs erwähnten,
von den benachbarten Baustellen ausgehenden
Emissionen wie Lärm, Staub,
Erschütterung usw. stellen einen solchen
Mangel dar, sogar, wenn sie gar nicht im
Einflussbereich des Vermieters liegen. Dies
gelte auch dann, wenn die Baustelle von
einem öffentlichen Interesse ist und somit
für den Vermieter gegen den Nachbarn
eine Klage auf Unterlassung der Störung
nicht möglich ist.
Die Problematik in der vorliegenden
Angelegenheit liegt darin, dass zwischen
dem Schutz der Nachbarn vor Immissionen
und dem Anspruch des Mieters auf Herabsetzung
des Mietzinses nach Art. 259d OR
rechtlich ein Unterschied besteht. Die
Nachbarn im Sinne des Sachenrechts sind
nicht durch vertragliche Verpflichtungen
verbunden, währenddem es beim
Anspruch auf Herabsetzung des Mietzinses
darum geht, das Missverhältnis zwischen
Mietzins und der vertraglichen Leistung zu
beheben. Der Herabsetzungsanspruch des
Mieters muss darum unabhängig von jeglichem
Schadenersatzanspruch des Vermieters
gegenüber Dritten wie Nachbarn, Gemeinde oder anderen berechnet werden.
Um das Ausmass des Herabsetzungsanspruchs
zu bestimmen, muss das Mietobjekt
mit und ohne Mangel betrachtet
werden. Grundsätzlich kann dabei nach der
gleichen Methode vorgegangen werden,
welche auch im Kaufvertragsrecht angewendet
wird. Nämlich, indem der objektive
Wert der mängelbehafteten Sache mit dem
objektiven Wert der Sache ohne Mangel
verglichen wird. Eine solche Berechnung
ist aber nicht immer angebracht. Insbesondere
bei Mängeln von mittlerer Wichtigkeit,
wie es vorliegend der Fall ist, darf der
Richter eine Herabsetzung nach eigenem
Ermessen auch aufgrund der allgemeinen
Lebenserfahrung, des gesunden Menschenverstandes
und der Kasuistik vornehmen.
Nach Ansicht des Bundesgerichts war
der Mieter im vereinbarten Gebrauch der
Sache nach objektiven Gesichtspunkten
eingeschränkt. Im Rahmen seiner beruflichen
Tätigkeit als Augenarzt wurden
vom Mieter Konzentration und Genauigkeit
gefordert. Durch die (festgestellten)
massiven Lärm- und Erschütterungsimmissionen
konnte der Mieter dem nur
beschränkt nachkommen, weshalb für die
Richter eine Verminderung im Gebrauch als
erstellt galt.
1) Urteil 4C.377/2004 vom 2. Dezember 2004 |
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