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HEV 9/2008 Inhaltsverzeichnis
Unser Garten

     
  Wenn die Bäume in den Himmel und
der Garten mir über den Kopf wachsen
 
  * Barbara Scalabrin-Laube  
     
  Mischwald  
     
  Manchmal stehe ich – mit Wanderschuhen, Gartenhosen und Schere ausgerüstet – im Garten und weiss nicht, wo ich anfangen soll. Die Winden haben sich an den Stängeln des Eisenhuts hoch gehangelt und blühen bereits. Die Akeleien sind ausgereift und versamen überall. Das Hexenkraut blüht und droht, schon bald Früchte zu tragen. Der rotblättrige Holunder hat neue Triebe, die bereits mehr als einen Meter lang sind. Im Weiher sieht man keine Wasserfläche mehr, da Entengrütze, Wasserhahnenfuss und Fieberklee überhandgenommen haben. Der neu gepflanzte Gingko ist unter einem Storchenschnabel verschwunden.
Sie wissen: Die Anzahl der Strophen des Klagelieds einer verzweifelten Gärtnerin kann beliebig verlängert werden. Da Klagen meistens nicht weiterhelfen, muss ich mich entscheiden, welches Übel gerade das Schlimmste ist, und muss handeln. Ich beginne zu schneiden, zu jäten, zu entwinden und zu lockern und nach und nach werde ich wieder Gebieterin über meinen Garten, bis ich erneut wie ein Esel am Berg stehe und nicht weiss, wohin und warum.
 
      Beim Arbeiten überlege ich, wie ich mit dem manchmal unbändigen Wachstum der Pflanzen besser umgehen könnte, wo ein Eingreifen sich lohnt und wo ich mich der Natur nicht widersetzen kann.
Mit dem für unsere Gegend typischen Mischwald, der unser Grundstück auf zwei Seiten begrenzt, habe ich mich längst angefreundet. Er bietet einerseits willkommenen Windschutz und grünen Hintergrund, aber anderseits wachsen die Eichen, Buchen und Eschen allmählich in den Himmel. In der Folge wird unser Garten von Jahr zu Jahr schattiger und ändert sein Gesicht. Aus dem Weiher sind die Seerosen verschwunden, im Staudenbeet vermisse ich orientalischen Mohn und Schwertlilien (die ich zwar nicht besonders mochte!) sowie üppigen Lavendel, kräftige Stockrosen und viele andere Sonnenanbeter/innen. Hingegen gedeihen Hortensien, Clematis, Farne, Funkien und Silberkerzen immer besser.
 
  Johanniskraut
PflanzenJohanniskraut
   
       
  Unser Boden ist fett! Meine Versuche, diesen mit Sand und Kies in einen durchlässigen, mageren Boden zu verwandeln, gelangen nur halb. Nach über zwanzigjähriger Bearbeitung ist er aber dank Beigaben von Kompost krümeliger geworden. Zudem geize ich mit den Düngergaben, um das Wachstum der Pflanzen in Schach zu halten. Den Ausspruch aber einer Gartenfreundin, ich sei mit meinen Pflanzen zu wenig streng, habe ich mir nicht zu Herzen genommen, denn ich habe gemerkt, dass mir das Wachsenlassen eher entspricht als das Zähmen. Auch habe ich akzeptiert, dass unsere Pflanzen etwas ungestüm sind und sich nicht an die Grössenangaben in den Büchern halten.
Ab und zu aber kann ich das Dressieren, Zurechtbiegen und Zähmen nicht vermeiden. Ich greife zur Schere und schneide Gehölze und Stauden, ziehe die Stiefel an und wate zum Weiher und selbstverständlich jäte ich. Mit Winden, Hexenkraut und Baumtropfen bin ich unerbittlich, obwohl sie schneller wachsen, als ich ihnen Meisterin werde. Auch im Weiher gehe ich rigoros vor, hingegen ist mein Umgang mit den Sträuchern und Bäumen sanfter:
Viele Gehölze schneide ich im Lauf des Sommers behutsam zurück, denn es ist mein Stolz, Glanzmispel, Kirschlorbeer, Feuerbusch, Schneeball, frei wachsenden Buchsbaum, Eibe, Feige, Stechpalme und alle meine weiteren Lieblinge so zurückzuschneiden, dass man die Schnittstellen nur beim genauen Hinsehen bemerkt und die natürliche Wuchsform erhalten bleibt.
Zahlreiche Stauden hingegen nehmen einen radikalen Rückschnitt nicht übel. So füllen beispielsweise die neuen Blätter der Akelei, des Rittersporns oder der Storchenschnäbel die nach dem Rückschnitt entstandene Lücke bereits nach etwa zwei Wochen wieder auf. Andere brauchen keinen Schnitt, aber eine Stütze. Am besten ist es, wenn ich diese (z.B. Pfingstrosen, staudige Clematis oder Astern) bereits zu Beginn des Wachstums mit Link Stakes, stark verzweigten Ästen oder anderen «Stehhilfen» stütze, was ich leider oft unterlasse. «Zur Strafe» muss ich dann mitten im Sommer mit Stäben und Schnüren einzelne Triebe aufbinden, denn auch da möchte ich, dass man den Eingriff möglichst nicht sehen soll. Mit einer Schnur lieblos strangulierte Pflanzen bündel mag ich nämlich nicht.
 
