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Wunschzettel
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Text: Barbara Scalabrin, Cottage Garten, Alten
Bilder: Margrit Born und Barbara Scalabrin |
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Nicht nur Kinder und Brautleute haben Wunschzettel, auch Gärtnerinnen
und Pflanzenfreunde schreiben oft lange Wunschlisten mit Namen
von Pflanzen, die sie in fremden Gärten, in Büchern und Fachzeitschriften
oder Gärtnereien gesehen haben. |
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Sie träumen von Pflanzen, von denen sie
vielleicht wissen, dass sie Traum bleiben
müssen, da sie ihnen den richtigen Standort
nicht anbieten können, da das Klima zu rau
ist, da kein Platz vorhanden ist, da die
Pflanze nicht ins Farbschema passt oder
nicht erhältlich ist.
Auch wir haben unsere Wunschzettel:
Mein Mann träumt beispielsweise davon,
einen aufrollbaren Garten zu erfinden. Ähnlich
wie mit Rollrasen könnte eine Rabatte
mit einem fertigen, aufgerollten Rollborder
innert Kürze gefüllt werden. Dies können
Sie sich sicher vorstellen, nur wissen Sie ja nicht, dass dieses Rollbeet aus Kunststoff
bestehen sollte, damit es nach Gebrauch
mit dem Hochdruckreiniger geputzt und
anschliessend wieder aufgerollt und versorgt
werden könnte. Selbstverständlich
stünden für jede Saison andere Rollborders
zur Verfügung, mindestens vier pro Jahr.
Damit nicht ein extra Schopf gebaut werden
müsste, wäre ein Mietservice denkbar!
Mein Wunschzettel sieht etwas anders
aus, nicht nur, weil ich den Hochdruckreiniger
im Garten nicht mag, sondern weil mir
der künstliche Wechselgarten wohl zu langweilig
und zu steif wäre. Neulich beim
Jäten, als ich mich wieder einmal über
Pflanzen mit den Attributen wie «sät sich
aus» oder «zum Verwildernlassen geeignet» ärgerte, fragte ich mich, wie meine
ideale Pflanze aussehen müsste:
Meine Vorliebe für mehrjährige Stauden
und Gehölze ist bekannt, deshalb kommen
als Idealpflanzen nur diese in Frage. Da
Stauden mir mehr liegen, vermutlich weil
sie handlicher sind und ich den Zugang zum
Pflanzenreich über die Stauden gefunden
habe, ist meine Traumpflanze eine ausdauernde,
standfeste Staude mit horstigem
Wuchs von mittlerer Höhe. Obwohl ich
kräftigen Wuchs und Sämlinge mag, darf
mein Traum nicht zu wüchsig sein, sich also
nicht wie Quecke (Agropyron repens),
Girsch (Aegopodium podagraria) oder
Zaunwinde (Convolvulus sepium) mit
unterirdischen Ausläufern ausbreiten, sondern
soll «folgsame» Wurzeln haben, die
sich nach Bedarf teilen lassen, die Wasser
und Nährstoffe aufnehmen und speichern
können und die Pflanze gut verankern.
Etwas schwieriger wird es, wenn ich an
die Blätter denke. Als wahre Kraftwerke
sind sie äusserst wichtig, stellen sie doch mit
Hilfe des Farbstoffs Chlorophyll und des
Sonnenlichts energiereiche Stoffe aus Kohlendioxid
her, welche sie als Nahrung brauchen.
Die gleichzeitige Abgabe von Sauerstoff
aber ist bekanntlich für Mensch und
Tier lebenswichtig. Mich interessieren die
Blätter allerdings mehr wegen der Blattform
und der Farbe. Favorit ist ein sattes, zum
Glänzen neigendes Grün, wie ich es beispielsweise von den Lenzrosen (Helleborus
x Hybridus) kenne. Zusammengesetzte,
netznervige Blätter finde ich interessanter
als ungeteilte Blätter, obwohl ich im Garten
die Vielfalt schätze und weiss, dass es
beides braucht. Wie wär’s mit einem gefingerten
und gleichzeitig gefiederten wintergrünen
Blatt? Geranium soboliferum,
ein Storchenschnabel aus der ehemaligen
Sowjetunion, hat genau das richtige Blatt
mit einem zusätzlichen Bonus: Es hat eine
auffallend attraktive Herbstfärbung. Ob
ich vielleicht doch zugunsten der Herbstfärbung
auf die Eigenschaft «immergrün»
verzichten soll? Ich entscheide mich für
immergrüne Blätter, da mich diese auch im
Winter erfreuen.
