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HEV 12/2006 Inhaltsverzeichnis
Unser Garten

     
  Warum ich beim Gärtnern meistens
einen Vogel habe
* Barbara Scalabrin-Laube
 
     
  Ja, Sie haben richtig gelesen, ich habe beim Gärtnern wirklich einen Vogel. Wenn Sie nun aber denken, dies hätten Sie schon längst bemerkt, haben Sie vermutlich Recht, verstehen mich aber falsch. Mein Vogel ist ein echter Freund und hat auch einen Namen: Robin.  
     
  Wenn ich nämlich im Herbst oder Winter im Garten arbeite, Laub reche, Stauden zurückschneide, Boden lockere und mich über Sämlinge freue, die ich beim Jäten finde, bin ich selten ohne Robin. Mein Mann freut sich über diese Freundschaft, denn mein Freund wiegt bloss ca. 17 bis 20 g und ist gefiedert, ein Rotkehlchen, das im Englischen den schönen Namen Robin trägt (und oft als Sujet für englische Weihnachtskarten benützt wird).
Wer sich mit dem Kindchenschema von Lorenz befasst hat, weiss, dass der kleine Vogel mit dem runden Köpfchen und den grossen Augen auf den Menschen genauso anziehend wirkt wie ein Jungtier einer höheren Tierart. Die typisch kindlichen Proportionen werden bekanntlich als Schlüsselreiz gedeutet, der das für die Aufzucht wichtige Fürsorgeverhalten hervorruft.
 
      «Mein» Robin ist leicht von anderen Vögeln zu unterscheiden: Er ist wie ein Spatz etwa 14 cm gross, an Stirne, Kehle und Brust auffallend orange gefärbt und hat einen weisslichen Bauch. Sein Rücken ist olivbraun. Männchen und Weibchen kann man aufgrund des Äusseren nicht unterscheiden. Der Ruf ist ein eher scharfes Schnickern, das in menschlichen Ohren wie «zick-zick-zick-…» tönt und bei Gefahr immer schneller wird. Der Gesang hingegen erscheint uns eher melancholisch und schwermütig. Er wird in der Literatur auch als herabperlendes Trillern beschrieben. Männchen und Weibchen singen oft zu jeder Tageszeit (sogar bis weit in die Dämmerung hinein),  
     
       
  vor allem aber von März bis Mai. Wenn mein Robin mit mir «spricht», äussert er sich mit einem kurzen, leisen Zick-zick-zick-Ruf, seinem Bettelruf. Mit dem gleichen Ruf bittet das Weibchen während des Nestbaus das Männchen um Futter.
Sie werden sich mit Recht fragen, weshalb ausgerechnet ein Rotkehlchen mein Freund ist (es könnte auch eine Freundin sein, siehe oben!), hat es doch in unserem Garten viele andere interessante Vögel, aber kein einziger ist so zutraulich wie Robin. Kein anderer Vogel «spricht» mit mir und freut sich sichtlich (eine wohl allzu menschliche Interpretation), wenn ich im Garten arbeite.
Wenn man einen Freund hat, möchte man selbstverständlich mehr über ihn wissen. Ich habe mich deshalb mit dem Erithacus rubecula befasst und fasse hier zusammen, was ich erfahren habe, denn ich vermute, dass viele Gartenfreundinnen und -freunde ebenfalls einen Vogel haben.
Die Rotkehlchen, eine momentan nicht gefährdete Vogelgattung (Familie der Drosseln oder Turdidae), gelten als Teilzieher. Während die meisten Rotkehlchen im Herbst in die westlichen Mittelmeerländer ziehen, bleiben etwa 10% hier und überwintern. Die meisten Vögel dieser Gattung, die wir im winterlichen Garten treffen, kommen allerdings aus dem Norden, um bei uns zu überwintern. Sie leben als Einzelgänger oder Einzelgängerin in – je nach Futterangebot – kleineren oder grösseren Revieren im Untergehölz der Wälder oder in grösseren Gärten und Parkanlagen mit viel Dickicht. Da Weibchen und Männchen – ausser in der Brut- und Nestlingszeit – allein leben, verteidigen sie ihre Territorien vehement. Eindringlinge werden zuerst mit Gesang über die Grenzziehung orientiert. Wenn sie dennoch ins feindliche Revier einzudringen versuchen, wirft sich der Besitzer (oder die Besitzerin) drohend in die aufgeplusterte orange Brust und scheut vor einem Kampf nicht zurück. Opfer solch tödlich endender Kämpfe habe ich schon einige Male in unserem Garten gefunden. Dies scheint vom menschlichen Standpunkt aus ein eher unschöner Charakterzug der niedlichen Vögel zu sein. Allerdings ist ein eigenes Revier für die kleinen Vögel überlebenswichtig, denn da sie sich hauptsächlich von Insekten, einer energiearmen Kost, ernähren, brauchen sie ihr Territorium dringend für sich allein. Neben Insekten fressen sie Würmer und Larven. Im Herbst picken sie zudem Beeren und Samen. Es gibt zudem Berichte über Rotkehlchen, die wie Eisvögel sturztauchen und erfolgreich fischen.
 
