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Wenn die Bäume in den Himmel und
der Garten mir über den Kopf wachsen
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* Barbara Scalabrin-Laube |
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Manchmal stehe ich – mit Wanderschuhen,
Gartenhosen und Schere ausgerüstet –
im Garten und weiss nicht, wo ich anfangen
soll. Die Winden haben sich an den Stängeln
des Eisenhuts hoch gehangelt und
blühen bereits. Die Akeleien sind ausgereift
und versamen überall. Das Hexenkraut
blüht und droht, schon bald Früchte zu tragen.
Der rotblättrige Holunder hat neue
Triebe, die bereits mehr als einen Meter
lang sind. Im Weiher sieht man keine Wasserfläche
mehr, da Entengrütze, Wasserhahnenfuss
und Fieberklee überhandgenommen
haben. Der neu gepflanzte
Gingko ist unter einem Storchenschnabel
verschwunden.
Sie wissen: Die Anzahl der Strophen des
Klagelieds einer verzweifelten Gärtnerin
kann beliebig verlängert werden. Da Klagen
meistens nicht weiterhelfen, muss ich mich
entscheiden, welches Übel gerade das
Schlimmste ist, und muss handeln. Ich
beginne zu schneiden, zu jäten, zu entwinden
und zu lockern und nach und nach
werde ich wieder Gebieterin über meinen
Garten, bis ich erneut wie ein Esel am Berg
stehe und nicht weiss, wohin und warum. |
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Beim Arbeiten überlege ich, wie ich mit
dem manchmal unbändigen Wachstum der
Pflanzen besser umgehen könnte, wo ein
Eingreifen sich lohnt und wo ich mich der
Natur nicht widersetzen kann.
Mit dem für unsere Gegend typischen
Mischwald, der unser Grundstück auf zwei
Seiten begrenzt, habe ich mich längst angefreundet.
Er bietet einerseits willkommenen
Windschutz und grünen Hintergrund, aber
anderseits wachsen die Eichen, Buchen und
Eschen allmählich in den Himmel. In der
Folge wird unser Garten von Jahr zu Jahr
schattiger und ändert sein Gesicht. Aus
dem Weiher sind die Seerosen verschwunden,
im Staudenbeet vermisse ich orientalischen
Mohn und Schwertlilien (die ich zwar nicht besonders mochte!) sowie üppigen
Lavendel, kräftige Stockrosen und viele
andere Sonnenanbeter/innen. Hingegen
gedeihen Hortensien, Clematis, Farne, Funkien
und Silberkerzen immer besser. |
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PflanzenJohanniskraut |
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Unser Boden ist fett! Meine Versuche,
diesen mit Sand und Kies in einen durchlässigen,
mageren Boden zu verwandeln,
gelangen nur halb. Nach über zwanzigjähriger
Bearbeitung ist er aber dank Beigaben
von Kompost krümeliger geworden. Zudem
geize ich mit den Düngergaben, um das
Wachstum der Pflanzen in Schach zu halten.
Den Ausspruch aber einer Gartenfreundin,
ich sei mit meinen Pflanzen zu
wenig streng, habe ich mir nicht zu Herzen
genommen, denn ich habe gemerkt, dass
mir das Wachsenlassen eher entspricht als
das Zähmen. Auch habe ich akzeptiert, dass unsere Pflanzen etwas ungestüm sind und
sich nicht an die Grössenangaben in den
Büchern halten.
Ab und zu aber kann ich das Dressieren,
Zurechtbiegen und Zähmen nicht vermeiden.
Ich greife zur Schere und schneide
Gehölze und Stauden, ziehe die Stiefel an
und wate zum Weiher und selbstverständlich
jäte ich. Mit Winden, Hexenkraut und
Baumtropfen bin ich unerbittlich, obwohl
sie schneller wachsen, als ich ihnen Meisterin
werde. Auch im Weiher gehe ich rigoros
vor, hingegen ist mein Umgang mit den
Sträuchern und Bäumen sanfter:
Viele Gehölze schneide ich im Lauf des
Sommers behutsam zurück, denn es ist
mein Stolz, Glanzmispel, Kirschlorbeer,
Feuerbusch, Schneeball, frei wachsenden
Buchsbaum, Eibe, Feige, Stechpalme und
alle meine weiteren Lieblinge so zurückzuschneiden,
dass man die Schnittstellen
nur beim genauen Hinsehen bemerkt
und die natürliche Wuchsform erhalten
bleibt.