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Geranium soboliferum |
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Nun zur Blüte: Am liebsten sind mir
einfache, radial-symmetrische Blüten, also
Blüten, die über verschiedene Achsen in spiegelbildlich
gleiche Teile zerlegbar sind. Diesem
Muster entsprechen z.B. viele Pflanzen
aus den Familien der Storchenschnabel-
(Geraniaceae), Hahnenfuss- (Ranunculaceae),
Pfingstrosen- (Paeoniaceae), Mohn(Papaveraceae) oder der Rosengewächse
(Rosaceae). Eine schalenförmige Blüte mit
einem Durchmesser von etwa drei bis vier
Zentimetern mit fünf bis zehn runden bis
ovalen Blütenblättern und schön gelben
Staubblättern müsste es sein. Wie die Rosen
müssten Kelchblätter die Blütenschale stützen.
Da einfache Blüten meistens nicht
lange halten (nach der Bestäubung ist der
Zweck bekanntlich erfüllt!), wäre es vorteilhaft,
wenn die nach oben schauenden, aufrechten
und duftenden Blüten nacheinander
blühen würden und remontierend wären.
Eine erste Blüte im Februar und eine zweite
im Spätsommer würden mir gefallen.
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Der Entscheid für eine Farbe ist ein
nächster Schritt. Ich mag Blau, Weiss und ein
zartes Rosa bei Pflanzen. Eine schwarze oder
gelbe Mitte und ausgeprägte Adern auf
hellblauem oder weissem Grund würden
meinem Ideal am besten entsprechen. Da ich
bereits zugunsten von wintergrünen Blättern
auf die Herbstfärbung verzichtet habe, wünsche
ich mir nach der Blüte rote Früchte.
Genug gewünscht! Doch halt, das
Selbstverständliche fehlt: Schnecken und
Mäusen graut es vor meiner Kreation. Auch
Dickmaulrüssler, rote Spinnen und weisse
Fliegen meiden sie, und gegen Pilze, Rost
und andere Übel ist sie resistent. Sie ist winterhart,
robust und erträgt leicht besonnte
Plätze ebenso gut wie den Halbschatten.
Lehmiger Boden ist willkommen, muss aber
nicht sein.
Beim Schreiben habe ich längst gemerkt,
dass ich viele meiner Lieblingspflanzen
zu vereinen suchte, habe ich doch Blätter
und Blüten bei verschiedenen Storchenschnäbeln,
Lenzrosen, einfachen oder
halbgefüllten Pfingstrosen, Dotterblumen,
bei Hahnenfuss und |
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Helleborus |
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Johanniskraut genauso
wie bei Apfelblüten, Rosen und vielen
anderen Pflanzen mit einfachen, schalenförmigen
Blüten entlehnt und mir das Profil
meiner Wunschpflanze damit zusammengestellt.
Vermutlich ist mein Traum zu perfekt, ist
es doch oft das Unvollständige, Fehlerhafte,
das mich fasziniert. So betrachte ich meinen
realen Wunschzettel, wo Namen wie Cornus
«Norman Haddon», Rosa «Sally Holmes»,
Magnolia grandiflora, Phlomis italica, Rhodohypoxis
baurii, Viburnum nudum «Pink
Beauty», Thalictrum minor, Anemonopsis
macrophylla, Baptisia leucantha etc. stehen.
Viele werden Traum bleiben und andere
werden irgendwann Einzug in unseren Garten
halten. Der Wunschzettel bleibt. |
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Hypericum inodorum «Orange Flair» |
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Buchtipp
Wenn ich mich intensiver mit Stauden befasse, beispielsweise Stauden für einen ganz
bestimmten Standort suche, greife ich oft zu einem der Standardwerke im deutschen
Sprachgebiet, wo man nicht bloss Listen zu verschiedenen Lebensbereichen findet, sondern
sich auch über den Aufbau einer Pflanzung informieren kann. |
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Das umfassende Werk «Die Stauden und ihre Lebensbereiche» von Richard Hansen
und Friedrich Stahl ist ein Standardwerk. Leider ist es nicht reich illustriert. Wer gern
Fotos von den einzelnen Stauden hat, sollte sich ein weiteres Buch mit vielen Illustrationen
kaufen. |
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Ich konsultiere daher oft die Pflanzenenzyklopädie der englischen Gartengesellschaft
RHS mit über 6000 Abbildungen. Unterdessen ist sie bei DuMont auf Deutsch
unter dem Titel «The Royal Horticultural Society, Dumonts Grosse PFLANZENENZYKLOPÄDIE
A–Z» erschienen. |
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Beide Werke sind nicht ganz billig, aber vielleicht etwas für den weihnachtlichen
Wunschzettel. |
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