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HEV 4/2007 Inhaltsverzeichnis
Unser Garten

     
  Pflanzen auf Wohnortsuche
* Gernot Grueber
 
     
  Mit Rucksack und Wanderstab?  
     
  Strauchveronika  
  Hebe ochracea, «James Stirling», neuseeländische Strauchveronika.  
     
  Stellen Sie sich vor, da ist eine ganze Gruppe von Pflanzen unterwegs mit Rucksack und Wanderstab, oder sie ist so modern, dass sie mit Walking-Tenue und -Stecken auf die Reise geht. Was an diesem Bild nicht stimmt, ist vor allem das Zeitmass. Pflanzen wandern auch, nur brauchen sie viel mehr Zeit, bis sie ihre neue Bleibe gefunden haben. Was auch nicht stimmt, ist, dass das «Individuum Pflanze » nur in wenigen Ausnahmefällen wandert: Nämlich jene Pflanzen, die sich mit Rhizomen oder Ausläufern auf die Reise machen. Beispiele sind Zaunwinden, Maiglöckchen, Buschwindröschen, Himbeeren, viele Gräser und Bambusse und Ausläufererdbeeren.
Was bestimmend ist für die «Endgültigkeit » ihrer Wohnsitznahme, ist der Anpassungsgrad an die standörtlichen Gegebenheiten. Je höher der Anpassungsgrad ist, je konkurrenzstärker folglich eine Pflanze am Ort ihrer Wohnsitznahme ist, umso eher wird sie die «Mitbewerber» um den gleichen Quadratmeter verdrängen können. Mit dem Ergebnis dieser «Völkerwanderung» befasst sich die Pflanzengesellschaftslehre, die Pflanzensoziologie.
 
      Halt, da ist noch was: Die «standörtlichen Gegebenheiten». Was ist damit gemeint? Hierher gehören die Sonnenscheindauer, die Luftbewegung, die Niederschläge in ihrer Menge und Verteilung im Jahresablauf, die Exposition Nord, Ost, Süd, West, die Höhe über dem Meer, die Bodenqualität. Es sind hunderte von Kombinationen dieser Faktoren möglich, die eine Art von Faktoren-Mix darstellen. Auf einem rohen Boden finden zunächst nur anspruchslose Pflanzen Halt und Heimat. Anspruchsvolle Pflanzen können dort noch nicht landen. Der Pflanzensoziologe spricht hier von einer Initialgesellschaft oder Pioniergesellschaft. Typische Pioniergesellschaften entstehen in einer Flussbeuge, wo das unterspülte Bachbord abrutscht und der rohe Untergrund freigelegt wird. Oder auch in einer Kiesgrube, wo sich zuerst wilde Weiden, Huflattich oder auch Weidenröschen ansiedeln. Je länger sich zwischen den Pflanzen fallende Blätter zu Humus entwickeln, umso geeigneter wird der Standort für Pflanzen, die eine bessere Humusversorgung brauchen. Sie werden nach und nach die Pionierpflanzen verdrängen, entwickeln mehr Grünmasse und setzen dank Humusbildung eine langsame Entwicklung in Gang,  
  Convo Loulus Cneorum und Rosmarin
Seidenbehaarung und Rollblätter,
Convo Loulus Cneorum und Rosmarin
   
