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HEV 6/2007 Inhaltsverzeichnis
Recht allgemein

     
  Die Fristwahrung
Teil 1: Allgemeine Grundsätze
* Marco Galli
 
     
  Die Einhaltung von Fristen bereitet oft Schwierigkeiten. Das gilt besonders im Mietrecht, da das Gesetz in diesem Bereich viele und verschiedenartige Fristen vorsieht. Es lohnt sich deshalb, einen Blick auf das Problem der Fristwahrung zu werfen. In diesem ersten Teil werden wir die allgemeinen Grundsätze der Fristwahrung erörtern, indem wir einige Grundsatzfragen beantworten. In einem zweiten Teil (in einer nächsten Ausgabe) werden wir die wichtigsten mietrechtlichen Fristen näher anschauen.  
     
  a) Die Fristberechnung
Wann beginnt eine Frist zu laufen?
Das fristauslösende Ereignis bestimmt den Ausgangspunkt der Fristberechnung, wobei der Tag, an welchem der Fristenlauf ausgelöst wird, nicht mitgerechnet wird (Art. 77 Abs. 1 OR). Dies erklärt sich dadurch, dass, obwohl die Frist sofort zu laufen beginnt, der erste Tag der Frist am Tag nach dem auslösenden Ereignis abläuft (z.B.: wenn wir heute eine eintägige Frist setzen, wird sie erst morgen ablaufen und deshalb gilt morgen als Tag «eins» in der Fristberechnung!). Ein guter Trick: Der Tag des fristauslösenden Ereignisses kann als Tag «null» mitgezählt werden.
 
     
  Was gilt für Willenserklärungen (z.B. Kündigungen und Mahnungen)?
Wo die Parteien für Willenserklärungen untereinander nichts anderes vereinbart haben, gilt für Beginn und Wahrung von Fristen die Empfangstheorie (auch Zugangstheorie genannt). Danach gilt eine empfangsbedürftige Erklärung erst als «empfangen», wenn sie in den Herrschafts-, Zugriffs- oder Machtbereich des Adressaten gelangt ist. Erst mit dem Empfang beginnt die Frist zu laufen.
Unmittelbare Erklärungen (z.B. Mitteilung am Telefon oder persönliche Übergabe eines Schreibens) gelten als sofort empfangen und die Frist beginnt im Zeitpunkt der Mitteilung bzw. der Übergabe zu laufen.
Für mittelbare Erklärungen gelten hingegen zwei Theorien. Nach der uneingeschränkten Empfangstheorie gilt eine empfangsbedürftige Willenserklärung bereits dann als zugegangen, wenn sie erstmals in den Machtbereich des Empfängers gelangt ist, d.h. wenn sie im Briefkasten oder Postfach des Adressaten liegt oder – im Falle des nicht persönlich übergebenen Einschreibens – sobald der Adressat das Schreiben mit der im Briefkasten vorgefundenen Abholungseinladung erstmals bei der Poststelle abholen kann. Diese Theorie kommt dann zur Anwendung, wenn der Absender mit seiner Willenserklärung eine Frist wahren muss (z.B. bei Kündigungen oder Ausübung von Optionen). In den übrigen Fällen (z.B. bei Mahnungen, Beginn von Zahlungsfristen oder von Anfechtungsfristen) gilt die eingeschränkte (oder relative) Empfangstheorie, wonach eine Erklärung erst in demjenigen Zeitpunkt als zugestellt gilt, in welchem sie der Empfänger auch tatsächlich bei der Poststelle abholt. Nur wenn er dies nicht tut, wird der Empfang fingiert, und zwar mit dem Ablauf der Abholfrist, welche regelmässig sieben Tage beträgt.
Die Zustellungsfiktionen gelten jedoch nicht, wenn der Absender weiss, dass der Vertragspartner ohne Verschulden die Post nicht abholen kann (z.B. im Fall eines unerwarteten Spitalaufenthaltes; nicht aber bei längeren Ferien, da in diesem Fall die Postleerung organisiert werden sollte).
 
     
  Was passiert, wenn das fristauslösende Ereignis auf einen Samstag, Sonntag oder einen allgemeinen Feiertag fällt?
Dies hat grundsätzlich keinen Einfluss auf den Fristenlauf: Die Frist beginnt ungeachtet dessen zu laufen. Ein Sonderfall ist jedoch die Übermittlung von Willenserklärungen unter Abwesenden (z.B. Kündigungen, Mahnungen): Nach dem gewöhnlichen Lauf der Dinge ist nicht damit zu rechnen, dass Briefkasten am Sonntag geleert werden, womit die Zustellung erst am darauf folgenden Werktag (in der Regel Montag) als erfolgt gilt.
 
