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Nach dem Willen der für den Kanton Zürich zuständigen Eidg.
Schätzungskommission soll Fluglärm weiterhin wenig kosten und
Ruhe in den eigenen vier Wänden im Kanton Zürich wenig wert
sein. Stark lärmbelastete Einfamilienhäuser sollen entschädigt werden,
alle übrigen Liegenschaften leer ausgehen. |
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Nach 8 Jahren (!) liegen 18 Urteile vor:
3 Eigentümer sollen eine Entschädigung
erhalten, 15 leer ausgehen. Die 18 Pilotfälle
waren sorgfältig ausgewählt: Sie erfüllten
bei der Eingabe 1998 alle drakonischen Kriterien
des Bundesgerichts an die Voraussehbarkeit
des Fluglärms (Erwerb vor 1.1.1961),
die Spezialität (Lärmbelastung über dem
Immissionsgrenzwert) und die Schwere des
Schadens (erhebliche Vermögenseinbusse).
Im Leitentscheid BGE 130 II 394ff zur Verjährung
hatte das Bundesgericht u.a. auch
festgehalten, dass die Schäden in Opfikon
grundsätzlich speziell und schwer seien. |
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Etwas näher betrachtet, sieht die Bilanz
wie folgt aus: |
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Einfamilienhäuser …
… werden in ganz Opfikon-Glattbrugg
entschädigungsberechtigt, ausser sie befinden
sich im alten Dorfkern Opfikon, wo der
Immissionsgrenzwert der ES III wegen des
Swissair-Crashs seit 2003 nicht mehr überschritten
wird. Das von der ZKB für Unique
entwickelte hedonische MIFLU-Modell
weist für Einfamilienhäuser in Opfikon einen
Minderwert von ca. 20% aus. Die Schätzungskommission
schätzte die Liegenschaften
ebenfalls, aber nach der Lageklasse-
Methode, und nahm den Durchschnitt beider
Schätzwerte. Das führte zu um etwa 2%
bis 3% tieferen Entschädigungen als nach
MIFLU. Nachteilig für die Entschädigungssätze
wirkte sich die seit 1997 stark gesunkene
Schallbelastung in Opfikon aus. Im
Bereich des Südanflugs fanden sich keine
EFH.
Wo Entschädigungen zugesprochen werden,
sollen sie nach dem Willen der Schätzungskommission
von 1997 bis 2006 in
zwanzig Jahrestranchen abgetragen werden.
Die verfallenen Jahrestranchen werden
bei Rechtskraft des Urteils sofort zur Zahlung
fällig, die künftigen jährlich. Dabei hat
die Schätzungskommission eine Revisionsmöglichkeit
eingebaut, wenn das definitive
Betriebsreglement erhebliche Veränderungen
der Lärmbelastung in Opfikon zu Gunsten
oder zu Ungunsten der einen oder der
anderen Partei erwarten lässt. |
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Mehrfamilienhäuser
Die Schätzungskommission hat sämtliche
Forderungen abgewiesen. Es seien keine
Ertragseinbussen feststellbar. Häufig bezeichnete sie die erzielte Bruttorendite als
hoch. Sie berücksichtigte das beträchtliche
Mietzinssteigerungspotenzial der Pilotliegenschaften
überhaupt nicht. Die Eigentümer
hatten glaubhaft geschildert, dass sie
sich mit zurückhaltender Mietzinsgestaltung
bemühen, gute Mieter zu halten und den
Nachteilen häufiger Mieterwechsel und weiteren
Problemen zu entgehen. Ein von den
Eigentümern eingereichtes Vergleichsbeispiel
einer Liegenschaft mit für den Grossraum
Zürich üblichen, erheblich höheren
Mieten wurde im Urteil nicht einmal
erwähnt. Dort zeigt sich, dass sich Leerstände
und Mietzinsausfälle häufen. Auch
die eingeschränkte Dispositionsfreiheit der
Eigentümer im lärmbelasteten Gebiet bei
grosszyklischen Renovationen fand keine
Beachtung. |
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Bauland
Auch dafür wendete die Schätzungskommission
die Lageklasse-Methode an
und kam so auf 15 oder mehr Prozent
Minderwert für das Bauland. Sie verneinte
aber den erheblichen Schaden, da bei einer
späteren Überbauung der Schaden unter die
10-Prozent-Schwelle sinken werde, wenn
man den Wert der noch gar nicht erstellten
Baute mitberücksichtige (!). Genau gleich
argumentierte sie, wenn Land erst nach
1961 überbaut worden war. Dem ist entgegenzuhalten,
dass das Bundesgericht in
Genf auch Land ohne Einbezug künftiger
Überbauungsmöglichkeiten entschädigt
hatte. |
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Direkter Überflug
Unter Verschärfung der ohnehin schon
strengen Bundesgerichtspraxis entschädigte
die Schätzungskommission einen Eigentümer
eines MFH im Südanflug nicht, obwohl
dieses im 1,250-Korridor liegt, da die Südanflüge
nur zu eingeschränkten Zeiten und
damit zu wenig regelmässig stattfänden und
die Flugzeuge den 1,250-Korridor ohnehin
nicht ausnützten. Für Überflüge durch startende
Flugzeuge im left turn über Opfikon
verneinte es die Entschädigungsberechtigung
ebenfalls. |
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Bilanz
Selbst wenn man die erheblich tiefere
Lärmbelastung der letzten Jahre berücksichtigt,
sind die Entschädigungen für EFH tief.
Die verweigerte Entschädigung für Ertragsliegenschaften
und für Bauland bewirkt,
dass Eigentümer gleich doppelt bestraft
werden: Wegen des übermässigen Lärms
verlieren sie ihre (vom Mietrecht ohnehin
stark eingeschränkte) Verfügungsfreiheit
über die Mietzinsgestaltung und über die
Verwendung ihrer Liegenschaften bei
Umbauten und Renovationen. Zugleich
erhalten sie keine Entschädigung. Unique
bzw. der Kanton Zürich sind die lachenden
Dritten.
Positiv ist zu vermerken, dass die Eidgenössische
Schätzungskommission sämtlichen
privaten Eigentümern je Liegenschaft
Fr. 4000.– Parteientschädigung zugesprochen
hat. Dabei hat sie auch begründet,
dass dieselbe Entschädigung sämtlichen
weiteren Eigentümern, welche nicht im
Pilotverfahren stehen, zugesprochen werde.
Es bleibt abzuwarten, wie das Bundesgericht
die Urteile der Schätzungskommission
beurteilen wird. Diese sind – abgesehen
vom teilweisen Erfolg bei den EFH – ein
Schlag gegen das Grundrecht auf Eigentum,
das Verursacherprinzip und die Lärmbekämpfung.
Gute Lebens- und Wohnqualität
ist ein wichtiger Standortfaktor im internationalen
Benchmarking. Ihnen ist daher
ebenso Sorge zu tragen wie einer guten
Verkehrserschliessung. |
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