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Usanzen verändern sich
Ab wie viel Grad Celsius ist nun aber
ein Wohnraum infolge zu niedriger Temperatur
mangelhaft im Sinne des Gesetzes? In
der Schweiz haben sich immer wieder
Gerichte mit der Temperaturfrage befassen
müssen. Nachfolgend kurz zusammengefasste
Rechtsprechung zeigt auf fast schon
erheiternde Weise, wie sich die Bedürfnisse
der Mieterinnen und Mieter im Laufe der
Jahrzehnte geändert haben. In BGE 42 II
349 (aus dem Jahr 1916) sah das Bundesgericht
eine Temperatur von 15°C als ausreichend
an, während einiges später zum Beispiel
vom Bezirksgericht Zürich im Jahre
1935 eine Temperatur von 18°C als angemessen
betrachtet wurde. Auch im Kanton
Neuenburg wurden 18°C als Limite angesehen,
bis 1988 das Genfer Kantonsgericht
in einem Entscheid eine Raumtemperatur
von 17°C bis 18°C erstmals als mangelhaft
bezeichnete und in der Folge einen
Anspruch auf Mietzinsreduktion bejahte.
Beispielhaft erachtete das Tessiner Kantonsgericht
1995 bei einer Temperatur von 16°C
eine Mietzinsherabsetzung von 20% als
angemessen. |
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20°C bis 21°C
Allgemeingültige Usanzen, wie warm es
heute in einer Wohnung sein muss, haben
sich in der Folge entwickelt. Andere Lebensgewohnheiten
des modernen Menschen
geben den Pegel an. So ist eine Durchschnittstemperatur
von 20°C bis 21°C zwischen
7.00 und 23.00 Uhr angebracht, denn der
«Durchschnittsbürger» pflegt in der Regel
die Nachtruhe zwischen 23.00 und 7.00 Uhr.
Diese Mindesttemperatur gilt auch für
Badezimmer, was nicht nur den Lebensgewohnheiten
entspricht, sondern ebenfalls
der Vermeidung von Feuchtigkeitsschäden
dient. Angemessene Temperaturen machen
also aus dieser Sicht auch für den Vermieter
durchaus Sinn. Allerdings ist auch unbestritten,
dass in den Nachtstunden auch tiefere
Temperaturen herrschen dürfen, insbesondere
lassen sich dadurch auch Heizkosten
einsparen. Trotzdem darf die Temperatur
auch in der Nacht nicht unter 15°C absinken, und die Heizung darf keinesfalls ganz
abgestellt werden, zumal dies auch ein energetischer
Unsinn wäre, da die Aufwärmzeit
ein Vielfaches an Energie verbrauchen
würde. |
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Flexibilität
In der Regel sollte geheizt werden, wenn
die Aussentemperatur unter 14°C sinkt.
Theoretisch wäre so die reguläre Heizperiode
normalerweise von Mitte September bis
Mitte Mai. Bei den heutigen hierzulande
vorherrschenden klimatischen Verhältnissen
ist aber etwas mehr Flexibilität gefragt, da
gelegentlich im Sommer winterliche Temperaturen
herrschen und umgekehrt. So ist
denn gegebenenfalls auch ausserhalb der
Heizperiode zu heizen, damit die Räumlichkeiten
in einem mangelfreien Heizzustand
sind.
Flexibilität und Fingerspitzengefühl sind
insbesondere während solchen Zeiten auch
gefragt, wenn verschiedene Mietparteien
ganz verschiedene Lebensgewohnheiten
und Bedürfnisse haben, haben doch beispielsweise
Nachtmenschen und Frühaufsteher
nicht die gleichen «Regelnachtruhezeiten». So darf – auch bei gesteigerten
Ansprüchen betreffend Wärmekomfort
– erwartet werden, dass allfällige subjektive
Temperaturempfindungen der Mieter durchaus
mit Unterstützung von warmen Pullovern
und/oder Pantoffeln temporär abgefedert
werden. |
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