     
  Kann der Verlauf einer mietrechtlichen Frist unterbrochen werden?
Das materielle Mietrecht kennt keine ruhenden oder zu unterbrechenden Fristen: Die Frist läuft auch während der Gerichtsferien weiter. Im Kanton Zürich gilt das auch für die richterlichen und Rechtsmittelfristen des mietrechtlichen Verfahrens (§ 140 GVG).
 
     
  Wie wird das Ende der Frist bestimmt?
Das Gesetz sieht in Art. 77 OR einige allgemeine Regeln zur Fristenberechnung vor. Es gilt insbesondere: Wenn die Frist nach Monaten bestimmt ist, fällt ihr Ende auf den denjenigen Tag des letzten Monates, der durch seine Zahl dem Tage des fristauslösenden Ereignisses entspricht, und, wenn dieser Tag in dem letzten Monat fehlt, auf den letzten Tag dieses Monates (Art. 77 Abs. 1 Ziff. 3 OR). Es ist ferner zu beachten, dass mit einer Frist von 30 Tagen das Gesetz genau 30 Tage
meint und nicht einen Monat.
 
     
  Was passiert, wenn das Ende der Frist auf einen Samstag, Sonntag oder einen allgemeinen Feiertag fällt?
Eine Frist läuft nicht an einem Samstag, Sonntag oder einem anderen Feiertag ab, sondern erst am darauf folgenden Werktag (Art. 78 OR, Bundesgesetz vom 21. Juni 1963 über den Fristenlauf an Samstagen und § 192 GVG).
 
     
  b) Die Fristwahrung
Wann ist eine Frist eingehalten?
Soll eine Handlung innerhalb einer bestimmten Frist geschehen (z.B. die Bezahlung des Mietzinses innerhalb einer Zahlungsfrist), so muss sie vor deren Ablauf erfolgen (Art. 77 Abs. 3 OR). Es gibt aber auch Handlungen, die ausserhalb der Frist erfolgen müssen. Bei diesen ist die Frist also gewährt, wenn die Handlung nach Ablauf der Frist bzw. vor Beginn der Frist erfolgt. Eine Nachzahlungsfrist bei Zahlungsverzug des Mieters muss somit vollständig abgelaufen sein, damit eine ausserordentliche Kündigung zulässig ist, und eine Kündigung muss vor Beginn der Kündigungsfrist erfolgen.
 
     
  Zu welcher Tageszeit hat die Handlung zu erfolgen?
Die Handlung hat während der gewöhnlichen Geschäftszeit zu erfolgen (Art. 79 OR), d.h. im Verkehr mit Geschäften bis Ladenschluss (etwa 17.00 Uhr) und im Verkehr mit Privaten etwa bis 21.00 Uhr. Zur Wahrung einer behördlichen Frist genügt es, wenn die entsprechende Eingabe vor 24.00 Uhr der Post übergeben wird.
 
     
  Ist der Poststempel massgebend?
Eingaben an Behörden und Gerichte gelten als rechtzeitig erfolgt, wenn sie am Tag des Fristablaufs eingereicht oder der schweizerischen Post übergeben worden sind. Die Parteien eines Mietverhältnisses können das «Datum des Poststempels» vereinbaren, dadurch dürfen jedoch keine gesetzlichen Minimalfristen unterschritten werden.
 
     
  Man hat eine Frist verpasst: Ist es jetzt endgültig zu spät?
Vor Ablauf der Frist und bei Vorliegen wichtiger Gründe besteht die Möglichkeit, behördlich oder richterlich angesetzte Fristen auf Gesuch hin erstrecken zu lassen; gesetzliche Fristen sind hingegen in der Regel nicht verlängerbar. Nach Ablauf der Frist besteht die Möglichkeit, eine unverschuldet verpasste gesetzliche oder richterliche Frist wiederherstellen zu lassen. Das gilt jedoch nicht für Verwirkungsfristen (z.B. Kündigungsfristen oder die Frist zur Kündigungsanfechtung): Sie können weder verlängert noch wiederhergestellt werden.
 
     
  Fazit: Aus Beweisgründen ist es empfehlenswert, sämtliche Erklärungen per Einschreiben zu schicken und stets eine gewisse Zeitreserve zu den Fristen einzurechnen, um schlimme Überraschungen zu vermeiden!  
     
  * lic. iur., HEV Zürich  
 
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