  Obwohl mich der Garten fit hält, mache ich mir Gedanken, wie ich verhindern könnte, dass ich nicht eines Tages als alterndes Dornröschen von der Natur überwältigt werde. Da ich mit dem erlösenden Prinzen lieber nicht rechne, suche ich seit längerem nach pflegleichten Pflanzen, die nicht allzu wüchsig sind, Halbschatten mögen und mir gefallen. Vor allem Gehölze haben es mir angetan, denn die mehrjährigen Stauden verlangen meist etwas mehr Pflege, müssen sie doch in der Regel zurückgeschnitten und/oder ab und zu geteilt werden.
Seit langem wachsen verschiedene Berberitzen und Zwergspireen, eine Zwergfelsenbirne, ein wintergrüner Seidelbast (Daphne x burkwoodii «Somerset»), ein spanischer Ginster, eine Strauchveronika, ein Hypericum «Hidcote», ein Zwergzierapfel (Malus «Pom Zai»), diverse Fingersträucher, Feuerbüsche und Zwergflieder. Sie alle haben sich an die halbschattige Lage angepasst, obwohl viele einen sonnigen Platz vorziehen würden.
     
    Seidelbast
Seidelbast
 
       
  Hingegen sind der Maiblumenstrauch und das zwergige Zimtröschen verschwunden. Ihnen hat die Sonne wohl zu sehr gefehlt.
Auf der Suche nach «Zwergen», die den Halbschatten oder gar den Schatten schätzen und besonders interessante Blätter haben (natürlich sind Blüten auch willkommen), habe ich gemerkt, dass momentan viele Kleingehölze (Neuzüchtungen) auf den Markt kommen, die meine Erwartungen erfüllen. So habe ich einen Gingko biloba «Globus» gepflanzt, der nach 15 Jahren bloss 120 cm gross sein soll. Seine gelben Blätter im Herbst sind eine Bereicherung zwischen den Stauden. Dunkelrot, gebuchtet und gewellt sind hingegen die Blätter der Zwerghängebuche Fagus sylvatica «Rohan Weeping». Ganz anders wirken die frischgrünen, kleinen Blätter des Ulmus parviflora «Seyu». Im Frühling freue ich mich an den zarten Kirschblüten des Prunus incisa «Kojou-No-Mai», später am blühenden Schneeball Viburnum «Watanabe», der neben einem kleinen Fächerahorn (Acer palmatum «Butterfly») wächst. Beim Suchen ist meine Wunschliste immer länger geworden: Carpinus coreana, Fagus sylvatica «Mercedes», Rhamnus frangula «Aplenifolia» und Fraxinus excelsior «Abiona» sind vorgesehen, wobei ich mir bewusst bin, dass einige dieser Gehölze nach 15 Jahren etwa 150 cm hoch sein dürften.
Hätte ich mehr Freude an Koniferen, wäre meine Einkaufsliste um einiges länger. Vielleicht ist es gut so, denn wie schnell würden all diese Gehölze zwar nicht in den Himmel, aber mir über den Kopf wachsen!
 
     
  * Cottage Garten, Alten  
 
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