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HEV 11/2006 Inhaltsverzeichnis
Unser Garten

     
  Epidemiologie
* Gernot Grueber
 
     
  … nennt sich die Lehre von den epidemischen Krankheiten. Das sind jene Krankheiten, die sich wegen «günstiger Umstände» schnell verbreiten. Auf dieses Thema bin ich durch die kürzliche Meldung über die Ausbreitung der Sharka-Krankheit der Zwetschgenbäume gekommen. Sie machte erstmals in den 50er-Jahren auf dem Balkan von sich reden. Denken Sie an den Slibowitz, den Zwetschgenschnaps aus jener Gegend.
Gewiss gibt es natürliche Pflanzenbestände, die sich zu Monokulturen entwickeln. Auf dem Hohen Rohnen z.B. dominieren die Rottannen. Bei anhaltender Trockenheit im Frühjahr kann sich dort die Sitka-Laus sehr schnell vermehren. Sie tritt übrigens auch jahrgangweise an Blautannen und Serbischen Fichten in unseren Gärten auf. Heisse, trockene Sommer können Waldbestände so schwächen, dass abgestorbene Bäume oder verminderter Saftfluss eine Borkenkäferepidemie auslösen.
Eine wichtige Voraussetzung für eine epidemische Ausbreitung ist, dass die befallenen Subjekte ähnlich empfindlich sind und dicht beisammen stehen. Je grösser die Populationsdichte einheiticher Pflanzenbestände, umso grösser der Befalldruck und die Entwicklungsgeschwindigkeit.
Natürliche Monokulturen und solche, die «menschengemacht» sind, laden Schadorganismen geradezu zum Zuschlagen ein. Ein gefundenes Fressen!
Menschliche Bedürfnisse oder der Druck des Marktes fördern Monokulturen, z.B. Weinbau und Tafelbirnenanbau. Schon in den 50er-Jahren wurden im Kanton Wallis die Wacholderbäume gerodet bzw. deren Anpflanzung verboten. Weshalb? Sie konnten als Zwischenwirtspflanzen für den Gitterrost den grossen, wirtschaftlich bedeutsamen «Williams»- und «Gute Luise»-Kulturen gefährlich werden. Grosse Rebbauflächen führten zur Verbreitung der Reblaus und des Rüsselkäfers. Viele grosse Weizenfelder bieten dem Getreideschwarzrost gute Verbreitungsmöglichkeit. Der Platanenkrebs ist ein Geschenk aus den USA. Er landete irgendwann per Schiff in Genua und ist seither Richtung Norden auf dem Vormarsch. Die eher magere Bestandsdichte der Platanen hemmt oder stoppt das Vorrücken. Vom Ulmensterben hört man zurzeit nichts. Es scheint erloschen zu sein, weil Ulmen offenbar nicht genügend dicht stehen. Epidemiegefahr besteht immer, wenn die Populationsdichte hoch ist: Monokulturen, geringe Distanzen von Individuum zu Individuum. Beim Platanenkrebs und beim Ulmensterben können sich die Infektionen auch über das sich berührende Wurzelgeflecht weiterverbreiten. Eine Allee begünstigt diese unterirdische Verbreitung.
 
      Dass man vielerorts wegen des Feuerbrandes die Cotoneaster entfernen musste, hängt damit zusammen, dass das wirtschaftliche Interesse der Obstbauern auf dem Spiel stand. Auch hier wieder: die Massierung von Pflanzen, die befallen werden können. Beim Feuerbrand kommt hinzu, dass die Pflanzen beim Sammelflug von Insekten über die Blüte angesteckt werden können. Je grösser die Bestandsdichte der Wirtspflanzen ist, umso höher wird der Ansteckungsdruck. Kommt zu jener Zeit, wo die Krankheit in ihrer Entwicklungsrhythmik ohnehin in den Startlöchern trippelt, noch ein Hagelschlag hinzu, der unzählige Verwundungen verursacht, verläuft eine Epidemie explosiv. Jede Wunde ist eine Eintrittspforte.  
  Feuerbrand    
  Feuerbrand, Blüteninfektion
(Foto: Dienststelle Landschaft und Wald [Lawa] des Kantons Luzern, www.lawa.lu.ch)


   
  Der Birnengitterrost wurde hier in der deutschen Schweiz zu einem Problem, als nicht nur in allen Gärten, sondern auch an fast allen neuen Häusern auf Balkonen und Terrassen Wacholder gepflanzt wurden. Besonders Sadebaum- und Tamariskenwacholder erwiesen sich als anfällig. Durch die übernormale Verwendungsdichte konnte sich der Gitterrost der Birnbäume so stark ausbreiten.
Normalerweise sind Waldbäume wie Buchen, Eichen oder Rottannen ein Erbgutgemisch. (Sie sind heterogen.) Sie haben wohl innerhalb einer Art gleiche Eigenschaften, sind auch untereinander fruchtbar und doch unterscheiden sie sich in Nuancen voneinander. So ist in der Regel auch die Widerstandsfähigkeit von Pflanze zu Pflanze etwas unterschiedlich. Das wirkt epidemiehemmend. Im Engadin liess sich der Lärchenwickler trotz der genetisch uneinheitlichen Bestände nicht an der epidemischen Entwicklung hindern. Offenbar gibt es keine genügenden Hemmschwellen in der Lärchenpopulation. Erinnern Sie sich? Damals wurde DDT per Heli verstäubt.
Eine gewisse Zeit lang wurden in Forstversuchsanstalten und in Forstbaumschulen besonders ertragreiche Bäume ausgewählt, um davon einheitliche Klone nachzuziehen. Die Nachzuchten waren dann so vereinheitlicht, dass sie die von der Wirtschaft gewünschten guten Eigenschaften mitbrachten. Wenn sich dann ein Pilz oder ein Schädling auf dieses Futter spezialisiert hatte, war die epidemische Wirkung so durchschlagend, dass das vegetative Vermehren (Klonen) von Forstpflanzen eingestellt wurde, als man erkannte, dass Lebewesen, die völlig identische Erbsätze (Chromosomensätze) haben, auf epidemische Attacken nicht sinnvoll reagieren. Umgekehrt könnte man auch sagen: Epidemien können auf genetisch gleichförmige Populationen nicht selektiv wirken, indem sie anfälligere Pflanzen befallen und umbringen, während die robusteren am Leben bleiben und die Art erhalten.
Die Natur hat ihren Regelmechanismus: Eine Epidemie vermindert die Populationsdichte, verringert damit den Ansteckungsdruck und erlischt demzufolge früher oder später.
Pflanzenepidemien werden durch menschliches Wirken begünstigt: die vielen Maisfelder – der Maiszünzler – der genmanipulierte Mais – die politische Sensibilisierung: eine Folgenkette. Auf diese Art wird immer für Zeilenfüller gesorgt sein und es wird immer wieder Stoff geben, mit dem man sich politisch profilieren kann.
 
     
  * Grueber + Co. Baumschulen, CH-8135 Langnau am Albis  
 
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