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Frisch geschnitten
* Barbara Scalabrin-Laube |
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Gibt es etwas Schöneres, als in den eigenen Garten zu gehen und
sich einen Strauss zu schneiden? – Ich schätze die Möglichkeit, mir
einen Strauss oder ein Gesteck nach meinem Geschmack zusammenzustellen.
Besonders wenn mein Mann der Meinung ist, in unserem
Garten blühe nichts, alles sei bloss grün, trete ich mit meinen Kreationen
gern den Gegenbeweis an. |
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So versuche ich, jeweils während allen
Jahreszeiten Blüten und Blätter für einen kleineren
oder grösseren Strauss, ein Gesteck
oder einen Kranz zu holen, und freue mich
dabei, dass unser einstiges Ziel, einen Garten
für das ganze Jahr zu haben, beinahe erreicht
ist.
Am schwierigsten ist die Aufgabe im Dezember
und Januar. Zwar sollten dann
theoretisch Christrosen, Zaubernuss, frühe
Schneeglöckchen, der winterblühende
Schneeball und die Sarcocca (Weihnachtsbuchs)
blühen. Häufig hat sich aber der Winter
bereits im November angekündigt oder es
liegt Schnee, sodass sich keine Blüten finden
lassen. Dann gilt es, sich mit den Früchten der
Stechpalme und der Schönfrucht (falls diese
nicht bereits die Vögel gefressen haben) zu
begnügen, Hagebutten zu schneiden, die
letzten Zieräpfelchen und die Früchte der Bitterorange
zu pflücken und die weissbunten
und gelbbunten Blätter des Spindelstrauchs und der Ölweide als Farbtupfer zu nutzen. Im
Gewächshaus finde ich vielleicht eine Kamelienblüte
und einen Seidelbastzweig und tröste
mich mit den fast offenen Kätzchen der
Weide. Am Waldrand lassen sich die bärtigen
Fruchtstände der Waldrebe schneiden
und vielleicht kaufe ich als Ergänzung einen
Topf mit blühenden Christrosen. Zusammen
mit den Blättern von Buchs, Aronstab, Cyclamen,
Stechpalme und stinkender Nieswurz
lässt sich bereits ein erstaunliches Wintergärtchen
in einem kleinen, eher flachen Gefäss
stecken.
Geht es dem Frühling entgegen, wird die
Aufgabe immer einfacher: Erste Lenzrosen
schwimmen in einer flachen Schale, da sie
auf diese Weise am längsten halten. Um
ihnen mehr Halt zu geben, lege ich darunter
ein Gerüst mit Buchs und Efeu. Dieses gibt
mir ausserdem die Möglichkeit, einen blühenden
Zweig oder ein paar Schneeglöckchen
dazu zu stecken. Bald darauf blühen die
ersten Narzissen, frühe Tulpen, verschiedene
Wolfsmilcharten (Stielende leicht anbrennen!),
der weisse Feuerbusch, der Tierlibaum,
diverse Lungenkräuter, erste Schlüsselblumen,
Primeln, Traubenhyazinthen usw.
Manchmal reut es mich dann zwar, die Blüten
in grosser Zahl zu Sträussen zu binden, und
ich stelle nur einzelne Rispen oder Blüten in
verschiedene, schlanke Gläser, die ich zu einer
Gruppe zusammenstelle.
Richtig üppig wird es, wenn die Rhododendronblüte
beginnt. Da merkt niemand,
wie viele Dolden ich auf der Hinterseite der
einzelnen Gehölze abgeschnitten habe.
Obwohl ich weiss, dass diese Pracht kaum
eine Woche lang halten wird (auch wenn ich
sie schräg angeschnitten oder gar mit dem
Hammer bearbeitet habe), kann ich der Versuchung,
sie ins Haus zu holen, nicht widerstehen.
Auch die Zweige der Sternmagnolie,
der Felsenbirne, des Flieders und vieler weiterer
Sträucher halten nicht lang, aber die Freude
am Prunk überwiegt. Zudem gönne ich
uns ab und zu eine einzelne Riesenblüte einer
der Strauchpfingstrosen in einer Vase.
Im Juni ist es ebenfalls einfach, sich Blütenschmuck
aus dem eigenen Garten zu
holen. Denken Sie bloss an die Pfingstrosen
(die lästigen Läuse dusche ich mit der Brause
ab), die verschiedenen blauen Rittersporne,
die duftenden Rosen, die Lupinen, die
Glockenblumen, die ersten Gräser, die kleinen
Nelken, die Ranken der Lonicera, den Zierlauch
und so viele mehr.
