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«Do hesch denn s Gschenk!»
* Barbara Scalabrin-Laube |
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Der Frühling naht, die Tage werden länger,
Gärtnerinnen und Gärtner greifen zur Gabel
und zum Spaten und freuen sich, dass die
Winterruhe vorbei ist. Sie freuen sich an den
Frühblühern, kontrollieren, ob die im Winter
blühende Heckenkirsche Lonicera purpusii
auch wirklich duftet, die ersten Tulpen bereits
blühen und die frühen Schneeglöckchen
schon wieder einziehen. Die Vögel zwitschern,
die Sonne wärmt, das Leben A (im
Gegensatz zum Leben Z) kann nicht besser
sein. Winterblues, Nebel und Kälte sind vergessen.
Beim Jäten und Lockern bleibt Zeit zum
Denken und zum Tagträumen. Fragen tauchen
auf. Beobachtungen werden gemacht: |
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Sollte diese Hosta nicht schon längst
geteilt werden? |
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Ist jener Bärenklau nicht zu üppig? |
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Die Goldnessel hat sich stark ausgebreitet. |
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Von dieser Wallwurz habe ich eigentlich
mehr als genug! |
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Die Sämlinge des Storchenschnabels will
ich nicht kompostieren, aber wohin
damit? |
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Was mach ich bloss mit den vielen Goldruten?
Sie gefallen mir, aber… |
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Wie erlösend kann in solchen Momenten
der Gedanke daran sein, dass ja die Tochter
einer Freundin im letzten Herbst in ein neu
gebautes Haus eingezogen ist. Fehlt nicht für
den Kauf von Pflanzen meistens das Geld,
wenn das neue Haus eingerichtet und die
Rechnungen für den Bau von Sitzplätzen und
Wegen bezahlt sind? – Ein Anruf genügt. Die
junge Frau kommt gar selber vorbei und hilft
beim Ausgraben der «milden Gaben» und
nimmt sie gleich mit.
Wer keine Bekannten mit neu angelegtem
Garten hat, erinnert sich vielleicht an jemanden,
der einen grossen Garten hat und
bestimmt irgendwo ein Plätzchen für die
armen, überzähligen Pflänzchen findet.
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Wir gehören zur letzteren Kategorie der
Beschenkten. Oft werden uns Pflanzen angeboten,
die anderswo keinen Platz mehr
haben, einem Umbau weichen müssen oder
zu üppig wachsen. Da die Schwäche meines
Mannes, möglichst nichts (vor allem keine
Pflanzen) wegzuwerfen, im Freundeskreis
längst bekannt ist, wird mit Vorliebe er (wenn
möglich ohne mein Wissen!) gefragt, ob er
für diese Palme oder jene Wollmispel, die
zum Überwintern zu gross geworden sind,
nicht ein Herz habe. Ob wir nicht gern einen
Schneefelberich (Lysimachia clethroides)
haben möchten? Am Teichrand würde sicher
eine Gruppe des Kreuzkrautes (Ligularia przewalskii)
gut aussehen! |
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Labium Galeobdolon |
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Bei solchen Gelegenheiten macht es mir
immer weniger Mühe, mich einzumischen
und das grosszügige Geschenk abzulehnen, denn das Sprichwort «Aus Erfahrung wird
man klug» habe ich während unserer Gartenjahre
als allzu wahr kennen gelernt.
Wenn ich an all die «Geschenke» zurückdenke,
die den Weg zu uns fanden, habe
ich – neben positiven Gefühlen – negative
Erinnerungen:
Oft werden einem die Pflanzen angeboten,
die sich gut ausbreiten, sich leicht versamen,
Ausläufer treiben oder zum Verwildern
geeignet sind, von denen man wegen ihrer
Wuchsfreude bald zu viele hat. Diese nehmen
am neuen Platz schnell überhand, bedrängen
vielleicht schwächere Nachbarn und sind
nach kurzer Zeit wieder feil, denn wer möchte
beispielsweise einzig das sich üppig ausbreitende
Maiglöckchen (Convallaria majalis)
zwischen allen Gehölzen wachsen sehen? Ich
mag den Duft der weissen Glöckchen, aber
die Blätter sehen bereits im Sommer nicht
mehr attraktiv aus. Am selben Standort
machen sich die Waldmeister (Gallium odoratum)
breit, deren Blattschmuck ebenfalls relativ
früh unansehnlich wird. Gegen den Bärlauch
(Allium ursinum) habe ich jüngst den
Kampf aufgegeben. So viel Suppe, Pesto und
Salat kann auch eine Liebhaberin dieses Krautes
nicht verdauen! |
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Die Palme hingegen hat ein trauriges Ende
gefunden. Getreulich hat sie mein Mann Jahr
für Jahr im Herbst ins Gewächshaus gebracht,
obwohl ihr Topf immer grösser und schwerer
wurde. Dann aber wurde die Türe zu schmal
und das Gewächshaus zu niedrig. Der Herbst
war mild. Wir entschlossen uns, die Palme
auszupflanzen, ihr ein besonders gut drainiertes
Pflanzloch zu geben, damit sie im Winter
nicht im Wasser steht. Ein Platz im ehemaligen
Steingarten bot sich an, obwohl das
mediterrane Gewächs nirgends so richtig in
unsern Cottage-Garten passen wollte. Mit
viel Liebe und Kies wurde das Werk vollbracht. |
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Lysimachia Clethroides |
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Der Herbst war weiterhin mild, die Palme wuchs an. Im Winter dann musste sie
Schnee und Kälte ertragen, wir aber hofften,
dass sie überlebe. Tatsächlich, die Blätter blieben
grün; erst im April wurden sie gelb und
fielen ab! Im Juni aber trieb sie wieder aus!
