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HEV 8/2007 Inhaltsverzeichnis
Baurecht

     
  Der Abbruchbefehl als bauliche Sanktion
* Marco Galli
 
     
  Zur Wiederherstellung des rechtmässigen baurechtlichen Zustandes kann die zuständige Behörde den Abbruch einer rechtswidrigen Baute verfügen. Der Abbruchbefehl stellt jedoch einen schwer wiegenden Eingriff in das Eigentum dar und kann deshalb nicht zu leichtfertig angeordnet werden, sondern nur dann, wenn ein öffentliches Interesse besteht und das Verhältnismässigkeitsprinzip gewährt wird. Wir werden im Folgenden näher anschauen, wann ein Abbruchbefehl in Frage kommen kann.  
     
  Der Abbruchbefehl dient dazu, widerrechtlich vorgenommene bauliche Vorkehrungen rückgängig zu machen. Dessen rechtliche Grundlage befindet sich in § 341 des Planungs- und Baugesetzes des Kantons Zürich (PBG). Bei der Beurteilung, ob ein Abbruchbefehl zulässig ist, ist zwischen den Interessen an der Rechtsdurchsetzung und an der Beibehaltung des bestehenden Zustands abzuwägen, wobei das Interesse an der richtigen Durchführung des objektiven Rechts grundsätzlich schwer wiegt und die eventuelle Bösgläubigkeit des Bauherrn mitberücksichtigt wird. Mit anderen Worten ist ein Abbruchbefehl nur dann zulässig, wenn er im öffentlichen Interesse liegt und verhältnismässig ist. Dabei kann man unter verschiedenen Konstellationen unterscheiden, die im Folgenden näher erörtert werden.  
     
  1. Formell widerrechtliche, aber materiell rechtmässige Baute
Die bewilligungspflichtige Baute wird ohne Baubewilligung oder in Abweichung von einer erteilten Baubewilligung erstellt, verletzt aber keine nutzungsplanerische Festlegung und keine Rechtsnorm. In solchen Fällen wäre ein Abbruchbefehl völlig unverhältnismässig, da der Mangel einzig die formelle Voraussetzung der Durchführung eines Bewilligungsverfahrens betrifft. Um den rechtmässigen Zustand herbeizuführen, wird daher ein nachträgliches Bewilligungsverfahren durchgeführt (deshalb hat die Behörde, bevor ein Abbruchbefehl angeordnet wird, immer zu prüfen, ob eine Baubewilligung erteilt werden kann). Unabhängig davon hat aber eine Bestrafung wegen Verletzung der Pflicht zum Einholen der Baubewilligung (§§ 309 ff. PBG) zu erfolgen.
 
     
  2. Formell rechtmässige, aber materiell rechtswidrige Baute
Wenn die Baubewilligung zu Unrecht erteilt wird, kommt der Widerruf der Baubewilligung in Frage, der dann Voraussetzung des Abbruchbefehls ist. Der Widerruf bleibt jedoch die Ausnahme, da die Baubewilligung bereits aufgrund eines eingehenden behördlichen Ermittlungsverfahrens erteilt worden ist und deshalb der Bauherr davon ausgehen darf, dass sie rechtmässig ist. Nach Bauvollendung ist darüber hinaus eine Baubewilligung grundsätzlich unwiderrufbar, es sei denn, der Bauherr habe die Bewilligung durch Täuschung der Behörden erlangt oder es würden wichtige öffentliche Interessen (z.B. schwer wiegende Gefährdung der öffentlichen Sicherheit) für einen Widerruf vorliegen. In den Ausnahmenfällen, in welchen die Baubewilligung widerrufen werden kann, hat der Bauherr in der Regel Anspruch auf eine Entschädigung.
 