Zahlreiche Stauden hingegen nehmen
einen radikalen Rückschnitt nicht übel. So
füllen beispielsweise die neuen Blätter der
Akelei, des Rittersporns oder der Storchenschnäbel
die nach dem Rückschnitt entstandene
Lücke bereits nach etwa zwei Wochen
wieder auf. Andere brauchen keinen
Schnitt, aber eine Stütze. Am besten ist es,
wenn ich diese (z.B. Pfingstrosen, staudige
Clematis oder Astern) bereits zu Beginn des
Wachstums mit Link Stakes, stark verzweigten
Ästen oder anderen «Stehhilfen» stütze,
was ich leider oft unterlasse. «Zur Strafe» muss ich dann mitten im Sommer mit
Stäben und Schnüren einzelne Triebe aufbinden,
denn auch da möchte ich, dass man
den Eingriff möglichst nicht sehen soll. Mit
einer Schnur lieblos strangulierte Pflanzen
bündel mag ich nämlich nicht. |
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Obwohl mich der Garten fit hält, mache
ich mir Gedanken, wie ich verhindern könnte,
dass ich nicht eines Tages als alterndes
Dornröschen von der Natur überwältigt
werde. Da ich mit dem erlösenden Prinzen
lieber nicht rechne, suche ich seit längerem
nach pflegleichten Pflanzen, die nicht allzu
wüchsig sind, Halbschatten mögen und mir
gefallen. Vor allem Gehölze haben es mir
angetan, denn die mehrjährigen Stauden
verlangen meist etwas mehr Pflege, müssen
sie doch in der Regel zurückgeschnitten
und/oder ab und zu geteilt werden.
Seit langem wachsen verschiedene Berberitzen
und Zwergspireen, eine Zwergfelsenbirne,
ein wintergrüner Seidelbast
(Daphne x burkwoodii «Somerset»), ein
spanischer Ginster, eine Strauchveronika,
ein Hypericum «Hidcote», ein Zwergzierapfel
(Malus «Pom Zai»), diverse Fingersträucher,
Feuerbüsche und Zwergflieder. Sie alle
haben sich an die halbschattige Lage angepasst,
obwohl viele einen sonnigen Platz
vorziehen würden. |
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Seidelbast |
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Hingegen sind der
Maiblumenstrauch und das zwergige Zimtröschen
verschwunden. Ihnen hat die
Sonne wohl zu sehr gefehlt.
Auf der Suche nach «Zwergen», die den
Halbschatten oder gar den Schatten schätzen
und besonders interessante Blätter
haben (natürlich sind Blüten auch willkommen),
habe ich gemerkt, dass momentan
viele Kleingehölze (Neuzüchtungen) auf
den Markt kommen, die meine Erwartungen
erfüllen. So habe ich einen Gingko biloba
«Globus» gepflanzt, der nach 15 Jahren
bloss 120 cm gross sein soll. Seine gelben
Blätter im Herbst sind eine Bereicherung
zwischen den Stauden. Dunkelrot, gebuchtet
und gewellt sind hingegen die Blätter
der Zwerghängebuche Fagus sylvatica
«Rohan Weeping». Ganz anders wirken die
frischgrünen, kleinen Blätter des Ulmus parviflora
«Seyu». Im Frühling freue ich mich
an den zarten Kirschblüten des Prunus incisa
«Kojou-No-Mai», später am blühenden
Schneeball Viburnum «Watanabe», der neben
einem kleinen Fächerahorn (Acer palmatum
«Butterfly») wächst. Beim Suchen
ist meine Wunschliste immer länger geworden:
Carpinus coreana, Fagus sylvatica
«Mercedes», Rhamnus frangula «Aplenifolia» und Fraxinus excelsior «Abiona» sind
vorgesehen, wobei ich mir bewusst bin,
dass einige dieser Gehölze nach 15 Jahren
etwa 150 cm hoch sein dürften.
Hätte ich mehr Freude an Koniferen,
wäre meine Einkaufsliste um einiges länger.
Vielleicht ist es gut so, denn wie schnell
würden all diese Gehölze zwar nicht in den
Himmel, aber mir über den Kopf wachsen! |
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* Cottage Garten, Alten |
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