Der langen Geschichte bitteres Ende folgte
erst zwei Jahre später. Im letzten Sommer
mussten wir einsehen, dass die Palme den
Winter nicht überlebt hatte.
Es gäbe noch viele Geschichten über Gartengeschenke
zu erzählen. Ich erinnere mich
an die Topinambur (Helianthus tuberosus),
die sich wild vermehrten, obwohl wir sie –
vermeintlich – alle geerntet und gegessen
hatten. Ein Alptraum sind die Goldnesseln
(Lamium galeobdolon ‹Florentinum›), mit
denen ich Jahr für Jahr kämpfe. Auch die
Kriechhimbeere (Rubus pentolabus), ein
Geschenk aus England, bewurzelt sich schneller,
als ich eingreifen kann. Mit Schmetterlingssträuchern
(Buddleja davidii) und
schwarzem Holunder (Sambucus nigra)
könnte ich das ganze Dorf beliefern. Den
unzähligen Sämlingen des Gewürzfenchels
(Foeninculum vulgare) machen glücklicherweise
die Schnecken (!) meistens den Garaus.
Da es im Sommer oft längere Zeit trocken ist,
breitet sich der Wiesenknöterich (Persicaria
bistorta) weniger als erwartet aus. Der
Straussgoldfelberich (Lysimachia thyrsiflora) hingegen übersteht Trockenperioden unbeschadet
und bildet unterirdische Ausläufer,
während wir den Fieberklee (Menyanthes trifoliata)
vor dem Zungenhahnenfuss (Ranunculus
lingua) in Schutz nehmen müssen. Die
himmelblau blühende Wallwurz (Symphytum
grandiflorum) könnte einen mit ihren starken
unterirdischen Ausläufern leicht verzweifeln
lassen, wäre sie nicht so attraktiv, dass sie
trotz der grossen Wuchskraft bleiben darf,
was mich manchmal meine fehlende Konsequenz
verdammen lässt. |
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Geschenke im Garten haben mich aber
noch etwas Weiteres gelehrt, das mich heute
manchmal verlockende Angebote ablehnen
lässt: Sie kommen selten allein! So habe ich
mit Lenzrosen (Helleborus x Hybridus) aus
einem verwaisten Garten die ersten Baumtropfen/Giersch (Aegopodium podagraria)
importiert. Mit den hübschen Weinbergtulpen
(Tulipa sylvestris) hat sich die knotige
Braunwurz (Scrophularia nodosa) eingeschlichen,
eine Staude, über die ich in der Fachliteratur
lese: «Diese wertvollste heimische
Art wächst gut in jedem normalen Gartenboden,
auch an trockeneren und dunkleren
Standorten. Kann sich in kleineren Gärten
stark ausbreiten.» (Jelitto, Schacht, Simon: Die Freilandschmuckstauden, Stuttgart 2002.
Band 2, Seite 840). |
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Tulipa Sylvestris |
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Als ob ich nicht schon genug Unkraut
hätte! – Oder wie obiges Beispiel zeigt, nicht
Unkraut, sondern wertvollste Arten, die aber
am falschen Ort wachsen und andere Pflanzen
bedrängen.
Nun werden Sie fragen, was ich denn selber
mit meinen überzähligen Pflanzen mache.
Selbstverständlich werfe ich diese nicht gern
auf den Kompost, denn ich freue mich, wenn
sie andernorts weiter wachsen. Allerdings
habe ich versucht, die Wucherer aus unserem
Garten zu verbannen, da sie mir zu arbeitsintensiv
sind. Wenn ich ihrer nicht Meister
werde und/oder sie trotz ihrer Ausbreitung
attraktiv finde, gebe ich sie höchstens auf
ausdrücklichen Wunsch weiter. So habe ich
beispielsweise nur nach langem Wenn und
Aber einige Ableger der Goldnessel verschenkt,
da ich weiss, wie es einem mit ihnen
ergehen kann. Habe ich aber beispielsweise
aus Samen gezogene Jungpflanzen der
Strauchpaeonien, der verschiedenen Helleborus
und der Distel ‹Miss Willmott’s Ghost›
(Eryngium giganteum) oder beim Jäten entdeckte
Storchenschnabel- oder Buxusjungpflanzen,
dann bringe ich sie mit Stolz in Töpfen
mit sterilisierter Erde in andere Gärten.
Wenn ich aber einmal mehr im Sommer
die Gehölze in der frei wachsenden Hecke
von den sie eng umschlingenden Trieben des
wintergrünen Geissblattes (Lonicera japonica
‹Halliana›) befreie und mir dabei schwöre,
diesen Schlinger nächstens zu vergiften, dann
bin ich sicher, dass ich alle Geschenke konsequent
ablehnen werde!
Übrigens: Haben Sie Lust auf ein Geschenk?
– Die eingangs erwähnte, immergrüne
Wollmispel (Eriobotrya japonica) braucht
einen neuen Platz, denn mit ihrer Höhe von
drei Metern wird sie im kommenden Herbst
nicht mehr in unser Gewächshaus passen! |
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* Cottage Garden, 8453 Alten |
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