  Die Mein Robin hat es bequemer. Während ich im Garten arbeite und den Boden lockere, hüpft er in nächster Nähe herum und nimmt sich, was an die Oberfläche kommt. Seine Unerschrockenheit ist einmalig, wagt er es doch bis auf einen halben Meter in meine Nähe zu kommen und nach Nahrung Ausschau zu halten. Zoologen nehmen an, dass der kleine Vogel nicht vom Homo sapiens fasziniert ist, sondern dass er instinktiv grossen Tieren folgt, die einigen Staub aufwirbeln und auf diese komfortable Weise Insekten als Nahrung anbieten.      
     
       
  Es wird sogar vermutet, dass die Jungtiere von ihren Eltern bewusst an grössere Tiere (auch Menschen!) herangeführt werden, um die bequeme Art der Nahrungssuche kennen zu lernen.
Genauso wie der kleine Vogel vom Menschen profitiert, hat dieser vom gefiederten Freund Nutzen. So sollen sich im 19. Jahrhundert in den Dörfern viele Handwerker, Taglöhner und Bauern ein Rotkehlchen als Stubenvogel gehalten haben. Die zahmen Vögel lebten frei in den Stuben und hatten die Aufgabe, die lästigen Fliegen zu fressen. Freilich sollen sie sehr schnell gemerkt haben, dass es bequemer ist, sich vom Teller des menschlichen Meisters zu bedienen als im Flug Insekten zu fangen!
Was aber kann man tun, um den hübschen Vögeln ein artgerechtes Habitat anzubieten? Als Waldbewohner suchen sie ihre Nahrung wie erwähnt hauptsächlich am Boden, wo das Weibchen normalerweise auch die gleichmässig runde Nestmulde – versteckt hinter Grasbüscheln oder Wurzeln – im Dickicht baut. Es gibt aber auch Beschreibungen von ausgefallenen Standorten, wie z.B. Briefkästen und Gartenschuhen. Wer also seinen Garten nicht allzu sauber aufräumt und Unterholz zulässt, hat Chancen, einem Rotkehlchenpaar einen Unterschlupf anzubieten. Es wird jedoch kaum möglich sein, die Jungen, die gut getarnt, nämlich gesprenkelt sind, zu beobachten. Erwachsene Vögel aber trifft man häufig, besonders wenn man ihnen neben einem artgerechten Unterschlupf das richtige Futter anbietet. Beerensträucher wie beispielsweise Holunder, Schneeball und Pfaffenhütchen sind Futterlieferanten im Herbst und unter liegen gelassenem Laub finden sie Insektenlarven. Da Rotkehlchen täglich baden, mögen sie die Nähe von Wasser. «Unser» Robin (es ist selbstverständlich nicht Jahr für Jahr der oder die gleiche) bedient sich im Winter am Vogelbrett und frisst dort Sonnenblumenkerne. Er mag aber auch Haferflocken und getrocknete Beeren. Wer sich zudem die Mühe macht und Mehlwürmer kauft, kann den kleinen Freund mit der Delikatesse handzahm machen.
Ich bin mir bewusst, dass die Zweckmässigkeit der Winterfütterung von Vögeln umstritten ist. Wenn ich jedoch Robin beim Arbeiten im Garten so wacker fressen sehe und er mich sogar mit seinem Bettelruf anfleht, kann ich es nicht lassen, ihm in der kältesten Jahreszeit einige Leckerbissen zu offerieren, denn seine Zutraulichkeit und Freundschaft (wieder so eine Vermenschlichung!) bedeuten mir viel.
1997 hat die Schweizerische Vogelwarte Sempach eine Broschüre «Familie Rotkehlchen – Vögel in der Brutzeit» herausgegeben, die viel Information über den zutraulichen Gartenfreund bietet. Auch im 2004 erschienenen Buch «Vögel – unsere Nachbarn» wird der Erithacus rubecula neben anderen einheimischen Vögeln beschrieben. (Schweizerische Vogelwarte Sempach, 2004, ISBN: 3-9521064-3-7)
 
           
       
     
  * Cottage Garten, 8453 Alten  
 
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