     
  3. Formell und materiell rechtswidrige Baute
Die bewilligungspflichtige Baute wird ohne Baubewilligung oder in Abweichung von einer erteilten Baubewilligung erstellt und hätte unter Zugrundelegung der massgebenden nutzungsplanerischen Festlegungen und Rechtsnormen nicht bewilligt werden dürfen. Ob in solchen Fällen ein Abbruchbefehl zulässig ist, bestimmt sich nach dem Verhältnismässigkeitsprinzip und dem Grundsatz des Vertrauensschutzes.
Der Abbruch hat zu unterbleiben, wenn die Abweichung vom Erlaubten nur unbedeutend ist oder der Abbruch nicht im öffentlichen Interesse liegt. Der Verzicht auf einen Abbruch kommt deshalb nur in Betracht, wenn die Baurechtsverletzung geringfügig ist, sei es, weil das Mass der Abweichung klein ist, sei es, weil unter den gegebenen Umständen nur ein geringes öffentliches Interesse an der Einhaltung der Bauvorschriften besteht. In solchen Fällen kommt eine Ausnahmebewilligung in Frage und, wenn diese nicht möglich ist, die Einziehung unrechtmässiger Vermögensvorteile. In jedem Fall ist eine Busse wegen Verletzung der Pflicht zum Einholen der Baubewilligung (§§ 309 ff. PBG) auszusprechen.
Bei grösseren Abweichungen ist hingegen der Abbruch zu verfügen, ohne dass noch eine besondere Abwägung mit allenfalls auf dem Spiele stehenden privaten Interessen zu erfolgen brauchte, da in solchen Fällen die Wiederherstellung des rechtmässigen Zustandes durch einen Abbruchbefehl regelmässig im öffentlichen Interesse liegt und eine Ausnahmebewilligung nicht in Frage kommt. Ausnahmen sind jedoch aufgrund des Vertrauensschutzes oder wegen Verwirkung der Abbruchbefugnis durch Zeitablauf möglich. Bei Vorliegen berechtigten Vertrauens in die Zulässigkeit des Bauens ist von der Anordnung des Abbruchs abzusehen, wenn nicht schwer wiegende öffentliche Interessen entgegenstehen. Berechtigtes Vertrauen kann sich namentlich aus einer falschen behördlichen Auskunft oder aus der Duldung eines rechtswidrigen Zustands durch die Behörde ergeben. Vorausgesetzt wird jedoch, dass der Bauherr die zumutbare Sorgfalt aufgewendet und bei Zweifeln bei der Behörde rückgefragt hat. Die Duldung eines baurechtswidrigen Zustandes durch die zuständige Behörde vermag ausserdem einen Vertrauenstatbestand nur dann zu begründen, wenn sie die widerrechtlichen Bauarbeiten in voller Kenntnis duldet und hinterher den Abbruch verfügt. Solange die Behörde jedoch bloss untätig geblieben ist, erscheint grosse Zurückhaltung bei der Deutung der Untätigkeit als behördliche Duldung geboten.
Das Bundesgericht hat schliesslich in analoger Anwendung der Bestimmungen über die Ersitzung entschieden, dass die Abbruchbefugnis nach 30 Jahren verwirkt, ausser wenn der Fortbestand eines baurechtswidrigen Gebäudes eine ernsthafte und unmittelbare Gefahr für Leib und Leben der Bewohner oder der Passanten schafft (BGE 107 Ia 121 ff.).
 
     
  4. Vollzug des Abbruchbefehls
Bricht ein Bauherr eine rechtswidrig erstellte Baute nach Anordnung des Abbruchs innert Frist nicht ab, beauftragt die Baubehörde einen Bauunternehmer auf Kosten des Bauherrn mit dem Abbruch des Gebäudes (Drittvornahme). Der Ersatzvornahme hat in der Regel eine Zwangsandrohung mit Fristansetzung voranzugehen. Für die Kosten von Vollstreckungsmassnahmen haben die Gemeinden einen gesetzlichen Anspruch auf Errichtung eines Grundpfandes (§ 197 lit. c EG ZGB).
 
     
  * lic. iur., HEV Zürich  
 
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