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«Wacholder?»
«Nein, ich hab schon einen!»
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Text Gernot Grueber, Grueber + Co., Pflanzenschulen, Langnau
Fotos: Elisabeth Meier-Solfrian, Zürich-Witikon |
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Stellen Sie sich vor, jemand hat einen Obstgarten mit einem Boskoop.
Würde er einen Greavensteiner ablehnen mit der Begründung «Ich hab
schon einen» (Obstbaum)? Dabei sind Wacholder viel verschiedener,
viel weniger vergleichbar als die Apfelsorten. |
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Da steh ich nun, mit meinem 55-jährigen
Pflanzenwissen, zusammengetragen
aus tausendundeiner Detailbeobachtung
und x Lexikon-Konsultationen. Muss ich
jetzt wirklich wieder das ganze Wissensalphabet
durchnehmen, nur weil mein
Gegenüber mit seinem Pflanzenproblem
von 270 Varianten Wacholder «schon eine»
hat? Will er überhaupt keinen Wacholder,
oder wäre er doch für eine ganz andere
Spielart zu begeistern? Wohlgemerkt, die
Frage des Standorts muss geklärt sein. Eine
zutreffende Empfehlung bezieht sich auf
Standorte der Feuchtigkeitsversorgung zwischen
normal und eher trocken. Generell:
Wo Sie einen Lavendel pflanzen würden,
kann auch ein Wacholder sich wohl fühlen.
Mit einer kurzen Aufzählung möchte ich
Ihnen die Vielgestaltigkeit der Wacholderfamilie
nahe bringen. Warum also nicht
neben dem kugeligen Schuppenwacholder
«Blue Star» einen flachen Teppichwacholder «Blue Carpet»? Ein Besenwacholder
«Scorpulorum» oder eine Gruppe von Heidewacholder
«Hibernica»? Die heimischen
Heidewacholder-Wildform ist übrigens die
Charakterart der Wacholder-Heiden, die
fast immer auf gut mit Kalk versorgtem
Boden wächst (Jura). Für die schon fast
baumartigen Formen des Virginia-Wacholder
«Canaerti» und die blaue Variante
«Glauca» müssen wir schon mit drei Metern
Durchmesser rechnen. Für grosse
Böschungen eignet sich der breit wachsende
communis «Repanda» oder die breit
wachsenden Formen «Grey Owl» oder
«Hetzi» des Chinawacholders. Sehr beliebt
ist die gelbnadelige Altersform «Plumosa
Aurea», die gerne in Kistchen und Trögen
als Gelbton gebraucht wird und durch
Schnitt klein gehalten werden kann. Für die
gleiche Verwendung eignen sich die Teppichwacholder
horizontalis «Glauca» und
«Wiltonii». Wo sie nicht aufliegen können,
hängen sie einfach nach unten. |
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Sie sehen, «Ich habe schon einen» kann
weder für den Obstgartenbesitzer noch fürjenen, der eine Pflanzenaufgabe lösen
muss, ein stichhaltiges Arguments sein.
Dazu kommt, dass sich hinter den vielen
botanischen Bezeichnungen fast ebenso
viele Nuancen von Farben, Formen und
Nadelstrukturen tummeln. Soll eine Wahl
getroffen werden, sind es oft Wuchshöhe
und Wuchsform, oft auch die Farbe, die
den Stichentscheid geben. Häufig sind auch
Standort und Verwendungszweck die Auslöser:
Böschung, Kistchen, Felspartie, Abdeckung.
Manche von Ihnen wissen, dass Wacholder
Überwinterungs-Zwischenwirte des Birnen-
Gitterrostes sein können. Die Versuchsanstalt
Wädenswil hat während einer
gewissen Zeit jährlich neu jene Wacholder-
Sorten publiziert, die als Wirtspflanzen
bekannt wurden. |
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Juniperus Canaerti |
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Die Folge dieser Erkenntnis
war, dass einige Gemeinden Ausrottungs-
Aktionen anordneten und die
Neupflanzung verpönt war. Sinnvollerweise
hätte durch eine Ausdünnung der Standorte
auch der epidemische Befalldruck vermindert werden können. Aber wer entscheidet, ob nun Nachbar A seinen Wacholder
oder Nachbar B seinen Birnbaum opfern
muss? In den Birnenanbaugebieten des
Wallis wurde Wacholder verboten. Im
Rückblick ergibt sich daraus: Es wurde stellenweise
übers Ziel hinausgeschossen und
wer einen Birnbaum im Garten hat, sollte
auf die anfälligen Wacholdersorten verzichten.
Als sicher unanfällig können die heimischen
Formen des Heidewacholders und die
Teppichwacholder gelten. Wenig gefährlich
sind auch die aufrechten Altersformen
«Blaauws» und «Plumosa Aurea» des
Chinawacholders. |
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Übrigens, in einem Buch vom Anfang
des vergangenen Jahrhunderts (Verfasser:
Silva-Tarouca) sind über 170 Wacholder-
Arten und -Sorten aufgeführt. Die im
19. Jahrhundert entstandenen Selektionen
sind darin nicht enthalten. Natürlich sind
bei Weitem nicht alle Wacholder in Produktion
und Verkauf erhältlich. Viele machen
nur in botanischen Sammlungen oder am
Naturstandort Sinn.
Wacholder sind zweihäusige Pflanzen.
Das heisst, es gibt weibliche und männliche
Individuen. Wenn Sie Beeren ernten wollen,
braucht es ein Paar. Beeren, wozu? Gelegentlich
wird mit Früchten vom heimischen
Heidewacholder Sauerkraut gewürzt. Im
Altertum wurde das brennende Holz von
Wacholder in kultischen Handlungen verwendet. |
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Juniperus Blue Star |
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Seine Zweige wurden zum Schutz
vor bösen Geistern über Haustüren aufgehängt.
In alten Arzneibüchern wurden
Wacholderbeeren bei Magenleiden und
Husten empfohlen. Wenn Sie in einem
Märchenbuch auf den Begriff Machhandel
stossen sollten, damit ist auch der Heidewacholder
gemeint. Die Beeren des Heidewacholders
werden zur Herstellung von
Säften, Schnäpsen (Gin), Mus (Latwerge)
und in Hustensäften verwendet. Sie sollen
stark harn- und schweisstreibend wirken.
Schwangere und Nierenkranke werden vor
der Verwendung von Wacholder gewarnt. |
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In der Homöopathie findet man die
Wacholder unter verschiedenen Titeln,
nämlich Juniperus communis, J. virginiana
und J. sabina (Sadebaumwacholder). Die
Wirkung bezieht sich besonders auf die
Geschlechtsorgane und deren Funktionen.
Bei der Verwendung der Beeren ist zu
beachten, dass die Wirksamkeit sich mit der
Lagerdauer verändert.
Wacholder ist in 23 Arten und über die
ganze Erde verbreitet. Ausgenommen
scheinen die tropischen Gebiete zu sein.
Sie sehen: Mit «Wacholder? Ich habe
schon einen!» machen Sie sichs etwas einfach.
Wacholder ist ein Studium wert, wenn
man ihn schon nicht im Garten haben will,
oder habe ich Sie gar animiert? |
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Juniperus Hibernica (ausgewachsen) im
Botanischen Garten |
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