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Die Fristwahrung
Teil 2: Im Mietrecht
* Marco Galli |
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Die im ersten Teil behandelten Grundsätze der Fristwahrung
gelten auch im Mietrecht. Dieses kennt jedoch zudem viele und verschiedenartige
Fristen, die sich als Falle erweisen können. |
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a) Fristwahrung bei Kündigungen
Die Kündigung ist eine empfangsbedürftige
Willenserklärung, welche ihre
Wirkung erst entfaltet, wenn sie beim
Empfänger eingetroffen ist, das heisst,
wenn sie in den Machtbereich der empfangenden
Person übergegangen ist. Erfolgt
die Kündigung per Bote oder per gewöhnliche
Post, gilt sie als zugestellt,
wenn zu erwarten ist, dass die empfangende
Person den Briefkasten oder das
Postfach leert (ausschlaggebend ist die
Zugriffsmöglichkeit; auf die tatsächliche
Kenntnisnahme kommt es nicht an).
Erfolgt sie per eingeschriebenen Brief –
was aus Beweisgründen sehr zu empfehlen
ist –, gilt: Wenn das Schreiben nicht
persönlich übergeben werden kann (in diesem
Fall wäre die persönliche Übergabe
massgebend), gilt die Kündigung am Folgetag
der Abholungseinladung («gelber
Zettel») als zugestellt – ausser wenn der
Empfänger aufgrund Krankheit, Abwesenheit
usw. verhindert war, die Sendung
abzuholen. Wäre es nicht so, könnte die
gekündigte Partei mit Nichteinholung der
Sendung die Verspätung der Kündigung
bewirken.
Die Parteien können zwar vereinbaren,
dass das «Datum des Poststempels» massgebend
sein soll. Dadurch dürfen jedoch
keine gesetzlichen Minimalfristen unterschritten
werden: eine solche Vereinbarung
wäre deshalb in Bezug auf eine Mietwohnung
mit einer Kündigungsfrist von
drei Monaten unzulässig.
Die Kündigung ist verspätet, wenn im
Zustellungszeitpunkt die Kündigungsfrist
(die gesetzlichen Kündigungsfristen sind
teilzwingend, das heisst, sie können vertraglich
verlängert, aber nicht verkürzt
werden) bereits zu laufen begonnen hat:
fällt der letzte Tag vor Beginn der Kündigungsfrist
auf einen Sonntag oder einen
Feiertag, muss die Kündigung am Vortag
eingehen, um rechtzeitig zu sein. Wird
eine Kündigungsfrist oder ein Kündigungstermin
nicht eingehalten, so gilt die Kündigung
auf den nächstmöglichen Kündigungstermin
(Art. 266a Abs. 2 OR).
Die Kündigungsfrist einer Wohnung
läuft am letzten Tag des Monats ungeachtet
dessen ab, ob es sich um einen Werkoder
einen Feiertag handelt. In diesem Fall
wird die Frist nicht verlängert; einzig die
Rückgabepflicht des Mieters verschiebt
sich auf den nächsten Werktag. |
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b) Fristwahrung bei Mahnungen
und Zahlungsfristen
Mahnungen und Zahlungsfristen gelten
im Allgemeinen erst in demjenigen Zeitpunkt
als zugestellt, in welchem sie der
Empfänger auch tatsächlich bei der Poststelle
abholt. Nur wenn er dies nicht tut,
wird der Empfang fingiert, und zwar mit dem Ablauf der Abholfrist der Post, welche
regelmässig sieben Tage beträgt.
Besonders wichtig sind diese Fristenregelungen
im Falle des Zahlungsverzugs des
Mieters. Bezahlt der Mieter den Mietzins
nicht, steht dem Vermieter gemäss Art.
257d OR eine ausserordentliche Kündigungsmöglichkeit
zur Verfügung. Bevor
der Vermieter kündigen darf, hat er jedoch
dem Mieter eine Zahlungsfrist anzusetzen,
die bei der Miete von Geschäfts- und
Wohnräumen mindestens 30 Tage zu
betragen hat. Erst wenn der Mieter innerhalb
dieser Frist wieder nicht bezahlt, ist
eine Kündigung mit Frist von 30 Tagen auf
Ende eines Monats zulässig. Die dreissigtägige
Zahlungsfrist beginnt mit dem
tatsächlichen Abholen oder, im Falle der
Nichtabholung, mit dem Ablauf der siebentägigen
Abholfrist zu laufen (aus
Beweisgründen empfiehlt es sich deshalb,
die Fristansetzung eingeschrieben mit
Rückschein zu versenden). Weil Geldschulden
Bringschulden sind, muss die rückständige
Zahlung spätestens am letzten Tag
der Frist bei der Vermieterschaft eingehen
(bei Postanweisung oder Bankauftrag auf
dem Konto der Vermieterschaft gutgeschrieben
sein). Bezeichnet die Vermieterschaft
allerdings selber die Post als Zahlstelle,
indem sie der Mieterschaft für die
Bezahlung des Rückstandes einen Posteinzahlungsschein
zustellt, dann genügt es
zur Wahrung der Zahlungsfrist, wenn die
Mieterschaft vor Ablauf der Zahlungsfrist
die Einzahlung am Bank- oder Postschalter
vornimmt. |
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c) Fristwahrung bei einseitigen Vertragsänderungen
durch den Vermieter
Mietzinserhöhungen und andere einseitige
Vertragsänderungen auf den nächstmöglichen
Kündigungstermin müssen dem
Mieter auf amtlichem Formular mindestens
10 Tage vor Beginn der Kündigungsfrist
mitgeteilt werden (Art. 269d Abs. 1
und 3 OR). Diese zehntägige Bedenkfrist
soll dem Mieter die Möglichkeit geben,
sich zu entscheiden, ob er das Mietverhältnis
kündigen will. Da diese Frist kurz
bemessen ist und die Tragweite des Entscheides
erheblich, hat das Bundesgericht
entschieden, dass in diesem Fall die
tatsächliche Zustellung oder die siebentägige
Abholfrist gelten soll (massgebend ist
also die eingeschränkte Empfangstheorie).
Aus Sicht der Vermieterschaft ist es deshalb
sehr empfehlenswert, diese Bedenkfrist
grösszügig mit einzubeziehen und die
Ankündigung spätestens am 10. des dem
Beginn der Kündigungsfrist vorausgehenden
Monats zu versenden. Mit der Zustellung
(tatsächliche oder fiktive) beginnt
auch die dreissigtägige Anfechtungsfrist
des Mieters (Art. 270b OR). Diese Frist ist
eingehalten, wenn der Poststempel des
Begehrens des Mieters innerhalb der Frist
liegt. |
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Fazit:
Da der massgebende Zeitpunkt für die
Beurteilung der Fristeinhaltung in der
Regel der Zugang der Willenserklärungen
ist, lohnt es sich, die Willenserklärungen
genug frühzeitig zu verschicken.
Die erklärende Person trägt
ferner die Beweislast des Zeitpunktes
des Empfanges, weshalb sie gut beraten
sein wird, die Erklärung per eingeschriebenen
Brief zu schicken. Wird
eine Zustellung nicht abgeholt, ist es zu
empfehlen, das zurückgeschickte Couvert
für einen eventuellen Streitfall verschlossen
aufzubewahren! |
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* lic. iur., HEV Zürich |
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