In unserem Garten wird es im Hochsommer
etwas ruhiger, grüner und feiner. Es ist
die Zeit, in der ich jeweils kleine Kränze oder
Gestecke aus blühenden Kräutern (Oregano,
Thymian, Bohnenkraut, Goldmelisse, Fenchel,
Dill, Basilikum, Lavendel, Katzenminze)
und essbaren Früchten (Johannisbeeren,
Himbeeren und Walderdbeeren) mache und
diese manchmal mit einzelnen Rosen ergänze.
Deshalb war es für mich besonders spannend,
als sich die Floristin Corinne Remund
ausgerechnet an einem heissen Julitag
(2006!) bei mir meldete, um Blumen für einen
Strauss und ein Gesteck aus unserem Garten
zu schneiden. Ich sah bereits lauter welke Blüten
und eingerollte Blätter vor mir und konnte
mir nicht vorstellen, dass aus unserem
gemeinsamen Projekt (sie die Arrangements,
Urs Remund die Fotos und ich den Text zu
diesem Artikel) etwas werden könnte. |
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Wie Sie sehen, kann sich das Resultat
der Floristin sehen lassen. Da sind um eine
Taglilie im Mittelpunkt verschiedene Blüten
versammelt. Storchenschnabel, Lavendel,
Clematisblüten und -fruchtstände, Kugeldistel,
Knautie und Goldmelisse werden von
Funkienblättern zusammengehalten. Dass wir
beide nach dem Fototermin nicht erwarteten,
uns weder am Strauss noch am Gesteck für längere Zeit zu freuen, erstaunt Sie wohl
nicht. Sie werden es kaum glauben: Beide
schmückten unser Haus während mehr als
einer Woche! Die Blüte der Taglilie verwelkte
zwar, wurde aber von drei neuen aufblühenden
Knospen abgelöst.
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Während ich dies schreibe, regnet es
draussen. Der Herbst kündet sich an, eine
Jahreszeit, die ich besonders gern mag, lassen
sich doch späte Blüten, Früchte und bunte
Blätter besonders gut kombinieren. Da die
Stiele oft etwas kurz sind, beschränke ich
mich meistens auf Gestecke. Dabei haben
sich Herbstaster, Hortensie, Gräser (Pennisetum
vor allem), letzte Storchenschnäbel, einzelne
Rosenblüten, Bartfaden, Katzenminze,
Bergminze, Tigerlilie, Eisenhut und Clematis
bewährt. Mein roter Sonnenhut und der
Phlox hingegen scheinen im Steckschwamm
zu wenig Wasser aufzunehmen. Sie welken
bereits am ersten Tag. Umso mehr freue ich
mich an den reifen Hagebutten, den roten
Beeren des Schneeballs, den kugeligen
Fruchtständen der Wolfsmilch, den bizarren
Früchten der Iris foetidissima, den roten und
gelben Zieräpfelchen, den Nüssen und den
Brombeeren. Reich ist der Blattschmuck. Die
dunkelroten Blätter des Perückenstrauchs
werden von den weissbunten Blättern der
variegierten Weigelie aufgehellt, während die
wilde Rebe mit Grün-, Rot- und Gelbtönen
bunt wirkt. Dazwischen glänzen die Stechpalmenblätter,
und der im Herbst blühende
Duftblütenstrauch entzückt mit kleinen weissen
Blüten zwischen den immergrünen Blättern.
Der Fantasie sind keine Grenzen gesetzt,
die Ernte ist fast so üppig wie im Frühjahr,
allerdings wirkt alles etwas zarter und verhaltener.
Sicher haben Sie gemerkt, dass in meinen
unvollständigen Aufzählungen die einjährigen
Blütenpflanzen fehlen. Hätte ich Zinnien,
Sommerastern, Kornblumen, Wicken
usw., wäre es auch während der heissen
Jahreszeit kein Problem, üppige Sträusse zu
binden, aber ich verzichte bewusst auf diese,
da ich den Mehraufwand scheue (anziehen,
auspflanzen, giessen usw.) und mich in unserem
Garten auf mehrjährige Pflanzen beschränke. |
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* Cottage Garten, 8453 Alten |
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