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Der Abbruchbefehl als bauliche Sanktion
* Marco Galli |
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Zur Wiederherstellung des rechtmässigen baurechtlichen Zustandes
kann die zuständige Behörde den Abbruch einer rechtswidrigen Baute
verfügen. Der Abbruchbefehl stellt jedoch einen schwer wiegenden Eingriff
in das Eigentum dar und kann deshalb nicht zu leichtfertig angeordnet
werden, sondern nur dann, wenn ein öffentliches Interesse besteht und
das Verhältnismässigkeitsprinzip gewährt wird. Wir werden im Folgenden
näher anschauen, wann ein Abbruchbefehl in Frage kommen kann. |
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Der Abbruchbefehl dient dazu, widerrechtlich
vorgenommene bauliche Vorkehrungen
rückgängig zu machen. Dessen rechtliche
Grundlage befindet sich in § 341 des Planungs-
und Baugesetzes des Kantons Zürich
(PBG). Bei der Beurteilung, ob ein Abbruchbefehl
zulässig ist, ist zwischen den Interessen an
der Rechtsdurchsetzung und an der Beibehaltung
des bestehenden Zustands abzuwägen,
wobei das Interesse an der richtigen Durchführung
des objektiven Rechts grundsätzlich
schwer wiegt und die eventuelle Bösgläubigkeit
des Bauherrn mitberücksichtigt wird. Mit
anderen Worten ist ein Abbruchbefehl nur
dann zulässig, wenn er im öffentlichen Interesse
liegt und verhältnismässig ist. Dabei
kann man unter verschiedenen Konstellationen
unterscheiden, die im Folgenden näher
erörtert werden. |
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1. Formell widerrechtliche, aber materiell
rechtmässige Baute
Die bewilligungspflichtige Baute wird ohne
Baubewilligung oder in Abweichung von einer
erteilten Baubewilligung erstellt, verletzt aber
keine nutzungsplanerische Festlegung und
keine Rechtsnorm. In solchen Fällen wäre ein
Abbruchbefehl völlig unverhältnismässig, da
der Mangel einzig die formelle Voraussetzung
der Durchführung eines Bewilligungsverfahrens
betrifft. Um den rechtmässigen Zustand
herbeizuführen, wird daher ein nachträgliches
Bewilligungsverfahren durchgeführt (deshalb
hat die Behörde, bevor ein Abbruchbefehl
angeordnet wird, immer zu prüfen, ob eine
Baubewilligung erteilt werden kann). Unabhängig
davon hat aber eine Bestrafung wegen
Verletzung der Pflicht zum Einholen der Baubewilligung
(§§ 309 ff. PBG) zu erfolgen. |
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2. Formell rechtmässige, aber materiell
rechtswidrige Baute
Wenn die Baubewilligung zu Unrecht erteilt
wird, kommt der Widerruf der Baubewilligung
in Frage, der dann Voraussetzung des
Abbruchbefehls ist. Der Widerruf bleibt jedoch
die Ausnahme, da die Baubewilligung
bereits aufgrund eines eingehenden behördlichen
Ermittlungsverfahrens erteilt worden ist
und deshalb der Bauherr davon ausgehen
darf, dass sie rechtmässig ist. Nach Bauvollendung
ist darüber hinaus eine Baubewilligung
grundsätzlich unwiderrufbar, es sei denn, der
Bauherr habe die Bewilligung durch Täuschung
der Behörden erlangt oder es würden
wichtige öffentliche Interessen (z.B. schwer
wiegende Gefährdung der öffentlichen Sicherheit)
für einen Widerruf vorliegen. In den
Ausnahmenfällen, in welchen die Baubewilligung
widerrufen werden kann, hat der Bauherr in der Regel Anspruch auf eine Entschädigung. |
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3. Formell und materiell rechtswidrige Baute
Die bewilligungspflichtige Baute wird ohne
Baubewilligung oder in Abweichung von einer
erteilten Baubewilligung erstellt und hätte
unter Zugrundelegung der massgebenden
nutzungsplanerischen Festlegungen und
Rechtsnormen nicht bewilligt werden dürfen.
