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Topiary oder von
schrägen Vögeln im Garten
* Barbara Scalabrin-Laube |
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War es in der Renaissance in Europa noch üblich, den Gehölzen mit
der Schere eine kunstvolle Form zu geben, wurde diese Kunst, die Ars
Topiaria, in der Epoche der Landschaftsgärten verächtlich als Baumverschnitt
oder Baumstutzerei bezeichnet. Viele der kunstvoll geschnittenen
Figuren wurden in der Folge ausgerissen und weggeworfen. |
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Wer heute durch ein Gartencenter geht,
weiss, dass der Formschnitt (Topiary) wieder
beliebt ist. Buchskugeln in allen Grössen,
Spiralen, Kegel, Bären, Vögel und vieles
mehr werden (meist aus Buchs oder
Heckenkirsche) angeboten und in unsere
Gärten gepflanzt.
Den ersten geschnittenen Figuren
begegnete ich in England. In East Lambrook
Manor, einem Garten in Somerset,
waren es die von Margery Fish liebevoll
«Puddings» genannten, eierförmig geschnittenen
Scheinzypressen (Chamaecyparis
lawsoniana «Fletchen»), die mir die
Augen für Topiary im Garten öffneten.
Nach dieser ersten bewussten Begegnung
achtete ich auf geschnittene Hecken, auf
einzelne Figuren, ganze Szenerien und
freute mich an den teilweise witzigen
Kunstwerken. |
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Da ich Kontraste mag, gern schmunzle
und auch Kitsch nicht abgeneigt bin,
begann ich in unserem Garten mit in
Form geschnittenen und frei wachsenden
Gehölzen zu arbeiten. Als Sammlerin von
verschiedenen Buchsarten und -sorten konzentrierte ich mich vorerst auf Topiary
aus Buchs. Unsere «Puddings» oder Eier
erinnern mich an East Lambrook, ein Eichhörnchen
begrüsst unsere Gäste, Kugeln
rollen den Hang hinunter, Vögel stehen
zwischen geschnittenen Hecken, Spiralen
wachsen in Töpfen. Buchsbäume formen
die Felder einer schachbrettähnlichen Rabatte,
unseres Borders. Dazwischen wachsen
Stauden und Laub abwerfende Blütengehölze,
die im Sommer die künstlichen
Figuren in den Hintergrund drängen. Wird
es aber Winter, rücken die Topiarys in den
Mittelpunkt und werden zu wichtigen Elementen
im kahlen Garten. Alles wird ruhig,
streng und straff. Nur die wenigen Tiere
wirken verspielt.
Auf der Suche nach andern Grüntönen
wählte ich das dunkle Grün der Eibe (Taxus
baccata). Eine in Form geschnittene Hecke
bildet den idealen Hintergrund für unser
Border. «Ordnung und Fülle», eines der
Prinzipien der Engländerin Gertrude Jekyll,
wird dadurch auf einfache Art und Weise
erfüllt. Die strengen geometrischen Hecken
nämlich geben der überbordenden Staudenpracht
in der Vegetationszeit einen Rahmen,
der manchmal fast gesprengt wird. |
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Im Eingangsbereich wollten wir den Garten
nicht allzu direkt präsentieren und versteckten
ihn hinter einer Hainbuchenhecke
(Carpinus betulus). Hainbuchenhecken verbergen
zudem unser Auto auf dem Parkplatz.
Dass ich im Garten nicht nur einen Vogel
habe, ist seit letztem Winter längst kein
Geheimnis mehr. Ein Vogel war auch die
erste Figur, die ich selber kreierte, nachdem
ein Gast bemerkt hatte, mir fehle bloss noch
ein schräger Vogel! Beim nächsten Besuch in
der Gärtnerei suchte ich einen geeigneten
Buchsbaum. Zwei Haupttriebe sollte er
haben, einen für den Kopf und einen für
den Leib und den Schwanz. Jahr für Jahr
näherte ich mich mit der Schere meiner Vorstellung
meines schrägen Vogels, der
anfänglich eher wie ein jämmerlich zerschnittenes
Herz aussah. Allmählich aber
zeigten sich die gewünschten Formen und
unsere Gäste erkannten den Formschnitt als
Vogel. Nach etwa sechs Jahren war es so
weit: Der schräge Vogel war geboren, nur
war er nicht auffallend schräg!
Sicher werden Sie sich fragen, wann der
ideale Zeitpunkt zum Schneiden sei. Ich selber
gehe von der Beobachtung des Austriebs aus. Deshalb schneide ich die Buchsbäume
– wenn möglich – nach der kalten
Sophie, also etwa Ende Mai. Dann sind die
neuen Triebe entwickelt, aber noch weich,
und ich kann ohne grosse Anstrengung auf
die gewünschte Form zurückschneiden.
Allerdings besteht bei heissem Wetter die
Gefahr, dass die Gehölze einen Sonnenbrand
einfangen. Um dies zu vermeiden,
schneide ich gern, wenn der Wetterbericht
für die Tage nach dem Schnitt schlecht ist.
Sollte es trotzdem heiss werden, könnte
man die Pflanzen schattieren, ein Unterfangen,
das sich in unserem Garten nicht leicht
bewerkstelligen lässt. Ebenfalls im späten
Frühjahr schneiden wir die Hainbuchen, die
allerdings im August oder September einen
zweiten Schnitt verlangen, da sie von grosser
Wuchskraft sind. Mit dem Schnitt der
Eibenhecke warten wir meistens bis im September.