       
  Thymus vulgaris, Küchenthymian
Thymus vulgaris, Küchenthymian
   
       
  die immer mehr Arten konkurrenzfähig macht. Damit wächst auch die Konkurrenz um den gleichen Quadratmeter, die Pflanzen wachsen stärker in die Höhe, die Schichtung der Vegetation wird immer reicher. Es bietet sich zuletzt die Möglichkeit, eine Kraut-, eine Sträucher- und eine Baumkronenschicht zu entwickeln.
Der Pflanzensoziologe nennt das Phänomen der Abfolge von sich ablösenden Pflanzenkleidern Sukzession und die Gesellschaften demgemäss Sukzessionsgesellschaften, Folgegesellschaften. Jene Gesellschaft, die ein ausbalanciertes Konkurrenzgleichgewicht unter den Arten und eine weit gehende Anpassung an die Standortbedingungen darstellt, nennen wir die Klimaxgesellschaft. Sie kann über Jahrzehnte nahezu unverändert gleich bleiben.
Jetzt höre ich Sie fragen: Was soll ich nun mit diesen wissenschaftlichen Erörterungen? Gibt es eine Nutzanwendung? Schliesslich habe ich einen Garten zu Hause, der anderen Gesetzen gehorchen muss. Muss er das?
Gute Gärtner wissen, dass es so etwas wie die Pflanzengesellschaftslehre gibt, und wissen dementsprechend auch, dass es so etwas wie standortgerechte Pflanzung gibt, dass nicht jeder Standort für jede Pflanze geeignet ist und, jetzt kommt noch ein weiterer Aspekt in unsere Diskussionsrunde, nämlich: Pflanzen, die unter gleichen Standortbedingungen stehen, haben immer auch gewisse Ähnlichkeiten in ihrem Erscheinungsbild.
 
  Jetzt rücken wir etwas ab von der Gesellschaftszugehörigkeit und erweitern diese auf das Erscheinungsbild der Pflanzen. Wir erhalten dann einen Mix von Pflanzen, die einer Gesellschaft angehören (z.B. der mediterranen Flora) und erweitern diese um Pflanzen, die ihrem Erscheinungsbild entspreche sich dieser Gruppe mehr oder weniger nahtlos zugesellen lassen (z.B. die neuseeländischen immergrünen Strauchveronikas, die Senecio greyi und Oearia hastii). Ein solcher Mix eignet sich für Standorte, die heiss und trocken sind, z.B. eine südorientierte Rabatte am Haus. Pampasgras ist zwar in seinem Erscheinungsbild keine anpassungsfreudige Pflanze, aber vom Standort her ist sie dort auch am richtigen Platz. In diesem Zusammenhang möchte ich auch noch den Scheinginster/ Chamaecytius, den Pfrieme und den Elfenbeinginster, den Färben- und Schwarzginster, die Bartblume, Caryopteris, die Kamünze/Elsholtzia und den Keuschstrauch/Vitex erwähnen. Ausdrücklich zitieren möchte ich auch alle die aromatisch durftenden Gewürze: Lavendel, Rosmarin, Thymia, Majoran, Estragon, Eberraute, Weinraute, alle niederen und hohen Wermutarten, Indianermelisse und die Strauchverbene (Verveine).      
    Artemisia pontica
Minimierte Blätter und Seidenbehaarung,
Artemisia pontica
 
       
  Wollaubige Pflanzen passen ihrem Aussehen und geringen Feuchtigkeitsbedarf entsprechend gut dazu. Besonders denke ich an den Wollziest, Stachys olpica. Auch die vielen Sonnenröschen, unter denen es einige graulaubige gibt, passen wundervoll dazu. Selbstverständlich sind auch alle Fetthennen, die aufrechten und die teppichartigen, in diesem Zusammenhang passend. Ein besonders zierendes Bijou ist die zu den Steinbrechgewächsen gehörende Lewisia cotyledon, die im zeitigen Frühjahr rosa, lachs, weiss und orange blüht. Nicht zu vergessen: Auch die Dachwurz mit ihren vielen Varianten passt in diese Gesellschaft.
Sollte der gewählte Standort zu feucht und der Boden zu wenig durchlässig sein, kann der Luftanteil im Boden durch Feinsplitt oder gebrochenen Leccaton erhöht werden.
Garten, das ist immer Versuch und Irrtum – oder «das einzig Beständige ist die Veränderung». Also auf zum nächsten erfolgreichen Versuch.
 
     
  * Grueber + Co. Pflanzenschulen, 8135 Langnau  
 
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