Ob in solchen Fällen ein Abbruchbefehl zulässig
ist, bestimmt sich nach dem Verhältnismässigkeitsprinzip
und dem Grundsatz des
Vertrauensschutzes.
Der Abbruch hat zu unterbleiben, wenn
die Abweichung vom Erlaubten nur unbedeutend
ist oder der Abbruch nicht im öffentlichen
Interesse liegt. Der Verzicht auf einen
Abbruch kommt deshalb nur in Betracht,
wenn die Baurechtsverletzung geringfügig ist, sei es, weil das Mass der Abweichung klein
ist, sei es, weil unter den gegebenen Umständen
nur ein geringes öffentliches Interesse an
der Einhaltung der Bauvorschriften besteht. In
solchen Fällen kommt eine Ausnahmebewilligung
in Frage und, wenn diese nicht möglich
ist, die Einziehung unrechtmässiger Vermögensvorteile.
In jedem Fall ist eine Busse
wegen Verletzung der Pflicht zum Einholen
der Baubewilligung (§§ 309 ff. PBG) auszusprechen.
Bei grösseren Abweichungen ist hingegen
der Abbruch zu verfügen, ohne dass noch
eine besondere Abwägung mit allenfalls auf
dem Spiele stehenden privaten Interessen zu
erfolgen brauchte, da in solchen Fällen die
Wiederherstellung des rechtmässigen Zustandes
durch einen Abbruchbefehl regelmässig
im öffentlichen Interesse liegt und eine Ausnahmebewilligung
nicht in Frage kommt.
Ausnahmen sind jedoch aufgrund des Vertrauensschutzes
oder wegen Verwirkung der
Abbruchbefugnis durch Zeitablauf möglich.
Bei Vorliegen berechtigten Vertrauens in
die Zulässigkeit des Bauens ist von der Anordnung
des Abbruchs abzusehen, wenn nicht
schwer wiegende öffentliche Interessen entgegenstehen.
Berechtigtes Vertrauen kann
sich namentlich aus einer falschen behördlichen
Auskunft oder aus der Duldung eines
rechtswidrigen Zustands durch die Behörde
ergeben. Vorausgesetzt wird jedoch, dass der
Bauherr die zumutbare Sorgfalt aufgewendet
und bei Zweifeln bei der Behörde rückgefragt
hat. Die Duldung eines baurechtswidrigen
Zustandes durch die zuständige Behörde vermag
ausserdem einen Vertrauenstatbestand
nur dann zu begründen, wenn sie die widerrechtlichen
Bauarbeiten in voller Kenntnis duldet
und hinterher den Abbruch verfügt.
Solange die Behörde jedoch bloss untätig
geblieben ist, erscheint grosse Zurückhaltung
bei der Deutung der Untätigkeit als behördliche
Duldung geboten.
Das Bundesgericht hat schliesslich in analoger
Anwendung der Bestimmungen über die
Ersitzung entschieden, dass die Abbruchbefugnis
nach 30 Jahren verwirkt, ausser wenn
der Fortbestand eines baurechtswidrigen
Gebäudes eine ernsthafte und unmittelbare
Gefahr für Leib und Leben der Bewohner oder
der Passanten schafft (BGE 107 Ia 121 ff.). |
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4. Vollzug des Abbruchbefehls
Bricht ein Bauherr eine rechtswidrig erstellte
Baute nach Anordnung des Abbruchs
innert Frist nicht ab, beauftragt die Baubehörde
einen Bauunternehmer auf Kosten des
Bauherrn mit dem Abbruch des Gebäudes
(Drittvornahme). Der Ersatzvornahme hat in
der Regel eine Zwangsandrohung mit Fristansetzung
voranzugehen. Für die Kosten von
Vollstreckungsmassnahmen haben die Gemeinden
einen gesetzlichen Anspruch auf
Errichtung eines Grundpfandes (§ 197 lit. c EG
ZGB). |
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* lic. iur., HEV Zürich |
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