Andreas Anderegg von der auf
Formgehölze spezialisierten Baumschule
Anderegg in Langenthal stellte die Regel
auf, dass Eibe und Buchs grundsätzlich
während des ganzen Jahres geschnitten
werden können ausser in den
Monaten Juli und August, wenn die
Gefahr eines Sonnenbrandes zu gross
ist. Ich selber finde einen Schnitt in
den Wintermonaten, also kurz vor dem
erneuten Wachstumsschub, überflüssig,
da ich dann schon bald wieder schneiden
müsste. Hingegen schneide ich meine
Buchsbäume, wenn ich den idealen
Zeitpunkt Ende Mai verpasst habe,
oft erst im September. Sie treiben
dann nochmals ein wenig nach und
gehen in schönem Kleid in den
Winter. |
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Wichtiger als der richtige
Zeitpunkt für den Schnitt scheint
mir die Frage nach dem Werkzeug
zu sein, das vor allem gut geschliffen sein muss. Je nach Grösse des
Gehölzes verwenden wir die elektrische
Heckenschere, die Handheckenschere, die
kleine Heckenschere mit Akkubetrieb und
manchmal die Rasenkantenschere. Neben
dem guten Schliff des Werkzeugs ist eine
Desinfektion der Schnittflächen nach dem
Schneiden jeder Pflanze wichtig, damit
keine Pilze (ein neues Problem bei Buxus)
übertragen werden.
Das jährliche Schneiden der Formgehölze
ist für die Pflanze ein auch im wahrsten
Sinne des Wortes einschneidender Eingriff.
Deshalb ist es äusserst wichtig, dass diese
Gehölze – genauso wie die frei wachsenden
– ihren Standortansprüchen entsprechend
gepflanzt und gepflegt werden. Buxus und Taxus können an sonnigen, aber
auch an schattigen Plätzen wachsen, Carpinus
hingegen bevorzugt Sonne bis Halbschatten.
Alle müssen im Frühjahr mit Dünger
versorgt werden und brauchen – vor
allem in Töpfen – Wasser. Da die drei
erwähnten Gehölze winterhart sind, werden
sie gern in Kübeln draussen überwintert,
eigentlich kein Problem, wenn sie
nicht vertrocknen. |
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Drahtgestelle gibt es
in vielen Formen und
Grössen. |
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Vor allem nach Frostphasen
ist die Erde ausgetrocknet.
Dann sollte der Gärtner oder die
Gärtnerin das Giessen nicht
vergessen.
Für den Formschnitt eignen
sich selbstverständlich
nicht nur Eibe, Buchs und
Hainbuche. Aus japanischen
Gärten kennen wir die eleganten
Formgehölze mit den Pompons
an den Endtrieben oder die
schirmförmigen geschnittenen Topiarys. Je nach Standort und Bodenqualität
eignen sich dafür Thuja, Pinus (Föhre, Kiefer),
Chamaecyparis (Scheinzypresse), Acer
(Ahorn), Cornus (Hartriegel) oder Lonicera
(Heckenkirsche) und viele andere immergrüne
Laubgehölze wie Ilex (Stechpalme)
oder Ligustrum.
Vielleicht möchten Sie auch einen schrägen
Vogel, eine Spirale oder ein Ei haben,
oder Sie wünschen sich gar ein Flugzeug,
eine Teekanne oder ein Pferd im Garten.
Im Handel gibt es viele bereits geformte
Figuren, die aber wegen der oft über Jahre
dauernden Entwicklung teuer sind. Wer es
nicht wagt, sich seinen Vogel selber zu
«schneidern», findet dreidimensionale Drahtoder
Chromstahlgestelle. Auf der Suche
nach einer Wildschweinrotte sind wir auf
Steve Manning (www.topiaryartdesigns.com)
gestossen. Der Engländer hat sich auf die
Entwicklung von Chromstahlgestellen spezialisiert.
Ganz nach Wunsch stellt er alle
möglichen Figuren und Formen her und verschickt
diese in die ganze Welt. Auf diese
Weise kann man sich jeden Wunsch im Garten erfüllen. Die Gestelle müssen bloss mit
Buxus oder Taxus bepflanzt werden. Dann
braucht es Geduld, aber Jahr für Jahr wächst
das Gehölz und kann genau in Form
geschnitten werden. Wer ungeduldig ist,
kann Steve Mannings Rat befolgen und sein
Chromstahlgestell mit Moos füllen oder mit
Efeu überwachsen lassen.
Nun mag das alles ja ganz verlockend
tönen, nur das Schneiden macht vielfach
Angst. Mit den vorgeformten Figuren ist es
einfach, schneidet man doch auf die gegebene
Form zurück. Ich selber habe die
Erfahrung gemacht, dass es bloss ein wenig
Mut braucht, um die Schere in die Hand zu
nehmen und ein Gehölz zu coiffieren.
Anfänglich habe ich oft mit der Handschere
gearbeitet, aber unterdessen habe ich
Übung bekommen und schneide mit Freude,
eine schöne Arbeit mit einem sichtbaren
Resultat. Sollte jedoch ein Missgeschick
passieren, tröstet der Gedanke, dass alles
wieder nachwächst. Diesen Sommer habe
ich einem meiner Vögel – zum Abschluss –
den halben Schnabel coupiert! |
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Brauchen keinen
eigenen Zoo. |
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* Cottage Garten, 8453 Alten |
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